Open Source: „Ohne läuft nichts“

Um Probleme wie die starke Herstellerabhängigkeit anzugehen, fördern Bund und Länder vereinzelt Open-Source-Projekte in der öffentlichen IT. Im Digitalausschuss erklärten neun Sachverständige, wie der Staat verstärkt auf Open Source setzen und welches Potenzial er noch heben kann. Dafür räumten sie mit dem Vorurteil auf, Open Source sei eine Ausnahme.

Quelltext auf einem Laptopbildschirm
Im Digitalausschuss waren sich alle einig: Es braucht mehr Open Source. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Unsplash/andrew741

Nahezu harmonisch verlief die öffentliche Anhörung zum Thema Open Source im Ausschuss für Digitales des Bundestags. Vorsitzende Tabea Rößner erinnerte daran, dass der Koalitionsvertrag neue Impulse für Open Source setzen wollte. Unisono betonten die Sachverständigen, wie wichtig Open Source sei und auch die Förderung entsprechender Projekte und Maßnahmen.

Zwar hat die Ampel mit der Gründung des Zentrums für Digitale Souveränität (ZenDiS) und der Investition in die Sovereign Tech Agency (STA) wichtige Schritte in diese Richtung unternommen. Doch fallen die Haushaltsmittel hier bei weitem nicht so üppig aus wie für proprietäre Software. Laufende Rahmenverträge mit großen IT-Firmen wie Microsoft und Oracle belaufen sich auf 13,6 Milliarden Euro.

Dagegen stehen die zunächst zugesicherten 34 Millionen Euro für das ZenDiS noch zur Debatte, gab die ZenDiS-Chefin Jutta Horstmann an. Sichergestellt sei bislang nur, dass sie mit ihrem Team von 24 Leuten das Zentrum weiterbetreiben kann. „Unseren Gesamtauftrag werden wir damit allerdings nicht wahrnehmen können.“ Dazu gehört etwa Kompetenzen in der öffentlichen Verwaltung im Umgang mit Open-Source-Software (OSS) aufzubauen oder auch das Projekt eines Videokonferenz-Tools weiterzuentwickeln.

Keine digitale Gesellschaft ohne Open Source

Während große Tech-Konzerne wie selbstverständlich ihre Produkte im öffentlichen Sektor platzieren, haben es Open-Source-Angebote häufig schwer. Dabei würde ohne Open Source eine digitale Gesellschaft gar nicht existieren, wehrt sich Ariana Groh von der STA gegen das Vorurteil, Open Source sei eine Ausnahme. Die Frage sei nicht, ob der Staat in Open Source investiere, sondern nur, wieviel.

Beim Großteil an Open Source handelt sich „um offene und frei zur Verfügung gestellte Basistechnologien, für die es keine proprietäre Alternative gibt – und auch niemals geben wird“, so Groh. Wollte man diese OSS neu schreiben, wären die Kosten immens.

Möglichst vorrangig in Open Source zu investieren, fordert dabei nicht nur Peter Ganten, Chef des IT-Unternehmens univention und des Interessenverbandes Open Source Business Alliance. Dafür hat er gute Gründe. Microsoft und Co. würden sich mit ihren Agenden aufdrängen und damit dem Staat und der Gesellschaft nicht nur Ressourcen für eigene Digital-Agenden abnehmen, sondern auch zu einem Kontrollverlust in Sachen öffentlicher IT und Planungssicherheit für die Zukunft beitragen.

Es brauche politische Entscheidungen und langfristige Lösungen über Legislaturperioden hinweg, genauso wie bei der Umstellung der Autoindustrie vom Verbrenner auf Elektroautos.

Öffentliche Gelder für offenen Code

Alexander Sander von der Free Software Foundation Europe fordert „Public Money? Public Code!“. Mit öffentlichen Mitteln beschafften Code müssten Behörden unter einer offenen Software-Lizenz zur Verfügung stellen. Dazu könnten sie schon jetzt die Plattform Open CoDE des ZenDiS nutzen.

