Majore gegen Generäle: Selenskij fördert Zerfall der ukrainischen Streitkräfte

Von Wladimir Kornilow

In der Ukraine werden zunehmend "russische Verschwörungen" (mit denen Russland selbstverständlich nichts zu tun hat) aufgedeckt. Gleichzeitig ist Wladimir Selenskij so sehr damit beschäftigt, diese angeblichen "Aufstände" niederzuhalten und die Ein-Mann-Herrschaft in der Armee zu beseitigen, dass er nicht einmal bemerkt, wie sein innerer Kreis in Kiew erbittert um die Macht kämpft und dabei seinen längst überfälligen Hetman völlig ignoriert.

Bereits im Mai berichtete der ukrainische Geheimdienst SBU über die Verhaftung von zwei Offizieren im Rang eines Obersts der Verwaltung des Staatssicherheitsdienstes, die lange Zeit auch für die Sicherheit des Präsidenten des Landes zuständig gewesen waren. Glaubt man der verrückten Version des SBU, so waren diese Offiziere seit Langem "russische Agenten" und bereiteten schon zu Beginn der militärischen Sonderoperation die Verhaftung Selenskijs vor, um ihn an Russland auszuliefern. Und obwohl "jeder davon wusste", arbeiteten sie bis zur Verhaftung in ihren Positionen weiter.

Dann entließ Selenskij den Leiter der Verwaltung des Staatssicherheitsdienstes, Sergei Rud, der ein Pate eines der "Verschwörer" war. An dessen Stelle rückte sein Stellvertreter Maxim Donez, der den Präsidenten regelmäßig auf allen seinen Reisen und bei Treffen mit führenden Politikern der Welt begleitete. Doch letzte Woche reichten die Donez unterstellten Offiziere eine Kollektivbeschwerde gegen ihren unmittelbaren Vorgesetzten ein.

Das Dokument könnte als Parodie verstanden werden – es ist in einem Geiste abgefasst, der das für seine Komik-Inhalte berühmte Studio Kvartal 95, das einst von Selenskij geleitet wurde, neidisch machen dürfte. So beschweren sich beispielsweise Angestellte des Staatssicherheitsdienstes darüber, dass der Chef sie unter den Bedingungen des Krieges nicht Urlaub machen und stattdessen Offiziere im Rang eines Obersts die Dixi-Klos an Kontrollpunkten reinigen lässt. Aus all dem ziehen Donez' Untergebene den Schluss, dass ihr Chef "ein Komplize des Aggressorlandes", das heißt Russlands, sei. Nun, als was sonst könnte man nach so einer Sache als Sicherheitsmann des Präsidenten angesehen werden? Mit anderen Worten: Ein Mann, der das Staatsoberhaupt hundertmal hätte töten können, beschloss, dass es viel effektiver wäre, Offiziere Toiletten putzen zu lassen, um die militärischen Fähigkeiten des Landes zu zerstören.

Es scheint, dass der erfahrene Komiker Selenskij die Absurdität der Situation hätte erkennen müssen. Doch stattdessen entließ er seinen treuen Leibwächter von seinem Posten, was bedeutet, dass die "Klobeschwerde" seiner Untergebenen gegen ihren Chef Wirkung zeigte.

Es überrascht daher nicht, dass nur einen Tag später ein anderer Offizier eine öffentliche Beschwerde gegen seinen Vorgesetzten einreichte. Es handelt sich um die sensationelle Geschichte der Beschwerde eines bekennenden Nazis, des Stabschefs der rechtsradikalen Brigade Asow, Major Bogdan Krotewitsch, gegen den zweithöchsten Offizier der ukrainischen Armee, den Befehlshaber der vereinigten Kräfte der ukrainischen Streitkräfte, General Juri Sodol. Ihm wird natürlich ebenfalls "Unterstützung und Beihilfe zu Russlands Taten" vorgeworfen. Der Verfasser der Beschwerde erklärte, Sodol habe "mehr ukrainische Militäroffiziere getötet als jeder russische General".

Dieser und den späteren Klagen anderer ukrainischer Persönlichkeiten zufolge habe Sodol seine schrecklichen Gräueltaten gegen die ukrainischen Streitkräfte schon seit Kriegsbeginn, genauer seit der Verteidigung von Mariupol, verübt. Selenskij scheint vergessen zu haben, dass er Sodol dafür persönlich den Titel "Held der Ukraine" verliehen hat und diesen General anschließend mehrfach lobte.

Wenn Majore in einer Armee öffentlich die Entlassung von Generälen fordern, sollte jeder Oberbefehlshaber dieser Willkür, die das unantastbare Prinzip der Einheit des Oberkommandos zerstört, sofort Einhalt gebieten. Doch wie im Falle der Beschwerde der Offiziere des Staatssicherheitsdienstes ordnete Selenskij umgehend die Entlassung Sodols an, ohne zu ahnen, dass er damit zur Anarchie in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte beiträgt.

