Im Rahmen der EU-Erweiterungspolitik verfasst die Europäische Kommission jährlich Berichte, die Beitrittskandidaten anhand vieler relevanter Parameter bewerten. In seinem am Mittwoch veröffentlichten "Ukraine-Report" überschüttet die Kommission die Ukraine mit viel Lob für die "Fortschritte" auf dem Weg in die EU. Bei einigen Mängeln, die doch festgestellt werden konnten, zeigten die Verfasser Verständnis.
Angesichts der im ganzen Land wütenden Mobilisierungskommandos war zu erwarten, dass diese Problematik in dem Bericht zumindest Erwähnung findet. In der Präambel zum Kapitel "Funktionieren der demokratischen Institutionen und Reform der öffentlichen Verwaltung" merkten die Verfasser an, dass die Ukraine ein demokratischer Rechtsstaat sei, der die Grundsätze des demokratischen Pluralismus und Grundrechte achte.
Doch angesichts der "russischen Aggression" würden nach Verhängung des Kriegsrechts einige dieser Rechte eingeschränkt, stellt die EU-Kommission fest. Ohne die Zwangsmobilisierung zu erwähnen, bezeichnete die Kommission die Einschränkungen als im Allgemeinen verhältnismäßig. Im Wortlaut hieß es:
"Das Kriegsrecht erlaubt die Einführung bestimmter Einschränkungen der individuellen Rechte und Freiheiten sowie der Rechte und rechtlichen Interessen juristischer Personen. Seine Anwendung war insgesamt verhältnismäßig."
Das Thema politischer Gefangener, die oft für ein Like in den sozialen Medien oder einen Artikel langjährige Gefängnisstrafen bekommen, sowie die Verfolgung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche fanden im Bericht keinen Platz. Stattdessen wurden der Ukraine Fortschritte beim Schutz nationaler Minderheiten und im Bereich der Informationsfreiheit bescheinigt. Beim Thema Folter merkte die EK an, die ukrainische Regierung müsse die Effizienz der Ermittlungen in Fällen von Folter in Haftanstalten verbessern. Das war einer der wenigen Kritikpunkte im Bericht.
Das Wüten der Mobilisierungskommandos ist in der Ukraine sprichwörtlich. Täglich tauchen von Passanten veröffentlichte Videos im Internet auf, die gewaltsame Festnahmen dokumentieren. "Wie Hunde gezerrt", wird dabei etwa im Off-Ton kommentiert. Die Mitarbeiter der Einberufungskommandos und Polizisten, die ihnen dabei helfen, werden im Volksmund "Menschenfänger" genannt.
Da dabei auf den Gesundheitszustand der "Opfer" oft nicht geachtet wird, sind inzwischen viele Sterbefälle in Gewahrsam bekannt. Es regt sich seit Langem auch ziviler Widerstand gegen diese Gewalt. Mancherorts stellen die Anwohner Straßensperren auf, oft werden nachts die Autos der Mobilisierungskommandos in Brand gesetzt. Dass die EU-Kommission all diesen und sonstigen Fällen der groben Verletzung der Menschenrechte keine Beachtung schenkt, ist bezeichnend. Solange eine Regierung eine Politik gegen Russland verfolgt, gibt es an ihrem Vorgehen nichts zu beanstanden.
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