Offene Software gewähre vier Freiheiten: Nutzer:innen könnten sie verwenden, verstehen, verbreiten und verbessern. Dass das seit langem die Regel ist, verdeutlichte Isabel Drost-Fromm, Open Source Strategieberaterin der Europace AG. Als ehemalige Direktorin der Apache Software Foundation weiß sie, dass große Plattformen wie Zalando oder LinkedIn auf OSS basieren.

OSS sei leicht anpassbar, erklärte Drost-Fromm. Ihre großen Stärken zeigten sich, wo viele sie verwenden und dadurch Werte für die Gesellschaft schafften, etwa durch Foundations wie die von Linux oder Apache. Ihnen sei immer der Vorzug einzuräumen, wenn interne oder externe Expertise die Wartung und Weiterentwicklung übernimmt.

Die vielen Vorteile

Ein weiterer großer Vorteil von Open Source sei die Flexibilität, so Drost-Fromm. Denn sie ist an Bedürfnisse anpassbar. Davon könnten IT-Dienstleister im lokalen Markt profitieren, wenn sie etwa auf Bedürfnisse in Verwaltungen individuell eingehen.

Neben der Flexibilität gehört zu den vielen Vorteilen auch, dass Open Source gerade IT-Systeme der Verwaltungen einfacher interoperabel machen kann. Bei einer heterogenen IT-Landschaft wie der der deutschen Verwaltung ist das besonders kritisch. Open Source könne helfen, hier die Einzellösungen der Länder nachnutzbar zu machen, so Bianca Kastl vom Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit. Dabei ist auch möglich, Verantwortlichkeiten zu verteilen und unterschiedlichste Betriebsplattformen einzusetzen.

Offener Code habe zudem den Vorteil, dass Projekte aufeinander aufbauen können. Verfügbare OSS können Entwickler:innen in Behörden übernehmen und weiterentwickeln. Als erfolgreiches Beispiel dafür benennt Kastl die Corona-Warn-App, an der Behörden schnell und über Landesgrenzen hinweg gemeinsam gearbeitet haben.

Open Source stehe außerdem für Transparenz und Unabhängigkeit, so Helmut Krcmar, Professor an der Technischen Universität München. Die Transparenz von OSS stärke das Vertrauen der Bürger:innen in den Staat. Staatlich bereitgestellte Open-Source-Anwendungen könnten Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht nur passiv nutzen, sondern auch aktiv gestalten und verändern.

Laut Stefan Decker, Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik, kann Open Source neue technologische Standards setzen und Innovationen in die Gesellschaft tragen. Zudem zwingt die Existenz hochwertiger Open-Source-Alternativen proprietäre Anbieter zu verstärkter Innovation und Kundenorientierung, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Eine andere Perspektive brachte hingegen Oliver Grün ein. Als Vertreter des Bundesverbands IT-Mittelstand (BitMi) wies Grün darauf hin, dass 85 bis 90 Prozent der Digitalwirtschaft in Deutschland proprietäre Software anböten. Er ist selbst Chef eines IT-Unternehmens und plädierte dafür, Open Source rechtlich nicht den vollen Vorzug einzuräumen, wie die OSBA es etwa vorschlägt.

Unsicherheit durch unsichere Software

Ein großes Vorurteil zu OSS räumten einige Sachverständige aus dem Weg: Offener Code sei anfällig für Angriffe. Open Source bietet im Gegenteil durch seine Offenheit und Transparenz ein hohes Maß an Sicherheit. Schädliche Komponenten oder Hintertüren können kaum eingebaut werden, ohne dass es jemand aus der Entwickler-Community merkt.

Open Source sei besser absicherbar, so Kastl. Ursachen für schwächelnde IT-Sicherheit sieht sie eindeutig im Aufbau und der Finanzierung der Behörden-IT. Mangelnde Ressourcen für langfristige Wartung, unzureichendes Community-Management, fehlende Kompetenzen im Umgang mit Open-Source-Systemen, keine Gesamtstrategie und Unklarheit darüber, wer die Verantwortung hat, seien ausschlaggebende Gründe für Sicherheitsvorfälle.


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