Wie Putin einen BBC-Journalisten nach dessen dummer Frage höflich aber bestimmt grillt

Im Gegensatz zu westlichen Politikern lassen russische Politiker auch Fragen „gegnerischer“ Journalisten zu. Ein BBC-Journalist hat Putin eine Frage zur Ukraine und zu britischen Geheimdienstberichten gestellt, woraufhin Putin den Journalisten in seiner Antwort höflich aber bestimmt gegrillt hat. Von Thomas Röper

Im Westen, wo angeblich Pressefreiheit herrscht, sind russische Journalisten bei Pressekonferenzen von Staats- und Regierungschefs schon lange nicht mehr zugelassen. In Russland hingegen, wo angeblich Zensur und Unterdrückung von Journalisten herrschen, sind Journalisten bei Pressekonferenzen von Präsident Putin und anderen führenden russischen Politikern nicht nur zugelassen, ihnen wird auch die Möglichkeit gegeben, ausführlich Fragen zu stellen.

So auch bei Putins Pressekonferenz nach dem BRICS-Gipfel, bei der eine Frage von einem Journalisten der BBC kam, der ein langjähriger Russland-Korrespondent ist und seine Frage sogar in gutem Russisch gestellt hat.

Die BBC-Journalisten in Moskau sind bekannt dafür, bei Pressekonferenzen besonders dumme Fragen zu stellen, die in dem Propaganda-Feuerwerk einer BBC-Nachrichtensendung vielleicht gut aussehen, aber Putin regelmäßig die Möglichkeit geben, seinen Standpunkt ausführlich darzulegen, was die BBC natürlich nicht zeigt. Wie seine Körpersprache zeigt, scheint Putin daran sogar seinen Spaß zu haben. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist aus dem Jahr 2014, Sie können es sich hier anschauen.

Kommen wir nun zu der aktuellen BBC-Frage und zu Putins Antwort, ich habe die Frage und die Antwort vollständig übersetzt, wobei ich sehr empfehle, bis zum Ende zu lesen, weil es an dem Punkt, wo Putin über die Lage in Europa und den Kampf der EU gegen den Klimawandel spricht, in meinen Augen besonders interessant wird. (Putin: „Wir sind bereit, den Kampf gegen die NATO fortzusetzen“ – wie das russische Fernsehen über Selenskys „nukleares Ultimatum“ berichtet)

Beginn der Übersetzung:

Frage: Ich habe die BRICS-Abschlusserklärung gelesen und darin ist von der Notwendigkeit globaler und regionaler Stabilität, Sicherheit und gerechtem Frieden die Rede.

Ich denke, dass das Motto des russischen BRICS-Vorsitzes insgesamt diese Begriffe, Gerechtigkeit und Sicherheit, beinhaltet. Aber wie passt das alles zu Ihrem Handeln in den letzten zweieinhalb Jahren, mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine? Wo bleiben da Gerechtigkeit, Stabilität und Sicherheit, auch die Sicherheit Russlands?

Denn es gab vor dem Beginn der Militäroperation keine Drohnenangriffe auf russisches Territorium, keinen Beschuss russischer Städte, keine ausländischen Truppen, die russisches Territorium besetzten – das gab es nicht.

Und schließlich: Wie passt das alles zu der jüngsten Erklärung des britischen Geheimdienstes, wonach Russland mit Brandstiftung, Sabotage und so weiter auf den Straßen Großbritanniens und Europas Unheil stiften will? Wo bleibt da die Stabilität? (Wer stoppt den Irren endlich? Selensky droht in Brüssel: NATO-Beitritt oder die Ukraine wird sich atomar bewaffnen)

Danke.

Putin: Ich werde mit der Sicherheit Russlands beginnen, denn das ist für mich das Wichtigste.

Sie sprachen von Drohnenangriffen und so weiter. Ja, das gab es nicht, aber es gab eine viel schlimmere Situation. Die Situation bestand darin, dass man uns auf bei unseren ständigen und hartnäckigen Vorschläge zur Aufnahme von Kontakten und Beziehungen mit den Ländern der westlichen Welt zeigen wollte, wo unser Platz ist. Das kann ich Ihnen ganz sicher sagen. Alles schien höflich zu sein, aber im Prinzip wurde uns immer unser Platz zugewiesen.

