Deutschland im freien Fall nach Übernahme des Global-Ökonomie-Systems von Adam Smith

Nach dem Abgang Otto von Bismarcks war dem II. Deutschen Reich wenig politisches Geschick und zugleich eine entsprechend kurze Lebensdauer nur beschieden. Was blieb war deutsche Wirtschaftskraft und Ingenieurskunst, doch damit scheint es inzwischen auch schon vorbei: Was ist geschehen?

 Nach dem 1. Weltkrieg übernahmen Lehrmeister aus Übersee

Von REDAKTION | Es wäre zu einfach das vollständige Staatsversagen der Bundesrepublik Deutschland in seiner ganzen Bandbriete hier und heute nur am politischen Tiefstand der sogenannten Ampelregierung  festzumachen. Auswüchse der Ampel zeigen vielmehr nur die Symptome einer fatalen Staatspolitik, deren Wurzeln viel weiter zurück in der deutschen Geschichte zu finden sind.

Deutschland als Nachzügler nationaler Entwicklung

Es begann mit der verspäteten Entwicklung Deutschlands – im Vergleich zu den anderen Großmächten Europas – zum Nationalstaat, wobei die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches erst am 18. Januar 1871 erfolgte. Davor existierte von 962 bis 1806 das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Nach 1806 gab es mehrere lockere deutsche Staatenbünde, von denen der Deutsche Bund von 1815 bis 1866 der bedeutendste war.

Zu Zeitpunkt der deutschen Reichsgründung hatte die Epoche der Kolonialisierung (1500 – 2000) ihre Phase des Hochimperialismus erreicht, was angeführt von Großbritannien und Frankreich um die Jahrhundertwende zum „Wettlauf um Afrika“ führte und im Krieg einer Acht-Nationen-Allianz (Boxerkrieg; 1899 – 1901) gegen China gipfelte. Im Zweiten Burenkrieg (1899 – 1902) von Großbritannien gegen die Burenrepubliken Transvaal und Oranje Vrystaat und im Krieg (1899 – 1902) der Vereinigten Staaten gegen die Philippinen griffen Briten und Amerikanern jeweils auf Mittel, wie Konzentrationslager, zur Internierung der Zivilbevölkerung ihrer Feinde zurück. Auf den Philippinnen verursachte die USA noch zusätzlich den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, mit rund einer Million an Opfern unter der Zivilbevölkerung des Inselstaates mit damals insgesamt nur rund sieben Millionen Einwohnern.

Ideologische Überschneidungen kolonialer- & faschistischer Regime

 Obwohl der Begriff Faschismus als Eigenbezeichnung der politischen Bewegung – Partito Nazionale Fascista – unter Führung (1922 – 1943/45) von Benito Mussolini sich ursprünglich nur auf besagtes Herrschaftssystem in Italien bezog, kann die Ideologie des Kolonialismus aufgrund ganz ähnlicher Wesensmerkmale gleichermaßen gut passend ebenso dem Faschismus zugeordnet werden – unabhängig von den italienischen Verhältnissen bzw. unabhängig auch vom Ort und der Zeit des Faschismus unter Benito Mussolini.

Das Wesen des Faschismus zeigt sich, indem eine elitäre Oligarchie die Masse ihrer Gefolgschaft und Mitläufer auf Kosten Nicht-Zughöriger protegiert. Letztere können Oppositionelle im Inneren, wie auch benachbarte Völker des Äußeren sein, sollten sie dem Willen des Regimes im Wege stehen. Im italienischen Faschismus wurde die Oligarchie durch den Duce repräsentiert, umgeben von einer Volksgemeinschaft im blinden Gehorsam – auch unter Ausschaltung des eigenen Gewissens. Im atlantischen Kolonialsystem heute herrschen Finanzmonopolisten und Kriegsherren über privilegierte Landeseliten, die als ausführende Organe für die Ausführung externer Anweisungen und die strikte Umsetzung von Zielvorgaben geradestehen.

