"Potenziell entwicklungsbeeinträchtigend" ‒ Medienaufsicht droht AfD mit Video-Sperrung

Im Rahmen der zurückliegenden Landtagswahlen in Brandenburg am 22. September ließ das Social-Media-Team der AfD Brandenburg einen KI-generierten Wahlkampfspot produzieren. Der Videoinhalt typischen Wahlkampfcharakters stellte dabei reale Zustandsbeschreibungen alltäglicher Sorgen der Bürger möglichen Entwicklungen nach AfD-Lösungsmodellen gegenüber. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) bewertet das Video nun nachträglich als "potenziell entwicklungsbeeinträchtigend" für Kinder und Jugendliche und droht nach entsprechender Bewertung der "Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)" mit Verbotsauflagen.

Die dem Springer-Verlag zugehörige Welt berichtet über den Vorgang, um für sich in dem Artikel zu erkennen, dass in dem 78-sekündigen AfD-Video "Migranten allein als Bedrohung dargestellt und Jugendliche mit dunkler Hautfarbe und Haaren zu 'Fremden' erklärt werden". Der Clip wurde von der AfD Brandenburg am 14. September, damit acht Tage vor der Landtagswahl, auf X veröffentlicht. Zu KI-generierten, also nicht realen, künstlichen Bildern heißt es in den von der mabb kritisierten Texteinblendungen:

"Du entscheidest, ob die Ortsmitte deiner Heimatstadt einen Wochenmarkt behält oder einen Drogenmarkt bekommt. Die Züge endlich wieder pünktlich fahren oder der Bahnhof zum Tatort wird. Du entscheidest, ob Eltern ihre Kinder morgens mit gutem Gewissen zur Schule schicken können, oder ob die Angst vor Gewalt auf dem Schulhof schlaflose Nächte bringt."

Weitere Gegenüberstellungen erfolgen zu den laut Welt-Zeitung "populistischen" Darstellungen und Themen "Wohlstandsverlust", "Überfremdung/Asylpolitik" sowie steuerfinanzierte Bundespolitik in Bezug auf internationale Entwicklungshilfe und heimische Klimaprojekte. Die Welt-Redaktion erklärt in ihrer Wahrnehmung zu den Inhalten:

"Vor allem blonde und blauäugige Deutsche werden dabei dunkelhäutigen Migranten entgegengestellt, die ausschließlich in einem negativen Zusammenhang gezeigt werden."

Das mabb-Schreiben droht nun der verantwortlichen AfD Brandenburg "mit einer Untersagung und Sperrung der Inhalte", sollte die beauftragte Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) "in einer abschließenden Beurteilung einen Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag feststellen". Die KJM ist dabei ein gemeinsames Organ aller Landesmedienanstalten. Weiter wird erläutert:

"Laut Jugendmedienschutz-Staatsvertrag haben Anbieter, die Angebote verbreiten, die geeignet sind, die 'Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen', dafür Sorge zu tragen, 'dass Kinder oder Jugendliche sie üblicherweise nicht wahrnehmen."

Die angedrohten Maßnahmen könnten nach Beschluss "sofort vollzogen werden und mittels Verwaltungszwang (Zwangsgeld beziehungsweise Zwangshaft) durchgesetzt werden", zitiert der Welt-Artikel das vorliegende Schreiben.

Die mabb-Kritik erfolgt durch nachstehende Wahrnehmung zum Video, den Inhalten und mutmaßlichen Absichten der Partei AfD. So heißt es im Schreiben ausführlich dargelegt:

"Wenn Kinder oder Jugendliche aufgrund ihres Alters abweichende Darstellungen zum Beispiel im Bereich von Menschenwürde, Toleranzgebot, Schutz von Ehe und Familie und Demokratieprinzip nicht mit ausreichender Differenziertheit und Distanz verarbeiten können, ist von einer Entwicklungsbeeinträchtigung auszugehen. Im Hinblick auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind Erziehungsziele auch stets die Erziehung im Geist der Freiheit, der Gleichheit, der Toleranz, der Würde, der Solidarität und des Friedens; auch eine Einwirkung von Medieninhalten auf diese Erziehungsziele ist somit bedeutsam."

Die Inhalte und Darstellungen des KI-Clips seien "pauschal diskriminierend" und würden rein beabsichtigen, "ein von den Personen mit dunkler Hautfarbe und Haaren ausgehendes Bedrohungsszenario" zu schaffen.

Es erfolge die bewusste Klassifizierung der abgebildeten Personen in "gut und böse", was dem Toleranzgebot widerspricht "und eine sozialethische Desorientierung aufgrund von Stigmatisierung vermuten lässt", so weitere Vorwürfe aus dem mabb-Schreiben. Eine darüber hinausgehende Kritik lautet:

"Das Video wurde nicht als Kl-generiert gekennzeichnet und die zu schützende Gruppe könnte diese Unterscheidung von Realität und Fiktion unter Umständen nicht erkennen."

Der Brandenburger AfD-Landesvorsitzende René Springer reagierte auf Welt-Anfrage mit der Feststellung, dass das Schreiben ein "klarer Angriff auf die Meinungsfreiheit" darstelle, und benannte als mögliches Motiv, dass "der Vorsitzende des Medienrats der Landesmedienanstalt, Martin Gorholt, SPD-Mitglied ist und zwischen 2018 und 2019 Chef der Brandenburger Staatskanzlei war".

In Hinsicht auf den mabb-Vorwurf der "diskriminierenden Darstellung" erklärte Springer weiter (der Welt-Artikel nutzte den Wortlaut "behauptet Springer"), dass die Darstellung der Bahnhofssituation "inzwischen der Lebensrealität in vielen deutschen Großstädten" entspreche. Die amtierende Politik sei dabei "nicht willens, die selbst geschaffenen Probleme zu lösen", sondern würde "stattdessen diejenigen verfolgen, die den Finger in die Wunde legen". 

Die AfD hat nach Welt-Informationen vorerst von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, "zu dem Dokument vom 9. Oktober Stellung zu nehmen". Dies hatte bis Ende Oktober zu erfolgen.

Mehr zum Thema ‒ UN-Menschenrechtsexpertin kritisiert "Selbstbestimmungsgesetz" der Bundesregierung

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