Und dieser Platz hätte schließlich dazu geführt, dass Russland in die Kategorie der Staaten der zweiten Reihe abrutscht, die nur noch die Funktion von Rohstofflieferanten erfüllen und dabei in hohem Maße ihre Souveränität verlieren. Aber Russland kann sich in so einer Lage nicht nur nicht entwickeln, es kann nicht existieren. Russland kann nicht existieren, wenn es seine Souveränität verliert.

Das ist das Allerwichtigste. Russlands Ausstieg aus diesem Zustand, die Stärkung seiner Souveränität, seiner Unabhängigkeit in der Wirtschaft, im Finanzwesen und im Militär bedeutet eine Erhöhung unserer Sicherheit und die Schaffung von Bedingungen für seine selbstbewusste Entwicklung in der Zukunft als unabhängiger Staat, vollwertig und autark, mit der Art von Partnern, die wir in den BRICS haben, die Russlands Unabhängigkeit respektieren, die unsere Traditionen respektieren und die wir genauso behandeln.

Nun zu der Frage der Entwicklung und der Gerechtigkeit in Fragen der Sicherheit. Dazu habe ich einige Gedanken, und ich werde versuchen, Ihnen zu antworten. Dies sind meine Gedanken.

Was ist Gerechtigkeit im Bereich der Entwicklung? Schauen Sie sich die jüngsten Ereignisse während der Coronavirus-Pandemie an. Was geschah damals? Ich möchte sowohl Ihre Aufmerksamkeit als auch die aller anderen Medienvertreter darauf lenken. Damals haben die USA etwa sechs Billionen Dollar emittiert, und die Eurozone etwa drei Billionen Dollar, etwas über drei.

Und all diese Gelder wurden auf den Weltmarkt geworfen, um alles aufzukaufen, vor allem Lebensmittel, und nicht nur das: Medikamente und Impfstoffe, die jetzt massenhaft vernichtet werden, weil sie bereits abgelaufen sind. Sie haben all das Geld auf den Markt geworfen, und es kam die Inflation bei den Lebensmitteln, es gab auf der ganzen Welt eine Inflation.

Was haben die führenden Wirtschaftsnationen der Welt getan? Sie haben ihre exklusive Stellung im Weltfinanzsystem, sowohl den Dollar als auch den Euro, missbraucht.

Sie haben sie gedruckt und wie ein Staubsauger die wichtigsten Güter vom Markt gesaugt. Die verbrauchen mehr, Sie verbrauchen mehr, als Sie produzieren und verdienen. Ist das gerecht? Wir sind der Meinung, dass es das nicht ist, und wir wollen diese Situation ändern. Das ist es, was wir in BRICS tun.

Nun zur Sicherheit insgesamt. Was die Sicherheit Russlands betrifft, so habe ich das bereits gesagt. Ich verstehe, was Sie sagen. Aber ist es aus sicherheitspolitischer Sicht gerecht, unsere ständigen Appelle an unsere Partner, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, jahrelang zu ignorieren? Ist es gerecht, uns ins Gesicht zu lügen, indem man uns verspricht, dass es keine solche Erweiterung geben wird, und dann ihre diesbezüglichen Verpflichtungen verletzen?

Ist es gerecht, überhaupt in unseren „Unterleib“ einzudringen, sagen wir, in die Ukraine, und dort mit dem Bau von Militärstützpunkten zu beginnen, nicht mit der Vorbereitung, sondern mit dem Bau? Ist das gerecht?

Ist es gerecht, den Staatsstreich durchzuführen, von dem ich bei der Beantwortung der Frage Ihres Kollegen sprach, unter Missachtung des Völkerrechts und aller Grundsätze des Völkerrechts und der UN-Charta, einen Staatsstreich in einem anderen Land, in diesem Fall der Ukraine, zu finanzieren und die Situation in eine heiße Phase zu treiben? Ist das unter dem Gesichtspunkt der weltweiten Sicherheit gerecht?

Und ist es etwa gerecht, die im Rahmen der OSZE eingegangenen Verpflichtungen zu verletzen, wenn alle westlichen Länder ein Papier unterzeichnet haben, wonach es keine Sicherheit für die eine Seite geben kann, wenn die Sicherheit der anderen Seite verletzt wird?

Wir haben gesagt: Tut das nicht, das verletzt unsere Sicherheit, die NATO-Erweiterung. Nein, sie haben es trotzdem getan. Ist das gerecht?

Hier ist gar keine Gerechtigkeit, und wir wollen diese Situation ändern, und wir werden das erreichen.

Die letzte Frage, noch einmal?

