Meine Trauer um Syrien wird nicht größer sein als die um Cherson oder Kiew

Von Alexander Koz

Ich habe kein Mitleid mit den syrischen Behörden.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie wir – als russischen Journalisten – 2012 bei der Grenzkontrolle schikaniert wurden, wie sie unser Gepäck durchsuchten und Kameras und Fotoausrüstung beschlagnahmten. Dann wurden wir gezwungen, alle erdenklichen Ministerien aufzusuchen, um eine Menge Bestätigungen und Genehmigungen zu erhalten. Gleichzeitig trugen sie westliche Reporter fast auf Händen und versuchten, ihre liberalen Ansichten vor dem Hintergrund des Aufstandes in Daraa zu demonstrieren.

Es geht hier nicht um die persönlichen Kränkungen gegen mich. Ihr Verhalten zeigte auch ihre Haltung gegenüber meinem Land – herablassend, mit Augenrollen und einer schamhaft hochgezogenen Oberlippe.

Dann haben wir 2013 Syrien gerettet, falls sich jemand nicht mehr daran erinnert. Obama wollte das Land nach der Chemiewaffen-Provokation in Ost-Ghuta mit einem Bombenangriff belegen. Aber dank der Bemühungen der russischen Diplomatie wurde die Katastrophe abgewendet, oder besser gesagt, aufgeschoben, wie sich jetzt herausstellt.

Im Jahr 2015 kamen wir Assad erneut zu Hilfe, als die Terroristen fünf Kilometer vom Zentrum von Damaskus entfernt waren. So gut es ging, flickten wir diesen "Flickenteppich" aus verschiedenen religiösen, sozialen, verbotenen und immer noch legitimen Teilen zusammen, zwischen denen die Widersprüche immer größer wurden. Der ursprünglich in den Augen der Einheimischen gezeigte Respekt nahm allmählich ab, aber nicht bis zu einem Gefühl des Abscheus, sondern bis zur erzwungenen Geduld mit dem Unvermeidlichen – wie bei einem Hustenanfall mit COVID.

Im Laufe der Jahre habe ich beobachtet, wie sich der Metropol-Glanz allmählich mit einer Schicht von Dumpfheit überzog. Es war spürbar, wie die verrauchten Büros mit den vergilbten Porträts der Assads durch die wachsende Zahl der Generalsterne auf den Schulterklappen immer stickiger wurden. Doch in den Läden verschwand das Brot, in den Steckdosen die Elektrizität, und in den Augen der Menschen schwand die Hoffnung auf ein besseres Leben, das stattdessen immer komplizierter wurde – aber nicht für die Herren der verrauchten Büros.

Diese Herren, die den Sieg durch die Hände anderer errungen hatten, vergnügten sich weiter, verloren das Gewissen und die Furcht vor dem Allmächtigen. Sie schwangen die Peitsche und aßen Lebkuchen. Dies ist wahrscheinlich der Hauptgrund für einen derart raschen Niedergang. Keiner wusste, wofür und gegen wen er sich wehren sollte. Man hatte das Gefühl, dass es bessere Veränderungen mit sich bringen könnte, weil es nicht noch schlimmer werden kann. Und diejenigen, die gestern noch ein Loblied auf das Regime sangen, waren heute die ersten, die losrannten, um seine Denkmäler niederzureißen.

In dem neuen syrischen Szenario gibt es kaum Platz für russische Stützpunkte in Tartus und Hmeimim. Und diese Situation wird bereits mit dem Rückzug der USA aus Afghanistan verglichen. Doch die einzige Gemeinsamkeit ist in der Tat der rasche Zerfall der lokalen Staatsinstitutionen. Anders als die Vereinigten Staaten hatten wir nicht die Absicht, in Syrien eine neue Welt aufzubauen. Wir drängten den Syrern keine westlichen Werte und keine Demokratie auf. Wir versuchten nicht, sie durch den Einfluss sowohl auf ihre Eliten als auch auf ihre Zivilgesellschaft zu etwas Neuem umzuformen. Wir setzten nicht unsere Kandidaten in die Präsidentschaft und die Regierung ein. Möglicherweise war das die falsche Entscheidung …

Heute jubeln unsere Feinde, auch im Inland – was für ein Schlag für das Image Russlands. Nur, dann sollte ihre Freude auch das bevorstehende Massaker umfassen, das bald in Syrien ausbrechen wird. Allerdings bestand gerade Moskau auf einer Aussöhnung unter der Ägide der UNO in Genf. Russland hat sich nie verpflichtet, für Syrien zu kämpfen. Zwar verpflichtete sich Russland, gegen terroristische Gruppen zu kämpfen, denen auch unsere Mitbürger angehören. Aber nicht für die Syrer. Und auch nicht an ihrer Stelle.

Und was das Image unseres Landes anbetrifft, so wird es ganz von den Ergebnissen der militärischen Sonderoperation in der Ukraine abhängen, die im Moment das Wichtigste ist.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. Dezember 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Alexander Koz ist Sonderberichterstatter im Dienst der russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda.

Mehr zum Thema - Syrien ist gefallen ‒ Russland steht vor schwierigen Entscheidungen

Es gibt neue Nachrichten auf friedliche-loesungen.org
:

Nur wer angemeldet ist, geniesst alle Vorteile:

  • Eigene Nachrichten-Merkliste
  • Eigener Nachrichtenstrom aus bevorzugten Quellen
  • Eigene Events in den Veranstaltungskalender stellen
M D M D F S S
 
 
 
 
 
 
1
 
2
 
3
 
4
 
5
 
6
 
7
 
8
 
9
 
10
 
11
 
12
 
13
 
14
 
15
 
16
 
17
 
18
 
19
 
20
 
21
 
22
 
23
 
24
 
25
 
26
 
27
 
28
 
29
 
30
 
31