Das 2023 war ein besonderes Jahr. Wir veröffentlichten unsere Theory of Change, eine präzise Anleitung, wie der Wandel hin zu einer tierfreundlichen Welt funktionieren könnte. Seither wurde sie quer durch den deutschsprachigen Raum gelesen und diskutiert.
Vor allem aber ist der Text ein Kompass für uns selbst: Unsere Theory of Change beinhaltet sowohl unsere Vision als auch konkrete Strategien zu ihrer Erreichung. Mehr denn je wissen wir nun, was wir zu tun haben.
Im Kern umfasst unsere Theory of Change drei langfristige Ziele:
- Eine gewaltfreie Wertschöpfungskette
- Ein inklusives und egalitäres Weltbild
- Eine Multispezies-Demokratie
Als zentrale Voraussetzung zur Erreichung sehen wir die Stärkung der Tierrechtsbewegung. Entsprechend haben wir dafür besonders viel investiert.
Voraussetzung: Eine starke Tierrechtsbewegung
Im 2023 verstärkten wir unser Engagement in der Tierrechtsbewegung deutlich. Im Mai organisierten Marina Mathis (TIF) und Team unseren ersten Tierrechtskongress. Rund 300 Teilnehmende besuchten während drei Tagen die 30 Vorträge und Workshops. Besucher:innen und Referierende reisten aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Österreich an. Einige Vorträge finden sich nun auf unserem YouTube-Kanal.
Kongresse spielen eine entscheidende Rolle für die Vernetzung. Deshalb reiste – wie fast jedes Jahr – eine TIF-Delegation nach Luxemburg an die International Animal Rights Conference. Ähnlich und doch anders ist unser neues Animal Liberation Gathering: Zweimal pro Jahr organisieren wir ein Vernetzungstreffen für die Schweizer Tierrechtsbewegung. An der ersten Ausgabe waren 27 Aktive von Genf bis St. Gallen dabei.
Für eine starke Tierrechtsbewegung braucht es Kooperationen. Mit anderen Tierrechtsorganisationen, aber auch mit Menschen aus anderen Kreisen. Wir sind deshalb einer Allianz beigetreten, die vegane und bäuerliche Kreise bemerkenswert vereint. Überhaupt werden wir immer öfter für Kooperationen angefragt. Oder für Podien oder Podcasts. So wurde TIF zu einer Diskussion des Amt für Zukunft eingeladen, zu einem Interview des Tierrechtsradio oder zu einem Podium am Films For Future Festival.
Nicht zuletzt kümmerten wir uns auch um uns selbst. So haben wir das Care Collective lanciert, eine TIF-Gruppe, die sich auf das Wohlbefinden der Aktiven spezialisiert hat. In Vorträgen für TIF-Aktive lauschen wir Selfcare-Tipps von Expert:innen und diskutieren das Gehörte. Ausserdem evaluierten wir mittels Umfragen die Bedürfnisse unserer Freiwilligen, die uns täglich (!) unterstützen. Alle Aktive können zudem dem neuen akTIF beiwohnen: Einmal pro Monat geben wir ein virtuelles Update zu allen Tätigkeiten bei TIF und sind offen für Feedback und neue Ideen.
2023 ging ferner unsere Website in einem neuen Layout online. Zusammen mit der Vegan Web Agency kreierten wir eine professionelle Visitenkarte im Netz: www.tierimfokus.ch. Derweil sorgten die Designer:innen Dani Rüthemann (dunkhell) und Jay Ladanie (TIF) für ein neues Logo, eine neue Schrift und neue Farben.
Ziel 1: Eine gewaltfreie Wertschöpfungskette
Um das Leid der Tiere zu beenden, braucht es eine gewaltfreie Wertschöpfungskette. Diese Systemänderung erfordert wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen.
Zum Beispiel muss die Nachfrage pflanzlicher Produkte steigen. Deshalb investierten wir auch 2023 viel Zeit in die vegane Lebensweise. So nahmen wir mit einem Infostand am veganen Menta-Festival in Bern teil, das jedes Jahr tausende Interessierte aus der ganzen Schweiz anlockt. Immer am ersten Donnerstag im Monat findet zudem unser veganer Stammtisch, das Vegan Meet & Eat statt, organisiert von Alex Riesen (TIF). Leider fiel jedoch unser traditionelles Grilling Without Killing von Nicole Hänni und Team sprichwörtlich ins Wasser.
Um die Politik tierfreundlicher zu gestalten, setzten wir einen Schwerpunkt bei den eidgenössischen Wahlen 2023. Bereits Monate zuvor lancierten wir mit der Bürger:innen-Bewegung Campax einen Aufruf zum Wählen. Zudem textete unser Autor Michael Meier einen Rückblick auf die vergangene Legislatur aus Sicht der Tiere. Später publizierten wir – gemeinsam mit den Organisationen Stop Gavage Suisse, Koalition für die Tiere, LSCV und Susy Utzinger Stiftung – die Website TierPolitik Schweiz. Die Plattform enthält eine umfangreiche (von TIF-Aktiven mit generierten) Datenbank zum Wahlverhalten von Politiker:innen und hat somit eine Abstimmungsempfehlung für Tierfreund:innen geliefert.
Im Herbst lancierten wir ein Crowdfunding, um den Wahlkampf von Meret Schneider (Grüne) zu unterstützen – die wohl tierfreundlichste Politikerin der Schweiz. Leider wurde sie dennoch abgewählt. Ausserdem veröffentlichten wir ein politisches Kochbuch: Ein – weitgehend durch KI generiertes – Kochbuch mit einem veganen Rezept für jede Partei. Der Clou: Die Rezepte basieren auf den Werten der Partei. Der Blick griff die Story auf. Für die Rezepte war Seraina Dübendorfer (TIF) verantwortlich, für das Food-Fotoshooting Bernadette Guenot.