Gleichzeitig war Selenskij so sehr in die Streitereien unter den Offizieren vertieft, dass er offensichtlich nicht bemerkte, wie sich sein innerer Kreis einen erbitterten Kampf darüber lieferte, wer die Ukraine wirklich regieren sollte, und dabei ihn selbst in den Hintergrund drängte. So behauptete der SBU im Zusammenhang mit der Verhaftung der Obersten des Staatssicherheitsdienstes, dass diese ein Attentat auf eine Reihe hochrangiger Persönlichkeiten des Landes, einschließlich des Präsidenten selbst, vorbereiteten. Es sei darauf hingewiesen, wie dies der Öffentlichkeit anschließend von der britischen Zeitung The Times präsentiert wurde: "Wie Kiew ein Attentat auf einen Geheimdienstchef vereitelte". Der Autor dieses Artikels, Maxim Tucker, berichtete ausschließlich über die Version des Komplotts gegen den Direktor des Militärnachrichtendienstes der Ukraine, Kirill Budanow. Und was ist mit Selenskij? Ach, wen kümmert schon diese kleine Nummer!

Tucker leistet seit langem Informationsdienste für Budanow und ist Verfasser des Löwenanteils der Erzählungen über dessen "Heldentaten". Umso bemerkenswerter ist es, dass nur wenige Tage nach diesem Artikel derselbe Autor einen Beitrag über die unglaubliche "Machtgier" des Leiters des ukrainischen Präsidialamtes, Andrei Jermak, veröffentlichte. Unter Bezugnahme auf gewisse hochrangige Beamte schreibt Tucker, dass alle in seinem Umfeld über das Vorgehen von Jermak, der die Leitung des Staates an sich gerissen habe, beunruhigt seien. Angesichts der besonderen Nähe des Autors zu Budanow kann man erahnen, auf welche Beamten er sich beruft.

Zur gleichen Zeit veröffentlichte die drittklassige US-amerikanische Zeitung The Philadelphia Inquirer eine wahre Lobeshymne auf Budanow, dem fast alle Siege der Ukraine zugeschrieben werden. Über irgendwelche Verdienste von Selenskij findet sich kein einziges Wort.

Aber auch Jermak hat nicht lange gebraucht, um zu reagieren. Zur gleichen Zeit erscheint ein großer Artikel im Time Magazine, in dem alle Siege dem Leiter des ukrainischen Präsidialamtes zugeschrieben werden. Auch hier spielte Selenskij keine Rolle.

Wie im Fall von Tucker ist es wichtig, auf die Urheberschaft dieses PR-Artikels über Jermak hinzuweisen. Er wurde von Simon Shuster verfasst, der in den ersten Jahren von Selenskijs Herrschaft fast dessen Hofberichterstatter war. Er war es, der den ukrainischen Präsidenten im Rahmen des Time Magazin als "Mann des Jahres 2022" bezeichnete. Er war es auch, der in den ersten Tagen der militärischen Sonderoperation mit Selenskij im Bunker saß und die meisten Geschichten über das "Heldentum" des Komikers erfand. Doch seit Beginn dieses Jahres hat sich Shuster recht wenig schmeichelhaft über sein jüngstes Idol geäußert. Im Januar erklärte der Chronist Selenskijs, dass dieser den Ukrainern nach dem Krieg Rede und Antwort stehen müsse. Und dann stellte er sein Buch über Selenskij unter dem bezeichnenden Titel "Showman" vor. Die Hauptaussage dieser Biografie wurde von der britischen Zeitung Daily Mail recht farbenfroh beschrieben: "Warum der ukrainische Präsident mehr wie Charlie Chaplin als wie Churchill sein will".

Mit anderen Worten ist es zwischen dem Biografen und seinem Idol wohl zu einer eindeutigen Abkühlung der Beziehungen gekommen. Und das hindert Jermak, Selenskijs direkten Untergebenen, nicht daran, in aller Ruhe mit Shuster zu kommunizieren und sogar PR-Artikel bei ihm zu bestellen, die den Kunden verherrlichen. Und was ist mit dem "Mann des Jahres 2022"? Den können wir vergessen. Die Weltpresse interessiert sich überhaupt nicht mehr für ihn. Man hat ihn bereits abgeschrieben, auch wenn er es noch nicht bemerkt hat. Er entlässt seine Generäle aufgrund der Denunziationen ihrer direkten Untergebenen und merkt nicht einmal, was um ihn herum vorgeht und welche Intrigen seine engste Entourage gegen ihn spinnt. Und bald wird er sich verantworten müssen, wie Selenskijs persönlicher Biograf bereits in Aussicht stellte.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst bei RIA Nowosti am 30. Juni 2024.

Wladimir Kornilow ist ein sowjetischer, ukrainischer und russischer Politologe, Geschichtswissenschaftler, Journalist, Schriftsteller und gesellschaftlicher Aktivist. Er ist der ehemalige Leiter der ukrainischen Filiale des Instituts der GUS-Staaten in Kiew und Leiter des Zentrums für Eurasische Studien in Den Haag. Nach seiner scharfen Kritik am Euromaidan musste er aus der Ukraine flüchten und arbeitet seit 2017 als Kolumnist bei Rossija Sewodnja. Er führt eine Telegram-Kolumne zu aktuellen politischen Themen.

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