Ende September berichteten die russischen Medien über das mutmaßliche Giftattentat auf den ehemaligen Leiter des Verfassungsgerichts der Ukraine, Alexander Tupizki. Laut Angaben des Rada-Abgeordneten Igor Mossijtschuk wurde in seinem Körper ein um das Siebenfache erhöhter Quecksilberwert festgestellt. Tupizki befinde sich derzeit in einer Wiener Klinik in Behandlung und habe bei der Staatsanwaltschaft Wien eine offizielle Erklärung über das Verbrechen abgegeben, teilte Mossijtschuk auf seinem Telegram-Kanal mit.
"In einem Gespräch mit mir stellte Alexander Nikolajewitsch fest, dass die Spuren seiner vorsätzlichen Vergiftung in die Ukraine führen Er hat Verdächtigungen und Verdächtige Zusammen mit Toxikologen arbeitet er daran, die Umstände der Vergiftung zu ermitteln", so Mossijtschuk.
Diese Informationen wurden allerdings bislang von keiner unabhängigen Quellen bestätigt. Am 27. September veröffentlichte das österreichische Portal Report24 den Befund des Labors am Rudolfinerhaus, das den Überschuss an Quecksilber im Körper des ehemaligen Richters nachweisen sollte, und fügte hinzu, dass das "Umfeld des Richters" von einem Attentatsversuch durch den ukrainischen Geheimdienst ausgehe. Laut Informationen der bekannten ukrainischen Journalistin Diana Pantschenko handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen ukrainischen Abgeordneten, der Tupizki kurz zuvor in Wien besucht hat. Pantschenko gehört zu den lautstärksten Kritikern der ukrainischen Politik und lebt derzeit im türkischen Exil.
In ihrem Beitrag auf Youtube "Wovor hat Selenskij Angst" weist die Journalistin im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Vergiftungsversuch auf den Tod eines anderen hochrangigen ukrainischen Juristen, Leonid Loboiko, hin. Er starb am 28. September in der Nähe der Front im Gebiet Charkow, als sein Auto angeblich von einer russischen Kamikaze-Drohne angegriffen wurde. Leonid Loboiko war Mitglied des Obersten Gerichtshofs und ein Verbündeter des Ex-Leiters des Verfassungsgerichts in dessen Streit mit Wladimir Selenskij. Da keine Beweise vorgelegt wurden, dass die Drohne, die Loboiko getötet hatte, von den Russen gesteuert worden war, glaubt die Journalistin nicht an einen Zufall.
Aber warum sollten die beiden Juristen unbequem für Selenskij sein? Der Streit des Präsidenten mit dem damaligen Leiter des Verfassungsgerichts geht auf das Jahr 2020 zurück. Damals widersetzte sich das Verfassungsgericht einem Rada-Beschluss über die digitale Steuererklärung für Abgeordnete. Das gefiel Selenskij nicht und er entließ Tupizki und einen weiteren Richter. Da der Präsident laut Verfassung für solche Entscheidungen keine Kompetenz hat, war die Entscheidung verfassungswidrig.
Über die Verfassungskrise in der Ukraine berichteten damals viele Medien, auch im Westen. Selenskijs Überschreitung seiner Befugnisse bezeichneten auch die treusten "Freunde" der Ukraine, wie etwa die Grünen, als "äußerst beunruhigend". Die Rede war sogar von einem "Verfassungsstreich". Der Oberste Gerichtshof gab in einem Beschluss vom Mai 2021 den Verfassungsrichtern Recht und nannte die Handlungen des Präsidenten nicht rechtmäßig.
Der Westen stellte sich schließlich auf die Seite Selenskijs und die USA setzten Tupizki auf die Sanktionsliste. Selenskij ging gegen den Beschluss des Obersten Gerichts in Berufung und ... verlor. Die Große Kammer des Obersten Gerichtshofs traf erst am 19. Oktober 2023 ihre Entscheidung und der Richter Loboiko war einer derjenigen, die gegen Selenskijs Dekret stimmten.
Zu diesem Zeitpunkt war Tupizki wegen Korruptionsvorwürfen von den ukrainischen Behörden schon lange auf die internationale Fahndungsliste gesetzt worden – im März 2022 verließ er das Land und fand Zuflucht in Österreich. Laut Beschluss des Obersten Gerichtshofs musste Selenskij seine Entscheidung revidieren und Tupizki in sein Amt zurückkehren lassen. Selenskij ignorierte den Gerichtsbeschluss und Tupizki legte Untätigkeitsklage gegen den Präsidenten ein. Dies machte den Richter in den Augen des Präsidenten endgültig zu seinem persönlichen Feind. Als Nächstes führten die Strafverfolgungsorgane 20 Wohnungsdurchsuchungen bei Tupizki, seinen Verwandten sowie engen Freunde in der Ukraine durch, auf der Suche nach kompromittierendem Material.
Am 23. Dezember 2023 erklärte Selenskij in einer Rede im ukrainischen Außenministerium, dass alle Rechte, die die Verfassung der Ukraine ihren Bürgern garantiere, nun (wegen des Kriegszustands) auf Eis gelegt seien. Die Journalistin Diana Pantschenko weist darauf hin, dass Selenskij seit Mai nicht mehr rechtmäßig an der Macht ist, weil in diesem Monat seine Legislaturperiode zu Ende gegangen sei. Ihrer Meinung nach ist nun Tupizki wieder derjenige, der die Frage nach Selenskijs Legitimität stellen könnte. Zum Schluss ihres Beitrags deutet sie an, dass Selenskij in dieser Situation ein Motiv hatte, nicht nur den Richter Tupizki, sondern auch Loboiko, seinen Kollegen vom Obersten Gerichtshof, gewaltsam zu beseitigen.
"Selenskij entfernt Tupizki gewaltsam und unrechtmäßig. Das Verfassungsgericht ist die einzige Instanz, die Selenskijs Legitimität infrage stellen kann. Und Selenskij ist ein 'überfälliges' Staatsoberhaupt. Als Nächstes annulliert Selenskij die Wahl. Und Tupizki gewinnt den Prozess gegen Selenskij. Der Oberste Gerichtshof der Ukraine entscheidet, dass Selenskij seine Kompetenzen überschritten hat. Und in Wien wird Tupizki vergiftet. Und in Charkow wird ein Richter des Obersten Gerichtshofs ermordet. Alle, die Wladimir Selenskij am Regieren hindern, werden entweder ermordet, sitzen im Gefängnis oder sind auf der Flucht", schlussfolgert die Journalistin.
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