Orbán zur atlantischen Kriegspolitik: Der Westen finanziert nur – zu sterben haben die Ukrainer!

Teil II: Im letzten Teil beantwortet Viktor Orbán Fragen zur Migration, zu Gesellschaftsproblemen, sowie zum Ukrainekrieg und Nahostkonflikt:

Viktor Orbán: «Der Krieg zwischen Ukraine
und Russland
ist nicht der Krieg der Ungarn!»

Yoram Hazony: Lassen Sie uns zum Thema Migration übergehen. Ich denke, wir können heute kein Gespräch über die Politik in Europa führen, ohne über die Einwanderung zu sprechen. Ja, und ich denke, jeder würde davon profitieren, Ihre Ansichten zu hören. Ich meine und bin mir sicher, Sie lesen die Medien so gut, wie jeder andere auch: Dort gibt es eine Tendenz, Sie zu beschuldigen – Sie wissen schon – fremdenfeindlich zu sein –  Hass gegen Ausländer. Das heißt: Offensichtlich hätte Ungarn keine Ausländer, weil Sie sie hassten. Wie stehen Sie eigentlich zur Einwanderung?

 Victor Orbán: Okay, zunächst einmal möchte ich die Position Ungarns zur Migration klarstellen: Es ist wahr, dass die Zahl der Migranten in Ungarn gleich Null ist. Der Grund dafür ist sehr einfach: Wir haben ein System, das ein faires System darstellt. Wir sagen, dass die Grenze eine Grenze ist und das illegales Überschreiten der Grenze eine illegale Handlung darstellt. Wir können also nicht akzeptieren, dass jemand die Grenze illegal überschreitet, weil es ein Verbrechen wäre. Das ist kein Menschenrecht, das wäre ein Verbrechen! Deshalb behandeln wir jeden, der das tut, als einen Verbrecher (Beifall). Das ist das Erste.

Das Zweite ist, dass wir verstehen, dass viele Menschen gerne nach Ungarn kommen würden, wofür es aber ein Verfahren gibt. Wenn Sie nach Ungarn kommen möchten, müssen Sie zunächst einen Antrag an die ungarischen Behörden stellen – sagen wir in einer Botschaft. Beispielsweise in Belgrad, der Hauptstadt des Nachbarlandes, um dann dort zu bleiben und zu warten. Niemand kann das ungarische Hoheitsgebiet betreten, bevor er nicht die endgültige Entscheidung der ungarischen Behörden, ob man einreisen dürfe oder nicht, erhalten hätte. Sie müssen also draußen warten – das ist die Schlüsselfrage und das ist die rote Linie.

Alle nationalen Behörden in ganz Europa müssten die gleiche Regelung anwenden, nämlich dass diejenigen, die nach Europa kommen wollten, draußen auf die Antwort der Behörden auf den Antrag zu warten hätten – und nicht früher einreisen dürften. Wenn wir das hinbekämen, wäre die Migration sofort vorbei. Das wäre die Lösung. Das haben wir im Jahr 2016 umgesetzt: Wir haben den Zaun, die Grenzschützer und diese Art von gesetzlichen Regelungen geschaffen.

Dann, lassen Sie uns jetzt etwas über die philosophische Seite der Migration sagen. Denn bei der Migration geht es mittlerweile auch um Zivilisation. Denn, ob wir es sagen oder nicht, Tatsache ist, dass wir ein Kontinent christlicher Tradition sind.

Es ist schwer zu sagen, ob wir noch Christen sind oder nicht, aber es ist eine Zivilisation, die auf christlichen Wurzeln und Traditionen beruht. Das trifft für jene, die jetzt kommen nicht zu – sie kommen aus der muslimischen Zivilisation. Das wirft eine Menge komplizierter Fragen auf und wie ich schon sagte, ist es nicht meine Aufgabe, darauf zu antworten. Das wäre Ihre Aufgabe, aber es gibt einen Aspekt dieser Frage, der wahrscheinlich auch Macher betrifft und der uns zum Kern – zum Herzen konservativen Denkens führt: Es gibt viele Definitionen, aber als Macher benutze ich Konservativismus für Führer oder Personen und deren Denkweise, deren Zeithorizont lang ist. Ich habe einige Enkelkinder. Nach realistischen Berechnungen werden sie im Jahr 2100 noch leben. Als Großvater bin ich sehr an der Frage interessiert, wie Ungarn im Jahr 2100 aussehen werde und ich fühle eine gewisse Verantwortung, nicht etwas zu tun, was für die Enkelkinder schlecht sein könnte – nicht jetzt – sondern im Jahr 2100. Das heißt, es gilt jetzt alles zu tun, was hilfreich sein könnte, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Migration hat also eine Art von historischem Horizont, wie die Zivilisation Europas dann aussehen könnte: Es könnte eine muslimische Zivilisation sein oder eine christliche oder eine gemischte.