Bewunderung für den Hegemon mit seinem „Platz an der Sonne“

Gerade weil eine Landmacht, wie Deutschland im 19. Jahrhundert in Bezug auf Kolonialisierung und Industrialisierung der damaligen Weltmacht Großbritannien hinterherhinkte, doch wirtschaftlich rasant aufholte, machte sich in gerade jenen deutschen Führungskreisen, die sich letztlich durchsetzten sollten, unterschwellige Bewunderung für das globale atlantische Kolonialmodell breit, oft noch verstärkt durch die Tendenz auch in die Fußstapfen westlicher Kolonialherren treten zu wollen.

Berliner Konferenz 1884/85 nach Grafik der „Illustrierten Zeitung“ für einen Platz an der Sonne. Quelle: Adalbert von Rößler (†1922), Public domain, via Wikimedia Commons

Vertreter europäischer Großmächte, samt den Vereinigten Staaten, trafen sich 1884/85 in Berlin, um ohne Beteiligung der Afrikaner über Afrika frei zu verfügen und festzulegen, wie dort künftig Ansprüche auf europäischen Besitz – „Tauschgeschäfte“ inklusive – zu erheben und zu legitimieren wären. Bis 1914 war der Kontinent dann nahezu vollständig unter den europäischen Mächten „kolonial“ aufgeteilt.

Karte des kolonialen Afrikas im Jahr 1914: Lediglich Liberia war noch frei. |
Quelle: Frank Murmann (talk·contribs), Public domain, via Wikimedia Commons

Der rasante wirtschaftliche Aufschwung und die fortschreitende Industrialisierung Deutschlands – vor allem gegenüber dem „großen Vorbild“ Großbritannien – verführte machtvolle Kreise um den deutschen Kaiser dazu, es dem Hegemonen, wie vormals Großbritannien, gleichzutun und sich nach getaner Arbeit – sprich deutscher Reichsgründung 1871 – zugunsten des Prinzip der sogenannten „freien Hand“ vom bisherigen Bündnispartner Russland leichtfertig loszusagen, um im Jahr 1890:

  •  den Reichskanzler Otto von Bismarck in den Ruhestand zu jagen
  • den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht mehr zu verlängern

Der erzwungene Rücktritt des Reichskanzlers

Bismarck, wurden die Meinungsunterschiede mit Wilhelm II. zu viel, sodass er einen Rücktrittsbrief verfasste, in dem er über die Einmischungen des Kaisers in seine Aussen- und Innenpolitik klagte. Er trat schliesslich am 18. März 1890 im Alter von 75 Jahren zurück, nachdem er die Unterstützung Wilhelms gänzlich verloren hatte.

Die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages

 Der „Rückversicherungsvertrag“ war ein Geheimabkommen zwischen dem Deutschen – und Russischen Reich, das von 1887 bis 1890 in Kraft war und zum Zeitpunkt der Entlassung Bismarcks gerade zur Verlängerung anstand. Der Vertrag sah Neutralität für den Fall vor, sowie eine der Parteien in einen Krieg mit einer dritten Großmacht verwickelt worden wäre. Als Ausnahmen galten, falls Deutschland Frankreich oder Russland Österreich-Ungarn angreifen würden.

Nach dem Abgang von Bismarck ersuchte das Zarenreich um die entsprechende Verlängerung des Vertrags, doch Deutschland lehnte forsch ab. Bismarcks Nachfolger, Leo von Caprivi, sah keine Notwendigkeit zur Verlängerung. Auch die deutsche Außenpolitik lehnte eine Verlängerung ebenso geschlossen ab, da ihnen der Vertrag im Verbund mit anderen zu komplex bzw. zu schwer verständlich erschien.

Kaiser Wilhelm II. meinte, dass seine persönliche Freundschaft zu Zar Alexander III. genügen dürfte, um auch künftig freundschaftliche Beziehungen zu Russland weiter aufrecht zu erhalten. Darüber schwebte Wilhelm II. vor, bessere Beziehungen zu Großbritannien herzustellen. Die anglo-russischen Beziehungen waren durch Russlands Bestreben, die Kontrolle über die türkischen Meerengen zu erlangen, die das Schwarze Meer und das Mittelmeer verbinden, getrübt. Bismarck wollte den englisch-russischen Konflikt entsprechend nützen, um Deutschlands Position in Europa noch weiter abzusichern.

Frankreich, das verzweifelt nach einem Verbündeten suchte, bot Russland finanzielle Hilfe zum Aufbau seiner Wirtschaft an und schloss 1894 erfolgreich die französisch-russische Allianz ab, welche die Isolation Frankreichs beendete und das Konzept Bismarcks endgültig zu Fall brachte.

