Als wir die Volksverpetzer-Klage gegen Twitter zustellen wollten, hieß es zunächst: Niemand in Deutschland ist dafür zuständig. Wir haben es dann dennoch geschafft, dass Twitter sie angenommen hat, doch das wird ein Nachspiel haben – und es ist ein Signal, das auch im Koalitionsvertrag seinen Niederschlag finden muss.
Wir bei Volksverpetzer verklagen derzeit die Firma Twitter, weil auf dieser rechtsradikalen Plattform regelmäßig geltendes Recht ignoriert und gefährliche Inhalte ungestraft verbreitet werden. Bereits in unserem Video „Wir verklagen Twitter“ erklärten wir mit unserem Anwalt Chan-jo Jun, warum es höchste Zeit ist, dass auch Twitter – und damit der rechtsextreme Elon Musk – zur Verantwortung gezogen wird. Und ja: Obwohl Musk die Plattform mittlerweile „X“ nennt, verklagen wir Twitter – denn so heißt weiterhin die Firma, die in ihrer Rechtsnatur und ihren Pflichten unverändert bleibt: Twitter International Unlimited.
So wollen wir Musk in die Knie zwingen
Unsere Klage zielt darauf ab, Twitter dazu zu zwingen, rechtswidrige Inhalte aktiv zu unterbinden und ein Grundsatzurteil zu erwirken, das weit über den Einzelfall hinaus Wirkung zeigt. Uns ist allen klar, wie Desinformation und rechtswidrige Inhalte auf Twitter grassieren – ein Zustand, der durch die (rechts)radikalen Veränderungen seit der Übernahme durch Elon Musk weiter eskaliert ist. Früher gab es zumindest Abteilungen, die sich um Public Policy und die Durchsetzung von Regeln bemühten. Seit Musk an der Spitze steht, werden lediglich die nötigsten Minimalmaßnahmen getroffen, während radikale und extremistische Tendenzen auch mit ihren vielen Rechtsbrüchen freien Lauf haben.
Natürlich gab es auch massiv illegale Inhalte über mich, Thomas Laschyk und Volksverpetzer. Wir meldeten diese Inhalte an Twitter, doch die Plattform weigerte sich, diese Sachen zu löschen, bis ich den Anwalt Chan-jo Jun einschaltete. Schon eine Ungeheuerlichkeit, denn nicht jeder sollte sich einen Anwalt leisten müssen, damit auf Twitter keine Verleumdungen und rufschädlichen Lügen über einen veröffentlicht werden. Twitter löschte die Inhalte zwar, aber weigerte sich, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
Ihr wisst schon, einfach zu versichern, dass Dinge, die nach deutschem Recht illegal sind, auch gelöscht werden. Twitter will sich quasi weigern zu akzeptieren, dass unser Gesetz bei ihnen gilt. Recht bekommt nur, wer dicke Brieftaschen und teure Anwälte hat. Das will Volksverpetzer ändern. Wir wollen, dass Twitter zu dieser Unterlassung vom Gericht gezwungen wird, damit sie dann Ordnungsgeld zahlen müssen, wenn sie dagegen verstoßen.
Damit wir dann ein Urteil haben, mit dem wir den zuständigen Behörden zeigen können, was hier gerade massiv falsch läuft. Ein Präzedenzfall, auch in der Hoffnung, dass er Nachahmer findet. Dann können die Behörden auf EU- und Bundesebene mal mit Beispielen Druck auf die Plattform ausüben, damit Musk sieht, dass er nicht einfach machen kann, was er will, nur weil er viel Geld hat. Möglich ist das nur, weil uns unsere Leser auch finanziell supporten – denn hinter uns steht kein Staat, keine Stiftung und kein Unternehmen. Nur tausende Leser. Danke euch!
Ein Hin und Her gegen Twitter
Nachdem Anwalt Jun die Klage gegen Twitter eingereicht hatte, begann der bürokratische Schlagabtausch. Aber: Twitter wollte sich nicht einfach so in die Schranken weisen lassen. Die erste Hürde bestand schon in der Zustellung der Klage – ein wiederkehrendes Problem, das uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Wie Chan-jo Jun und seine Mitarbeiterin Jessica Flint in ihrem Video-Update ausführlich erklärten, zeigt sich hier einmal mehr das gewohnte Manöver: Sie seien nicht zuständig.
Das passiert immer wieder und ist oft auch gezielte Taktik: Da die Firma einen Sitz in der EU hat, in Irland, müsste man ihnen theoretisch, wenn es in Deutschland niemanden gibt, dem man etwas zustellen kann, nach Irland zustellen. „Die Verfahren, bis es dort ankommt, können manchmal bis zu einem Jahr dauern“, erklärt Jun. „So kann es passieren, dass ein Beschluss, wenn er beispielsweise ohne Zustellung an die Gegenseite ergeht, innerhalb eines Monats aufgehoben wird, weil die Zustellung nicht erfolgt ist.“ Im Eilrechtsschutz muss ein Beschluss, in dem der Gegner zum Unterlassen verpflichtet wird, der Gegenseite innerhalb eines Monats nach Erlass des Beschlusses zugestellt werden, sonst darf man nicht mehr vollstrecken.
Niemand ist zuständig?