Wie wird das Leben dann aussehen – das Leben in einer christlichen Gesellschaft, auch wenn sie nicht mehr so stark scheint, wie früher. Aber in einer christlichen Gesellschaft zu leben ist eine erstaunliche Sache. Das Beste, was ich mir für meine Kinder und Enkelkinder vorstellen kann: Warum sollten wir dies aufgeben (Beifall)? Nur, damit andere Menschen den kulturellen Charakter dieses Kontinents verändern könnten.

Ich habe nichts gegen Muslime: Ich denke, dass der Islam eine großartige Zivilisation ist. Wenn man dorthin geht – ich war erst vor einer Woche in Marokko – wissen Sie, das ist fantastisch: Was sie getan haben – keine Barbarei, sondern die Schaffung einer Zivilisation ist eine große Sache unter den geopolitischen Umständen, in denen sie leben. Sie haben also eine Kultur geschaffen, wie auch immer – es ist schön dort. Aber man sollte diese nicht einführen und verändern, falls die Mehrheit der Gesellschaft auf demokratischer Basis dies ablehnte. Denn ich denke, dass Nationen das Recht haben, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Wenn also jemand einen Versuch unternehmen möchte, eine gemischte Gesellschaft zu schaffen: Christliche mit muslimischen Gemeinschaften und wie Liberale denken, dass das Ergebnis etwas Gutes sein werde, dann lasst es sie tun. Es wäre Euer Schicksal. Es wäre Eure Zukunft, aber zwingt uns nicht auf, das zu tun.

Das ist es also, was wir als “Angebot der Toleranz” bezeichnen und ich mehrmals in Brüssel angeboten hatte: Ich habe gesagt: “Leute, ihr könnt ein Migrationssystem schaffen, wie Ihr es wollt, aber zwingt Ungarn nicht auf, dasselbe zu tun, denn wir glauben einfach nicht daran”. Wir glauben, dass die Vermischung der beiden Zivilisationen nichts Gutes bringen würde:

– Die öffentliche Sicherheit wäre weg
– Der intellektuelle Horizont wäre völlig verwirrt
– Das Wertesystem der Gesellschaften wäre nicht stark genug, um gut zu leben.

Man darf uns nicht zwingen: So, haben wir in Ungarn ein Referendum dazu organisiert. Ich spreche also nicht nur über meine persönliche Meinung – die ist sowieso uninteressant -, sondern über die der ungarischen Gesellschaft. Sie ist die einzige in Europa, welche die Möglichkeit erhielt, ihre eigene Meinung über ein Referendum auszudrücken und hat dagegen gestimmt. Dieses ergab, dass wir:

– die Grenze verteidigen müssen
– keine gemischte Zivilisation möchten
– die Grenzübergänge kontrollieren wollen
– die christlichen Traditionen unserer Gesellschaft bewahren möchten

Wir haben also eine öffentliche Entscheidung unserer Gemeinschaft getroffen, wie wir unser Leben gestalten möchten.

Wahrscheinlich haben wir nicht recht, aber wer kann schon sagen, dass wir nicht recht haben. Es ist unsere Entscheidung. Wir haben die Konsequenzen gezogen – das ist der Weg. Lassen Sie uns unser Leben auf nationaler Ebene so gestalten, wie wir es wollen. Es geht nicht nur um Migration, sondern auch um die öffentliche Ordnung, die Zivilisation und die Souveränität der Nationen, um darüber zu entscheiden, wie Nationen auf dieses moderne Phänomen der Massenmigration reagieren wollen. Das ist der ungarische Standpunkt. Es tut mir leid, dass ich es so lange ausführte, aber es ist ein komplexes Thema.

Yoram Hazony: Stellt die eine angemessene Politik oder Philosophie für ganz Europa dar?

Victor Orbán: Das glaube ich nicht: Meine Position war immer sehr einfach: Schaffen Sie keine gemeinsame Asylpolitik. Wir haben die Konvention über das Asylwesen, die nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt akzeptiert wird. Das ist gut und reicht aus.