Vor Weihnachten steigt der Fleischkonsum jeweils stark an. Wir lancierten deshalb eine Plakatkampagne für vegane Weihnachten in Zürich und Bern, die von einem Crowdfunding finanziert wurde. Auf dem Plakat verwies ein QR-Code auf unser Weihnachtsmenü.
Zu den wichtigsten Hürden für eine gewaltfreie Wertschöpfungskette gehören die Lobbys der Tierindustrie, die wir immer wieder aufs Korn nehmen. Mit einer Beschwerde bei der Lauterkeitskommission gegen eine – mit Steuergeldern finanzierte – Werbung der Fleischorganisation Proviande gelangte unsere Kritik an der nationalen Subventionspolitik in die SonntagsZeitung. Ausserdem beteiligten wir uns, zusammen mit Animal Rights Switzerland und Vegane Gesellschaft Schweiz, an einer Aktion gegen den Pausenmilchtag, an dem die Milchlobby an Schulen wirbt. Die Weltwoche berichtete (über eine ähnliche Aktion im Jahr zuvor).
Auch den Tieren galt unser Engagement. So veröffentlichten wir zu Beginn des Jahres, als sich die Schweineindustrie tief in der Krise befand und die Schlachtung der Schweine kaum mehr rentierte, Bilder aus überbelegten Schweineställen im Kanton Bern. Ktipp und Saldo berichteten.
Ausserdem unterstützten wir erneut ein Tierschutzprojekt im Ausland. Eine vierstellige Summe aus dem TIF-Pot floss in die Renovation eines Tierheimes in Armenien durch Armenian Animal Aid.
Ausserdem unterstützten wir weiterhin verschiedene Lebenshöfe in der Schweiz. So haben wir derzeit sechs Patenschaften auf verschiedenen Höfen, um Tieren fernab der Industrie ein Leben zu ermöglichen. Denn wir sind überzeugt, dass jedes Leben zählt.
Ziel 2: Ein inklusives und egalitäres Weltbild
Unser Verhältnis zu anderen Tieren ist meist ein gewalttätiges. Um dieses zu überwinden, brauchen wir auch ein neues Verständnis von unserem Zusammenleben. Wir sind überzeugt, dass Tiere als gleichwertige Mitglieder unserer Gesellschaft angehören.
Unser Umgang mit Tieren thematisierten wir 2023 immer wieder. Zum Beispiel mit einer Standaktion am Changemaker Festival, zusammen mit unzähligen anderen Initiativen oder NGOs. Unsere Regionalgruppe TIF Basel zeigte den Film Slay über die gewaltsamen Praktiken in der Modeindustrie. Und zusammen mit Zurich & Basel Animal Safe organisierten wir in Bern, Luzern und Zürich eine Lesetour der deutschen Tierethikerin Friederike Schmitz.
Derweil entdeckten wir ein neues Thema – als erste Organisation in der Schweiz: die tierliche Repräsentation in der Politik. Wir erkundeten die Idee in mehreren Vorträgen von Tobias Sennhauser (TIF), später fand sie Einzug in unsere Theory of Change (siehe Ziel 3). Diese Arbeit brachte uns in fruchtbaren Kontakt mit ausländischen Organisationen und Individuen, die die tierliche Repräsentation ebenso erforschen.
Mit unserer Aufklärung setzten wir zudem bei der Landwirtschaft an. Unsere neue Plattform Veganer Bauernhof zeigt mit dem Biohof Tannacker, Hof Vaikuntha, Hof Narr und Biohof Hübeli zahlreiche vegane Höfe in der Schweiz, die wir mit Fotos und Videos porträtierten. Sie zeigen, wie vielfältig die vegane Landwirtschaft in der Schweiz bereits ist.
Ziel 3: Eine Multispezies-Demokratie
Tiere sind massgeblich von unseren politischen Entscheidungen betroffen. Deshalb sollten sie bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, berücksichtigt werden. Der Schweizer Philosoph Markus Wild nennt das «Animal Mainstreaming».
Um auf die politische Repräsentation zu sensibilisieren, organisierten Nadine Zimmermann (TIF) und Team auf dem Berner Bahnhofplatz eine Demo für ein Tierparlament, worüber die Jungfrau Zeitung berichtete. Statt normaler Demo-Reden gab es Reden von Tiervertreter:innen, die verschiedene Tierarten repräsentierten. Die innovative Idee lockte gar einen Journalisten für den arabischen Raum an, der (gemäss eigenen Angaben) über ein Millionenpublikum verfügt.
Ferner gründeten wir diverse Arbeitsgruppen. Eine verfolgt ein Verbandsbeschwerderecht für Tierrechtsorganisationen oder eine Tieranwaltschaft, wie sie von 1992 bis 2010 im Kanton Zürich existierte. Damit wollen wir die Stimme der Tiere im Strafverfahren hörbar machen – heute ein grosses demokratie-politisches Manko. Ausserdem knüpft eine weitere Gruppe universitäre Kontakte zu Menschen mit ähnlichen Interessen.
Derweil schmieden wir bereits Pläne für 2024. Denn wie gesagt: Mehr denn je wissen wir nun, was wir zu tun haben.
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Der Beitrag Jahresbericht 2023 erschien zuerst auf Tier im Fokus (TIF).
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