Im konkreten Fall wurde unsere Klage an die im Impressum von Twitter angegebene, deutsche Rechtsanwaltskanzlei zugestellt. Das war aber nicht die Kanzlei, die Twitter vertritt, sondern war nur „C/O“ – also sie nimmt nur die Klagen für Twitter entgegen. Die widersprach dann aber der Zustellung mit der Begründung, dass sie nicht bevollmächtigt sei, solche Klagen entgegenzunehmen. Jun erklärt, wie es bei uns lief:
„Zwar gibt es im Impressum von Twitter einen Zustellungsbevollmächtigten, allerdings nur für Zustellungen wegen rechtswidriger Inhalte nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), und zwar an die TI Kontakt GmbH, die mit einer „care of“-Adresse bei einer Rechtsanwaltskanzlei angegeben ist.“
Das heißt: Den Weg, den sie selbst angegeben haben, wollten sie uns versperren. Twitter wollte also quasi behaupten, dass niemand in Deutschland dafür zuständig sei und wir doch bitte den langen und aussichtsloseren Weg über Irland gehen sollen. „Das Gericht hat unsere Klage dann an diese Kanzlei zugestellt – und diese Kanzlei behauptet, sie sei dafür nicht zuständig. Wir sind jedoch der Meinung, dass die TI Kontakt GmbH zustellungsbevollmächtigt für diese Klage ist“, erklärte Flint.
Wann wurde die Klage jetzt zugestellt?
Twitter zeigte sich dann nach einigem hin und her aber doch kooperativ und die Klage wurde angenommen inzwischen. „Allerdings an die Kanzlei, die sonst ein anderes Unternehmen im Social-Media-Bereich vertritt.“ Klar könnten wir froh sein, dass die Klage jetzt angenommen wurde, aber hier gibt es zwei große Probleme:
Ab wann gilt die Zustellung als erfolgt? Als sie bei der T.I. Kontakt GmbH angekommen ist oder als sich Twitter „erbarmt“ hat sie anzunehmen? Das ist vor allem auch wichtig für die Frage der Zinsberechnung bei den Kosten, aber auch für den für uns viel wichtigeren Punkt: Wie soll jemand Twitter in Zukunft verklagen können, wenn sie mal wieder gegen deutsches Recht verstoßen? Man kann ja nicht einfach darauf hoffen, dass sie Bock dazu haben. Jun erklärt es:
„Dabei muss man beachten, dass es für den JMStV eine weitere rechtliche Voraussetzung gibt, nämlich dass nur Ansprüche, die auch unter den Jugendschutz fallen, auf diesem Wege zugestellt werden können. Das ist bei uns zwar der Fall, aber in anderen Fällen möglicherweise nicht, was das Problem der Zustellung weiter verkompliziert. Es gibt Beispiele, wo in München die Zustellung per E-Mail erfolgte oder bei chinesischen Beklagten im gewerblichen Rechtsschutz über öffentliche Zustellung im Gerichtsflur.
Diese Methoden zeigen, dass es durchaus alternative Zustellungswege gibt, die Gerichte nutzen. Doch letztlich benötigen wir eine gesetzliche Regelung, die klare Zustellungswege vorgibt, sodass wir nicht darauf angewiesen sind, dass die Beklagten als Plattformbetreiber sich freiwillig den Verfahren stellen. Denn derzeit sind sie oftmals bereit – aber eben nicht immer.“
Wir brauchen eine neue gesetzliche Regelung
Und hier ein Appell an die nächste Regierung: Wir brauchen eine derartige gesetzliche Regelung. Das gab es früher beim NetzDG. Das hatte einmal festgelegt, dass Plattformen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen müssen – eine Stelle in Deutschland, an die Klagen oder Abmahnungen geschickt werden können.
„Aber diese Regelung gibt es nicht mehr, weil die EU festgelegt hat, dass mit einem Sitz in der EU kein Zustellungsbevollmächtigter in jedem Land nötig ist. . Das würde das Verfahren deutlich vereinfachen und den Weg ebnen, um Plattformen vor Gericht bringen zu können, wenn sie gegen geltendes Recht verstoßen.“
Es muss ein moderner, elektronischer Zustellungsweg eingerichtet werden, um solche Verzögerungen und juristischen Tricksereien zu vermeiden. Es muss sichergestellt werden, dass niemand – auch nicht ein Gigant wie Twitter – sich ewig hinter bürokratischen Schlupflöchern verstecken kann. Wir werden den Vorfall auch rügen und eine Beschwerde einreichen.
Warum dieser Kampf so wichtig ist
Der Kampf gegen Twitter und reiche Faschisten wie Elon Musk ist nicht nur ein Einzelfall, sondern ein Musterbeispiel dafür, wie mächtige Konzerne und deren Machthaber versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Während sie unsere Demokratien mit Hass und Lügen vergiften und zerstören wollen. Die radikalen Veränderungen seit der Übernahme durch Musk haben Twitter zu einem Nährboden für Hass, Desinformation und Rechtswidrigkeiten gemacht. Mit dieser Klage möchten wir nicht nur diesen einzelnen Verstoß ahnden, sondern ein Grundsatzurteil erwirken, das zeigt, dass auch digitale Plattformen nicht über dem Gesetz stehen.
Unsere Aktion verdeutlicht, wie schwer und teuer es ist, den Rechtsstaat im digitalen Raum aufrechtzuerhalten. Sie ist ein Weckruf – nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für den Gesetzgeber. Es ist an der Zeit, klare Zustellungswege und verbindliche Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, auch die Giganten der Tech-Branche zur Rechenschaft zu ziehen. Der Koalitionsvertrag muss diesen Aspekt berücksichtigen, um zukünftig ein faires und transparentes Verfahren zu gewährleisten. Du kannst auch dabei helfen, und uns hier unterstützen.
Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Frederic Legrand – COMEO, Volksverpetzer
The post Wollte sich Twitter vor der Volksverpetzer-Klage verstecken? appeared first on Volksverpetzer.
Meist kommentiert