Wir brauchen keine gemeinsame Migrationspolitik der Europäischen Union.

Diese Frage fällt in die Zuständigkeit der Nationen. Das ist mein Standpunkt. Es ist nicht sehr populär, denn einige Länder, die bereits Millionen von Migranten in ihre Länder eingelassen haben, würden sie gerne wieder loswerden – um es ganz klar zu sagen. Doch, der Weg, um sie loszuwerden, besteht darin, sie dorthin zu verteilen, wo es noch keine gibt. Das wäre nicht fair.

Daher sollen Sie Ihre Arbeit auf nationaler Ebene machen und Ihr Land verteidigen. Falls Sie Hilfe brauchen: Ungarn wäre bereit zu helfen, aber es bliebe Ihr Land. Sie können Ihre Interessen nicht hinter einem so genannten “Europäischen Flüchtlingssystem” verstecken. Denn, es gibt auch Nationen, welche die Migration ablehnen – das ist ein Faktum.

Yoram Hazony: Wissen Sie, wenn wir schon darüber sprechen: Ich muss einfach ein Dankeschön aussprechen, denn wie Sie wissen, mussten wir unter dem Druck linker Politik und Eingriffe von einem Veranstaltungsort zum anderen ziehen. Dies ist unser dritter Veranstaltungsort, wo wir ein Zuhause fanden, dank der Zuvorkommenheit einer tunesischen muslimischen Familie, der dieser Saal gehört.

Ich muss sagen, ich habe den Besitzer gestern bei Interviews mit den Medien begleitet, der möglichweise seinen Job als Geschäftsmann versteht. Aber wissen Sie, er könnte am Ende auch Premierminister werden. Er spricht so eloquent und sagte: «Wenn wir uns nicht gegenseitig tolerieren, werden wir das ganze Land in Brand setzen. Wir müssen uns gegenseitig tolerieren. Wir müssen einander Raum geben!»

Das war wirklich eine bemerkenswerte Leistung, für die ich ihm danken wollte. Ich wollte Ihnen die Gelegenheit geben, dies ebenfalls zu tun.

Victor Orbán: Also, vielen Dank! Wenn wir darüber sprechen, geht es nicht um den vernünftigen Charakter bestimmter Leute. Das ist nicht das Problem – auch nicht mit der Migration, denn in Ungarn haben wir auch Unternehmer aus muslimischen Ländern, denen es sehr gut geht – aus der Türkei und so weiter – wir haben also kein Problem damit. Das ist bei der Migration nicht das Thema. Bei der Migration geht es um das Recht einer Gemeinschaft zu entscheiden, mit wem sie zusammenleben möchte – das ist alles.

Somit, vielen Dank an die tunesischen Freunde und ich denke, es war eine gute Entscheidung, sie nach Belgien zu lassen. Es war eine gute Entscheidung fürs Christentum.

Yoram Hazony: Sie haben gezögert, als Sie Christentum sagten. Gibt es eine Rolle für das Christentum im heutigen Europa? Ich weiß, dass Ungarn für viele Menschen im Westen als Beispiel für ein Land gilt, in dem das öffentliche Christentum Fortschritte macht. Aber ich war überrascht, als ich bei einem meiner Besuche in Budapest feststellte, dass der wöchentliche Besuch von Gottesdiensten der ungarischen Kirche bei etwa 10% liegt. Es ist in vielerlei Hinsicht auch ein postchristliches Land. Welche Rolle spielt das Christentum Ihrer Meinung nach im öffentlichen Leben Ungarns, Europas und der westlichen Nationen im Allgemeinen?

Victor Orbán: Wir Ungarn haben da Schwierigkeiten. Denn die Orientierung der Menschen zu den ewigen Fragen des Lebens nimmt ab. Wir leben mehr auf der alltäglichen Ebene und die Möglichkeiten und Motivation auf abstraktere Weise über unser Leben, über das Geborenwerden, das Sterben, oder die Familie nachzudenken mit dem Niveau der Diskussion im öffentlichen Raum ist stark gesunken. Auch die Kirche ist leider überhaupt nicht stark genug, genau wie Sie sagten.

