Das ukrainische Energiesystem sei für die westlichen Partner ein Grund zur Besorgnis über die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine geworden, berichtet die Zeitung Politico. Die westlichen Verbündeten befürchten, dass ein politisches Machtspiel die Bemühungen, die Stromversorgung im kommenden Winter aufrechtzuerhalten, zunichtemachen könnte.
Der Grund für solche politischen Spannungen sei die Entlassung von Wladimir Kudrizki, dem Leiter des staatlichen Energieunternehmens Ukrenergo, Anfang des Monats. Die offizielle Begründung für diese Entscheidung lautete, dass Kudrizki das ukrainische Stromnetz nicht vor russischen Luftangriffen geschützt habe.
Politico weist darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft diese Erklärung zurückgewiesen habe. Kudrizki sei im Ausland für seine Bemühungen um die Wiederherstellung des Stromnetzes respektiert worden. In einem Schreiben an den ukrainischen Premierminister Denis Schmygal äußerten die EU-Botschafterin in der Ukraine und Vertreter internationaler Finanzinstitutionen ihre Besorgnis und warnten davor, die Unabhängigkeit von Ukrenergo zu untergraben.
Der Westen sei aber nicht nur um personelle Veränderungen seitens Kiews besorgt. Die ukrainische Führung untergrabe allmählich die für eine funktionierende Demokratie wichtige Gewaltenteilung, so Politico. Die Gefahr bestehe darin, dass lukrative Verträge und Projekte aufgrund politischer Loyalitäten vergeben werden könnten. Dies bereite Kopfzerbrechen, zumal die Ukraine der EU beitreten wolle und im Juni Beitrittsgespräche aufgenommen habe.
In einem Interview mit Politico sagte Kudrizki, dass derartige Befürchtungen nicht unbegründet seien. "Es geht nur darum, die Macht zu zentralisieren", erklärte er. Die Präsidialverwaltung wolle das ukrainische Energiesystem unter ihre direkte Kontrolle stellen, warnte Kudrizki.
Ein hochrangiger Beamter in Selenskijs Präsidialverwaltung bestritt indes, dass der ukrainische Präsident etwas mit Kudrizkis Entlassung zu tun habe. "Es ist nicht die Aufgabe des Präsidialamtes, den Chef eines Unternehmens auszuwechseln", sagte der Beamte gegenüber Politico unter der Bedingung der Anonymität.
Unabhängige ukrainische Energieexperten sagen, dass die Entlassung Kudrizkis kein Einzelfall sei. Michail Gontschar, ein Energiespezialist des Kiewer Zentrums für globale Studien, sagte: "Kritische Versorgungsunternehmen sollten unabhängig und getrennt von der Politik verwaltet werden."
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