Frage: Die Behauptung des britischen Geheimdienstes, dass Russland auf den Straßen Großbritanniens Unruhe stiftet.

Putin: Hören Sie mir zu, danke, dass Sie mich an diesen Teil erinnert haben, das ist völliger Unsinn.

Verstehen Sie, dass das, was auf den Straßen einiger europäischer Städte passiert, das Ergebnis der Innenpolitik dieser Länder ist. Und wir beide wissen, dass die europäische Wirtschaft am Rande der Rezession steht, und die führenden Volkswirtschaften der Eurozone befinden sich in der Rezession.

Wenn es ein leichtes Wachstum gibt, 0,5 Prozent, dann wegen des Südens, wo es keine ernsthafte Produktion gibt, wegen des Immobiliensektors, der Tourismusbranche und so weiter. Aber ist das unsere Schuld? Was haben wir damit zu tun?

Die westlichen Länder, die europäischen Länder, haben sich geweigert, unsere Energieträger zu nutzen. Aber wir weigern uns nicht, zu liefern. Übrigens gibt es noch eine Pipeline unter der Ostsee – Nord Stream 2. Was sollte die deutschen Regierung tun? Einfach auf den Knopf drücken, und es würde fließen. Aber sie tun es nicht, aus politischen Gründen.

  

Und ihr wichtigster Partner – ich weiß nicht, aus welchen Gründen – hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein ganzer Sektor der deutschen Wirtschaft in die USA abwandert, weil die dortige Regierung komplementärere Bedingungen für Unternehmen schafft.

Und die wichtigsten Energieträger kosten dort, glaube ich, ein Drittel wie in Europa, oder sogar ein Viertel. Es gibt andere steuerliche Bedingungen, gezielte Maßnahmen. Aber was haben wir damit zu tun?

Das löst eine entsprechende Reaktion aus, weil der Lebensstandard der Menschen sinkt. Das ist offensichtlich, das sagen die Statistiken der europäischen Länder selbst. Aber was haben wir damit zu tun?

Kommen Sie, meinen Sie das ernst? Wissen Sie, bei uns nennt man das den Versuch, jemandem den schwarzen Peter zuzuschieben und sich der Verantwortung für falsche Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich der Innenpolitik zu entziehen.

Im wirtschaftlichen Bereich ist das, meine ich, für objektive Experten offensichtlich, aber viele Leute in Europa und in anderen Ländern, in den USA, haben das ökologische Thema und die steigende Temperatur auf dem Planeten missbraucht und versuchen immer noch, sie zu missbrauchen.

Sie rennen los, ohne bei der technologischen Entwicklung eine ausreichende Basis zu haben, sie schließen alles, was mit der Kernenergie zu tun hat, sie schließen alles, was mit der Kohleverstromung zu tun hat – früher gab es das doch, oder? Sie schalten alles ab, was überhaupt mit Kohlenwasserstoffen zu tun hat.

Hat das irgendjemand nachgerechnet? Kann Afrika auf diese Arten von Kohlenwasserstoffen verzichten oder nicht? Nein. Die afrikanischen Länder und einige andere Schwellenländer werden gezwungen, moderne – und vielleicht ökologisch effiziente – Werkzeuge und Technologien einzusetzen. Aber sie können sie nicht kaufen, es ist kein Geld da. Dann gebt ihnen das Geld! Aber niemand gibt ihnen Geld.

Stattdessen führen sie Werkzeuge ein, die meiner Meinung nach Werkzeuge des Neokolonialismus sind, wenn sie diese Länder herunterwirtschaften und sie wieder von westlichen Technologien und Krediten abhängig machen. Die Kredite vergeben sie zu schrecklichen Bedingungen, die Kredite können nicht zurückgezahlt werden. Das ist ein weiteres Instrument des Neokolonialismus.

Deshalb muss man vor allem die Ergebnisse der Wirtschafts-, Finanz- und Innenpolitik der westlichen Länder ansehen. Und natürlich haben die Menschen Angst vor einer Verschärfung der internationalen Situation durch die Eskalation in verschiedenen Konfliktgebieten: im Nahen Osten und in der Ukraine. Aber nicht wir sind für diese Eskalation verantwortlich.

Die Eskalation wird immer von denen betrieben, die auf der anderen Seite stehen.

Nun, wir sind zu dieser Eskalation bereit. Denken Sie darüber nach, ob die Länder, die daran beteiligt sind, dazu bereit sind.

Ende der Übersetzung

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Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 28.10.2024

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