Doch, Christ zu sein war immer sehr schwierig. Denn, die ursprüngliche Bedeutung von Christsein bedeutet, dass man der Lehre Jesu folgte, wobei man weiß, dass das sehr schwierig ist. Sogar in früheren Zeiten, aber heute ist es noch viel schwieriger, weil die Versuchungen vielfach größer im Vergleich zu früher geworden sind. Die Versuchung, der Lehre Jesu nicht zu folgen, ist wahrscheinlich so groß wie nie zuvor in der europäischen Geschichte – das bleibt somit schwierig.

Ich verstehe, dass wir das Christentum als solches verlieren werden, falls die Kirchen sich nicht verbessern, die Propheten nicht kommen, die Professoren nicht über philosophische Fragen diskutieren, wenn die lokalen Gemeinschaften nicht bereit sind, ihr Herz für diese Fragen zu öffnen. Das ist die eine Ebene des Problems – so finden wir uns in Schwierigkeiten.

Auf der anderen Seite gibt es eine andere Interpretation des Christentums, nicht als Lehre Jesu Christi im persönlichen Leben und in der Nachfolge, sondern als kulturelles Erbe. Auf dieser Grundlage können und wollen der Staat und die Öffentlichkeit in Ungarn eine Menge tun. Zum Beispiel ist in Ungarn in der Verfassung verankert, dass die Behörden alles tun müssen, um die christlichen Werte unserer Gesellschaft zu erhalten, was auch immer das bedeutet. Es gibt eine ernsthafte Diskussion darüber, was das genau heißt. Aber die Absicht ist sehr klar, dass wir eine Tradition haben, die wir bewahren wollen und der Staat die Aufgabe habe, sie durch seine Institutionen zu bewahren.

Wir können die Menschen nicht zwingen, bestimmte religiöse Überzeugungen anzunehmen, aber wir können darauf bestehen, dass der geistige Inhalt der Erziehung oder Behandlungen im Krankenhaus gewissen Grundwerten, die sich stark auf die kulturelle Tradition – die christliche kulturelle Tradition – beziehen, zu folgen haben. Wir versuchen also, etwas in dieser Richtung zu tun und seltsamerweise unterstützen die Ungarn, die immer weniger religiös werden, immer stärker christliche Werte. Das wundert mich. Wie auch immer, das ist das gesellschaftliche Phänomen, das sich abzeichnet. Ich weiß nicht genau, warum: Wahrscheinlich wegen der Migration, wahrscheinlich wegen der Unterdrückung, die von Brüssel ausgeht, dem liberalen Ozean der, wie Sie wissen, alles vereinnahmt. Aber der Wille der Menschen, etwas aufrechtzuerhalten, was sie christliche kulturelle Tradition nennen, ist sehr stark, doch der persönliche Glaube nimmt ab. Das ist das Dilemma, in dem wir leben.

Yoram Hazony: Wir wissen, dass sich Europa in einer demografischen Krise befindet. Die meisten westlichen Länder Europas befinden sich in einer demografischen Krise, worüber zum Teil Masseneinwanderung gerechtfertigt wird: Aus Sicht der Ökonomen, die sich mit der Zukunft eines sich entvölkernden Europas befassen, ist Ihr Land zumindest in konservativen Kreisen dafür bekannt, dass es versucht, den demografische Trend zu drehen, was notwendig erscheint, solange die Einwanderung niedrig bliebe. Könnten Sie uns ihre Meinung dazu sagen? Was sind Ihre Erfahrungen: Funktionieren die ungarische Versuche oder ist es nur eine Fata Morgana?

Victor Orbán: Ich möchte im Anschluss noch meine Verschwörungstheorie, die hinter der Migration steckt, vorstellen.

Tatsache ist, dass es stimmt, wenn man sagt, dass unser Kontinent altert bzw. die Nationen altern, aber jede Nation hat die Möglichkeit, seine Antwort und Reaktion darauf selbst zu finden. Die Antwort kann also nicht eine zentral erzwungene Migrationspolitik sein – das kann es definitiv nicht geben. Das wäre keine Antwort – kein akzeptabler Weg, um eine Lösung zu finden. Denn, das gehört dazu, ein Konzept für jede Gemeinschaft zu finden, das heißt für jede Nation, jedes Land individuell.

Nun, was die Ungarn dazu tun: Wir versuchen zuerst, die Familien zu unterstützen. Wir geben sehr viel Geld aus, um die junge Generation auf eine sehr zuvorkommende und moderate Art und Weise davon zu überzeugen, dass eine Familie eine gute Sache sei. Es ist auf jeden Fall sehr komplex, weil die Thematik sich leicht zu einer Frage über Freiheit ausweiten könnte und nicht mehr richtig unterschieden würde zwischen denen, die Kinder und denen, die keine Kinder mehr kriegen wollten. Es ist also ein kompliziertes Thema. Aber in Ungarn haben wir in den letzten 10 Jahren einen Weg gefunden, ein starkes System zur Unterstützung von Familien aufzubauen, sowohl finanziell als auch rechtlich, das ist der erste Punkt.

