James Ryan rettet Wladimir Selenskij: Wie der Westen die Ukraine in der Normandie verteidigte

Von Wladimir Kornilow

Vor achtzig Jahren landeten alliierte Truppen der USA, Frankreichs und der Ukraine – um die Demokratie zu verteidigen – in der Normandie und besiegten die russischen Aggressoren. Aus Anlass des 80. Jahrestags fand am vergangenen Donnerstag eine rauschende Feier für die Veteranen dieser tapferen Operation statt, unter denen Tom Hanks hervorstach.

Für manche mag das wie eine Anekdote klingen. Aber genau das implizierten die üppigen Jubiläumsveranstaltungen auf der französischen Seite des Ärmelkanals, deren Gäste in eine alternative Geschichte aus einer parallelen Realität eintauchen durften.

Zunächst einmal war Russland, anders als vor einem Jahrzehnt, nicht zu den Jubiläumsveranstaltungen eingeladen. Wie Wladimir Putin dazu anmerkte, wurde Russland trotz des enormen Beitrags des russischen Volkes zur Niederschlagung des Nationalsozialismus "zu einem Fremden bei dieser Feier des Lebens" gemacht.

Dafür wurde der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij (der mit der abgelaufenen Amtszeit) in die Normandie eingeladen. Das mag manchem logisch erscheinen – schließlich hat das ukrainische Volk an der Ostfront zusammen mit Russen und anderen sowjetischen Ethnien gegen die Nazis gekämpft. Aber was haben Selenskij und der heutige ukrainische Staat damit zu tun? Derjenige Selenskij und derjenige ukrainische Staat, die Denkmäler für die Kämpfer gegen die Nazis abreißen und gleichzeitig ukrainische Kollaborateure der SS-Division "Galizien" und anderer Nazi-Einheiten verherrlichen lassen?

Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die westlichen Staats- und Regierungschefs, die auf den Gedenkveranstaltungen sprachen, nacheinander Russland und die Ukraine erwähnten und dabei unglaubliche Parallelen zur heutigen Zeit zogen. So betonte beispielsweise US-Präsident Joe Biden, dass die Alliierten vor 80 Jahren in Europa landeten, um die Freiheit vor der Tyrannei zu verteidigen, und dass die zivilisierte Welt, angeführt von Amerika, nun die Ukraine vor derselben Tyrannei verteidige.

Deutschland wurde genauso oft erwähnt wie Russland, und Biden erwähnte die Ukraine sogar noch häufiger. Aber natürlich wurden sowohl Russland als auch Deutschland nur in negativer Hinsicht erwähnt. Biden dachte nicht einmal daran, die Rolle Russlands und der Sowjetunion bei der Niederlage der Nazis zu würdigen.

Unter tosendem Beifall sprach der US-Präsident darüber, warum es notwendig sei, die "demokratische Ukraine" zu verteidigen. Allerdings konnte er wahrscheinlich nicht erklären, warum in der russischen "Tyrannei" Wahlen abgehalten werden und ihr Führer stundenlang alle unbequemen Fragen von Nachrichtenagenturen aus offenkundig unfreundlichen Ländern beantwortet (für Biden selbst schwer vorstellbar). Und er wäre sicherlich nicht in der Lage zu erklären, warum die ukrainische "Demokratie", die von der westlichen Welt verteidigt wird, Wahlen abgesagt hat, so wie vor Jahrzehnten Hitlers Nazi-Deutschland.

Aber nur weil Biden nicht in der Lage ist, solche Fragen zu beantworten, heißt das noch lange nicht, dass seine Mitbürger die offensichtlichen Widersprüche in der Haltung des Westens zu diesem Thema nicht sehen. So schrieb der unabhängige amerikanische Journalist und bekannte Blogger Kyle Becker:

"Joe Biden hat gerade die Landung in der Normandie mit dem Kampf um die Ukraine verglichen. Das sind erbärmliche Leute, denen nichts heilig ist... Die Ukraine ist ein korruptes, undemokratisches Nicht-NATO-Land. Sie spiegelt nicht die westlichen Werte von Freiheit, individuellen Rechten und Rechtsstaatlichkeit wider."

Das hinderte andere westliche Politiker jedoch nicht daran, beschämende Parallelen zwischen der Eröffnung der zweiten Front im Jahr 1944 und den Ereignissen in der Ukraine zu ziehen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron betonte diese Parallele.

Amüsant: Macron warf Russland vor, es versuche die Geschichte umzuschreiben. Dies vor dem Hintergrund seiner überraschenden "Vergesslichkeit" darüber, wer die Geschichte gemacht und zu einem unvorstellbar hohen Preis die Welt vor dem Nazismus gerettet hat. Beiläufig erwähnte er dann doch noch den großen Beitrag der Roten Armee zum Sieg über den Nationalsozialismus. Aber nur, um später über die Notwendigkeit zu sprechen, der Ukraine neue Waffen zu liefern.

Selenskij wurde von Macron umgarnt und sogar eingeladen, am Freitag im französischen Parlament zu sprechen. Dies wiederum verärgerte die französische Opposition. Sie bezeichnete solche Reisen kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament als inakzeptabel. Marine Le Pen warf Macron vor, Selenskij als Wahlkampfhelfer zu benutzen. Auch Vertreter anderer Oppositionsparteien stimmten ihr darin zu.

Es überrascht nicht, dass bei einem solchen pseudohistorischen Mischmasch die Menschen im Westen völlig verwirrt sind, was sie da eigentlich feiern. So ergab eine Umfrage unter den Briten, dass nur 47 Prozent von ihnen wussten, dass der Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie gefeiert wurde; elf Prozent dachten, es ginge um den Sieg über den Nationalsozialismus in Europa; und ebenso viele dachten, dass die Evakuierung aus Dünkirchen gefeiert wurde. Und bei Jugendlichen lag der Prozentsatz derjenigen, die die Frage nach dem Grund für die Feierlichkeiten richtig beantworteten, bei nur 31 Prozent. Einer anderen Umfrage zufolge sind 22 Prozent der jungen Briten der Meinung, dass der Ereignisse des weit entfernten und vergessenen Zweiten Weltkriegs nicht mehr gedacht werden sollte.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, dass die Hauptakteure beim Jahrestag in der Normandie Steven Spielberg und Tom Hanks waren – der eine Regisseur, der andere der Darsteller der Hauptrolle in dem Film "Der Soldat James Ryan". Aber natürlich! Schließlich gehörte der Gefreite Ryan zu denjenigen, die 1944 genau an der Küste landeten, an der sich jetzt die westlichen Staats- und Regierungschefs zur Verteidigung der Ukraine versammeln. Wir können also sagen, dass wir die zweite Staffel dieser erstaunlichen pseudohistorischen Serie gesehen haben: "Private Ryan rettet Wladimir Selenskij".

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 7. Juni 2024 auf ria.ru erschienen.

Mehr zum Thema - Selenskij spricht zwei Tage vor Europawahl in Paris – Macron instrumentalisiert die Ukraine

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