Zweitens, ist es in Ungarn natürlich offensichtlich, dass wir jedes Jahr einen Mangel an Arbeitskräften haben. Im diesem Jahr waren es etwa 65.000 Stellen. Jedes Jahr veröffentlicht das Wirtschaftsministerium eine Zahl, die Ungarns Arbeitskräftemangel ausweist. Also, eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen, wobei wir Gastarbeitern erlauben, diese Vakanzen zu füllen – nur besagte Vakanzen und nur für Gastarbeiter. Wir haben dazu im Grunde die Regelung von Katar kopiert. Wenn auch ein bisschen modernisiert, aber es bleibt eine Regelung, wonach Gastarbeiter zwei plus ein Jahr bleiben dürfen, doch, dann zu gehen haben und das Arbeitsverhältnis wieder beendet. Falls sie zurückkommen wollten, hätten sie die Möglichkeit, noch einmal für drei Jahre zurückzukehren. Danach müssten sie wieder gehen. Sie haben also nicht das Recht zu bleiben.

Wir mussten diese Unterbrechung einführen, denn eine verrückte, dumme europäische Verordnung besagt, dass wir Gastarbeiter bei Nichtbedarf nicht mehr los geworden wären, falls sie zuvor über einen bestimmten Zeitraum schon da gewesen wären. Es bleibt das Recht einer Nation, das zu entscheiden. Denn wir bieten kein Zuhause – wir bieten eine Arbeitsmöglichkeit: So lautet der Deal. Es ist ein Vertrag. Ich denke also, dass dies fair ist: So, machen wir das.

auf lange Sicht gibt es keine andere Lösung, als die Zahl der Kinder, die geboren werden, zu erhöhen: 2,1% wäre die Geburtenrate, die es zu erreichen gilt. Jetzt haben wir in Ungarn eine Rate von 1,58 bis 1,6%, wobei wir zu Beginn noch bei 1,2% lagen. Die Tendenz ist also positiv, aber es ist sehr schwierig, sie weiter zu erhöhen, weil die junge Generation einfach nicht mehr Kinder bekommen möchte, was ein Problem darstellt und uns zum Christentum und zu der die damit verbundene Frage des geistigen Lebens führt.

Also, da stehen wir und hoffen, dass wir es schaffen, noch 10 Jahre die “Pro-Familien-Politik” fortzusetzen, damit wir wieder eine Geburtenrate von 2.1% ohne Migration erreichen könnten. Das ist es also, was wir unternehmen.

Yoram Hazony: Okay, lassen Sie mich die Richtung wechseln, wir…

Victor Orbán: Sorry, die Verschwörungstheorie…

Yoram Hazony: Tut mir leid: Ich wollte Sie nicht daran hindern, die Verschwörungstheorie vorzutragen…

Victor Orbán: Der wahre Grund, warum die Liberalen in vielen Ländern die Migration unterstützen, ist nicht die Demographie – das ist mein Punkt: Es ist nur ein Vorwand. Der wahre Grund ist, dass sie Wähler sammeln wollen.

Das ist ganz einfach: Wenn man sich die europäische Geschichte ansieht, wird deutlich, dass sich der politische Wettbewerb zwischen zwei großen Blöcken der politischen Lager abspielt: Diejenigen, die dem alten traditionellen christlichen Rahmen anhängen – sagen wir mal christlich-demokratisch Konservative sind und die modernen Typen, die diesen Hintergrund verlassen haben – das ist das “linksliberale Etwas”.

Der Wettbewerb zwischen diesen beiden Lagern führte zur Bildung von Regierungen, die sich gegenseitig korrigieren. Sie wissen schon, über Regierungswechsel. Alles in allem ist das recht gut gelaufen. Es war kein schlechtes System, aber was bildete die Grundlage dafür? Die Grundlage dafür war, dass diejenige Menge, die in der christlichen Tradition geblieben war, im Großen und Ganzen jener Menge entsprach, die sie verlassen hatte. Falls sich diese Proportionen verschoben hätten, verschwände die Dimension des politischen Wettbewerbs.

Was die Liberalen und die Linken nun tun, ist Wähler zu “rekrutieren”: Sie lassen Muslime ins Land, die niemals ein christliches Land oder eine christliche Partei wählen würden. So sammeln sie jetzt neue Wähler fürs linke Spektrum. Das ist die eigentliche Erklärung. Es geht nicht um die Wirtschaft. Es geht nicht um die Demokratie – das ist einfach nur bla, bla, bla. Der wahre Grund heißt “Macht”. Und solange man an der Macht ist, bedeutet Macht eine große Anzahl von Stimmen und sie sammeln diese Stimmen. Das ist die Realität, wie ich es sehe – entschuldigen Sie, dass ich das als Verschwörungstheorie bezeichne, doch, ich denke, es liegt nahe an der Realität.

Yoram Hazony: Mir fällt auf, dass fast jedes Mal, wenn die Presse meldet, dass ich mich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Orban treffe, hinzugefügt wird, dass Ministerpräsident Orban aus Ungarn Putins engster Verbündeter in Europa sei. Es wäre – als ob Sie aus seiner Familie stammten…?

Victor Orbán: Meine Mutter wäre nicht glücklich darüber…

Yoram Hazony: Ist da irgendetwas Wahres dran: Sehen Sie sich selbst – sieht sich Ungarn als Verbündeter von Putin?

Victor Orbán: Nein, “Verbündeter” hat eine sehr deutliche und klare Bedeutung und Ausdrucksweise. Die Frage ist nicht ganz einfach, aber berechtigt: Wie ist die Beziehung zwischen Ungarn und Russland, vor allem während dieses Krieges, der am Laufen ist? Es ist also eine ernste Frage. Wir haben eine Strategie – eine sehr einfache geopolitische Strategie, die besagt, dass wir nicht wieder eine gemeinsame Grenze mit Russland haben wollen. Zu Zeiten der Sowjetunion hatten die Sowjetunion und Ungarn eine gemeinsame Grenze, die wir nicht wiederhaben möchten. Deshalb respektieren wir die internationalen Rechte der Ukraine – die Souveränität der Ukraine und das Recht des ukrainischen Volkes, seinen eigenen Staat zu schaffen und zu erhalten.

Der Einmarsch Putins in die Ukraine verstößt völlig gegen die Werte der internationalen Beziehungen und gegen sämtliche Werte, die alle respektieren. Das steht außer Frage.

Aber der ungarische Interessenstandpunkt besagt, dass etwas zwischen Russland und Ungarn liegen sollte. Wir unterstützen die Ukraine dabei, irgendwie zu überleben, was jetzt in Frage gestellt ist, weil die Ukraine kein souveräner Staat mehr ist.

Die Ukraine ist heute nur noch ein Protektorat des Westens.

Ohne Geld und Waffen aus der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten würde die Ukraine als Staat aufhören zu existieren. Die Ukraine ist kein souveräner Staat mehr – nur um das klarzustellen. Aber irgendetwas muss es dort trotzdem geben – das ist der erste Punkt.

Zweitens, hat Ungarn immer gute wirtschaftliche Beziehungen zu Russland unterhalten. Ich möchte diese Art der Zusammenarbeit nicht aufgeben, denn der Krieg zwischen Ukraine und Russland ist nicht der Krieg der Ungarn: Es ist ein Krieg zweier slawischer Nationen – eine große slawische Nation hat eine andere angegriffen und sie führen einen Krieg gegeneinander. Wir verhalten uns nicht wie die Europäer, die sagen, dass es ihr Krieg sei, denn es ginge um Werte, die internationale Ordnung oder was auch immer. Die Europäer sagen:

Also, sind wir im Krieg – es ist unser Krieg, aber nicht ganz, denn wir möchten nicht sterben. Ihr wisst schon: Also, Ukrainer bitte stirbt! Wir geben das Geld und die Waffen und verteidigen unsere Werte. Es ist nicht so sehr unser Krieg – an diesem teilzunehmen und das Leben zu riskieren – dort zu kämpfen, sondern nur, damit man es weiss: Um Euer Sterben zu finanzieren!

 Also, ich mag diesen Ansatz überhaupt nicht, aber gleichzeitig ist es klar, dass jede Nation, auch die Ukrainer, das Recht haben, zu entscheiden, ob sie für ihre Freiheit kämpfen und sterben wollen oder nicht.

Ich kritisiere die Ukrainer also nicht dafür, dass sie einen Krieg gegen Russland führen, denn sie verteidigen ihr eigenes Land oder ihre eigene Nation. Es ist also ihre Entscheidung. Die andere Frage ist, ob sie es klug anstellen oder nicht, aber das wäre ihre Aufgabe, darauf zu antworten – nicht meine.

Aber meine Aufgabe als Außenstehender ist nur, den Grund für den Krieg zu definieren und zu verstehen:

Der Grund für den Krieg ist sehr einfach und heißt NATO-Mitgliedschaft.

Als ein Land, das 45 Jahre lang von den Russen besetzt war, kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, dass die Russen aus geopolitischen Gründen niemals eine Mitgliedschaft der Ukraine in der heutigen NATO zulassen werden. Das wäre unmöglich. Sie werden immer alles tun, um etwas zwischen die russische Grenze und die Grenzen der NATO-Länder zu schieben. Man könnte es Ukraine nennen – man könnte es Kriegsgebiet nennen – man könnte es Krieg nennen, was auch immer, aber es muss eine Pufferzone zwischen der NATO und Ukraine geben.

Wahrscheinlich handelt es sich nicht um eine legitime Forderung der Russen, weil sie sich auf ein Gebiet außerhalb des russischen Territoriums bezieht. Wahrscheinlich ist es also unrechtmäßig, aber es bleibt eine Tatsache. Es gilt die Frage klar zu beantworten, ob wir die Ukraine ermutigen sollten, der NATO beizutreten, oder ob wir sagen sollten: “Leute, Ihr müsst verstehen, dass ihr ein Pufferzonen-Land seid, Ihr könnt eure Hausnummer nicht ändern. Also, bitte macht eine vernünftige Politik, die der geographischen Lage angemessen erscheint.”

Das ist also leider unsere Option. Wir wollen nicht den Beweis erbringen, dass ein Waffenstillstand und Verhandlungen besser wären als ein weiterer Krieg. Wir liefern den Ukrainern nur den Beweis, dass vermehrtes Sterben oder Kämpfen nicht zum Gewinn führe.

Es ist definitiv wahr, dass sie nicht gewinnen können, denn es geht nicht um Werte, es geht nicht um mein Herz, es geht nicht um meine philosophische Überzeugung, es geht um die Realität.

Dieser Krieg bringt also keine Lösung auf dem Schlachtfeld. Was noch trauriger ist: Es ist leicht vorstellbar, dass die Ukrainer nach dem Verlust von Hunderttausenden von Menschen kein bessere Position bekommen werden. Dann hätten sie den Krieg, der viele philosophische, geistige und moralische Fragen aufgeworfen hat, nicht führen dürfen. Deshalb halte ich das, was wir Europäer tun, für schlecht. Es ist nicht auf einen Waffenstillstand ausgelegt und wir setzen uns nicht ernsthaft mit den Folgen der Unterstützung eines Landes auseinander, das sich in einem Krieg befindet, der nicht zu gewinnen ist. Das ist also ein großer Teil der Probleme und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Krieg. Es geht also nicht darum, eine Lüge zu verbreiten. Es geht um die Wahrheit. Es geht um die Realität .

Yoram Hazony: Ich denke, wir haben noch Zeit für eine oder zwei weitere Fragen.

Seit dem 7. Oktober letzten Jahres hat sich Israel und der Nahe Osten Europa dem Westen leider als neues Thema aufgedrängt. In der letzten Woche hatten wir den ersten iranischen Angriff auf Israel, der direkt von iranischem Boden ausging. Die Komiker in Israel – es gibt immer noch Komiker in Israel – die Komiker in Israel sagten, es sei wunderbar: “Es wäre das erste Mal seit 1979, dass wir Direktflüge von Teheran sahen.”

Haben diese historischen Ereignisse Ihre Sicht auf Israel oder die Beziehungen von Ungarn und Europa zu Israel im Nahen Osten verändert – haben Sie einen Rat für die Israelis und Juden in diesen Zeiten?

 Victor Orbán: Ich versuche zu verfolgen, was vor sich geht. Jude zu sein, scheint keine leichte Sache, wie ich es verstehe, aber es gehört auch zu Ihnen – nicht zu mir jedenfalls. Zu verstehen, was es bedeutet, jüdische Identität zu haben unter den Umständen, in denen sich Ihr Land gerade befindet.

Aber wahrscheinlich ist vielen nicht bekannt, dass etwa 200.000 ungarische Juden in Israel leben und, dass die ungarische Regelung zur Staatsbürgerschaft auf Herkunft und nicht auf dem Territorium basiert. Das bedeutet also, dass wir potenziell etwa 200.000 ungarische Staatsbürger, die in Israel leben, haben. Das, was dort passiert, ist also nicht nur eine geopolitische Frage für uns, denn in diesem Zusammenhang wissen Sie, dass unsere Bürger auch dort leben.

Auf der anderen Seite und das ist hier wahrscheinlich nicht bekannt, lebt in Budapest die erste oder zweitgrößte jüdische Gemeinde in Europa, die ebenfalls in diesen Konflikt verwickelt ist, ebenso wie die ungarische Regierung, die die Interessen unserer Bürger verteidigen muss. Wir haben also ein enges Gefühl und eine enge Beteiligung daran. Das ist der Grund, warum Ungarn und Israel immer eine gute Beziehung hatten – eine Beziehung von Staat zu Staat, ungeachtet dessen, dass uns die linksgerichteten jüdischen Liberalen überall auf der Welt als Antisemiten angreifen, aber gleichzeitig sind wir das engagierteste Land, das Israel unterstützt – das wissen Sie. Es ist kein Umstand für die Liberalen, sich nicht weiter zu ärgern…

Yoram Hazony: …sogar die Liberalen machen Probleme, auch wenn sie Juden sind.

Victor Orbán: Das kann ich mir vorstellen – deshalb sind wir Ungarn von diesem Thema nicht nur politisch, sondern, wie ich schon sagte, auch emotional berührt. Die ungarische Position ist also sehr einfach: Wir verurteilen alle terroristischen Angriffe gegen Israel.

Zweitens denken wir, dass die Juden einen Staat haben und wenn man einen Staat hat, hat man das Recht, ihn zu verteidigen und seinen Staat zu erhalten. Meine Güte – das ist so einfach. Es bedeutet, dass man alles stoppen und verhindern muss, was für die Existenz des Staates gefährlich sein könnte. Das ist ja ganz einfach. Das ist die Linie unserer Außenpolitik.

Andererseits hegen wir die Befürchtung, dass, wenn der Konflikt im Nahen Osten seine terroristische Dimension, die vom Iran und anderen und Israel gestützt wird, verlöre und zu einem Konflikt zwischen den Staaten sich ausweitete, der ganze Mittlere Osten wieder zu einem Kriegsgebiet würde und das könnte und würde auch die europäische Sicherheit destabilisieren.

Deshalb hoffen wir, dass die Staats- und Regierungschefs erfahren genug sind, um eine gute Antwort zu finden. Ich kenne Bibi seit 20 Jahren sehr gut. Er ist einer der treuesten Freunde Ungarns – das war immer so. Ich bin ein wenig voreingenommen gegenüber ihm – nicht nur ein wenig – ich bin ziemlich voreingenommen gegenüber ihm. Ich habe ihn immer unterstützt etc. Er ist ein großartiger Führer, was auch immer Kritiker über ihn und Israel sagen und dagegen angehen.

Aber, er ist ein großer Führer und ich bin sicher, dass er einen Weg finden wird, die Souveränität seines Landes zu verteidigen und den Nahen Osten in kein Kriegsgebiet zu verwandeln. Wir verlassen uns auf seine Weisheit und in diesem Sinne auch auf die Weisheit, die von Gott kommt.

Yoram Hazony: Ich glaube, wir haben keine Zeit mehr. Vielen Dank für dieses wunderbare Interview. Es wäre schön, Sie wiederzusehen. Ich freue mich schon auf das nächste Mal .

***

Transkript-Erstellung und Übersetzung: UNSER MITTELEUROPA

Teil I erschien: Hier

Von unserer Redaktion ‚Zeitgeschichte und Globalpolitik‘.
UNSER MITTELEUROPA + kritisch + unabhängig + unparteiisch +

UNSER-MITTELEUROPA-Beiträge unter «Zeitgeschichte und Globalpolitik» mögen deutschsprachigen Lesern wie auch Historikern als ergänzende Zeitdokumente dienen, nachdem die gängige Massenberichterstattung im deutschen Sprachraum zu politischen Themen oftmals von Tendenzen einer mehr oder weniger lückenhaften Darstellung, wenn nicht immer stärker werdenden Zensurbestrebungen geprägt ist.



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