Die Entlassung Bismarcks sowie die Nicht-Verlängerung des Rückversicherungsvertrages stellten den entscheidenden Wendepunkt in der deutschen Aussenpolitik zum Ende des 19. Jahrhunderts dar, was letztlich den Untergang des Deutschen Kaiserreiches nach nicht einmal ganz fünf Jahrzehnten nach sich ziehen sollte.

 Das System politischer National-Ökonomie von Friedrich List

Der Aufstieg (1871 – 1914) des Deutschen Kaiserreiches bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges ruhte auf zwei Säulen – überragende Staatskunst sowie ein ebenso herausragendes Ökonomiemodell, wofür zwei deutsche Persönlichkeiten standen:

  • der Reichskanzler und Staatsmann Otto von Bismarck, der bis 1890 regierte.
„Der Lotse geht von Bord“ – veröffentlicht im britischen Magazin „Punch“ 29.3.1890.  |
Quelle: John Tenniel, Public domain, via Wikimedia Commons
  • Friedrich List (1789 – 1846) – der bedeutendste deutsche National-Ökonom

Friedrich List war der erste deutsche Vertreter einer modernen Volkswirtschaftslehre und Vorläufer der Historischen Schule der Nationalökonomie. List war Begründer des  „Nationalen Systems der Politischen Ökonomie“.

Mit 28 Jahren wurde Friedrich List, der nie eine Hochschule besucht hatte, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Tübingen. Sein besonderes Talent veranlasste ihn, seine Studien praktisch erproben zu wollen. In Jahr 1818 wurde List als Reutlinger Abgeordneter in die württembergische Ständeversammlung entsandt. Im Jahr 1822 wurde er aufgrund seiner zu scharfen Kritik an der lokalen Herrschaft und deutschen Verhältnissen zu einer Festungshaft auf dem Hohen Asperg bei Ludwigsburg verurteilt. Im Jahr 1825 wurde er vom Landesherrn gegen sein Versprechen, nach Amerika auszuwandern, aus der Haft entlassen.

In den Vereinigten Staaten setzt sich List mit John Quincy Adams und Andrew Jackson, zusammen mit noch anderen US Ökonomen für amerikanische Schutzzölle gegen britische Manufaktureinfuhren ein. 1832 kehrt er, als amerikanischer Konsul, ernannt vom US Präsidenten Andrew Jackson für Leipzig, nach Deutschland zurück.

Wieder in Deutschland, setzte sich Friedrich List als Wegbereiter des Deutschen Zollvereins zur Überwindung der innerdeutschen Zollschranken und als Pionier für ein gesamtdeutsches Eisenbahnnetz ein. Der Deutsche Zollverein trat am 1.1.1834 in Kraft und am 7. Dezember 1835 wurde die erste deutsche Eisenbahnverbindung von Nürnberg nach Fürth eröffnet. Von da an startete der Siegeszug des deutschen Eisenbahnwesens. So bahnte Friedrich List einer beschleunigten Industrialisierung Deutschlands den Weg.

Friedrich List unterschied drei Typen der Wirtschaftspolitik, für jeweils die:

  • Privat-Ökonomie
  • politische National-Ökonomie
  • kosmopolitische bzw. Eine-Welt-Ökonomie

List machte klar, dass eine Privat-Ökonomie wie auch kosmopolitische Ökonomie mit einer politischen National-Ökonomie nie ident sein könne.

Daraus ergeben sich die Unterschiede zwischen Friedrich List und dem schottischen Begründer klassischer Ökonomie, Adam Smith, für den es keinerlei nationale – vielmehr nur eine kosmopolitische, sprich Eine-Welt-Ökonomie, zugeschnitten auf die vermeintliche Eine-Welt-Kolonialmacht Grossbritannien, nur gab. List kritisierte, dass Adam Smith nur den Gesetzen nach denen die kosmopolitische Ökonomie zu funktionieren hätte, nachgegangen sei. Eine National-Ökonomie wäre Adam Smith nie in den Sinn gekommen, wie List treffend anmerkte. List macht klar, dass bei Adam Smith der Gegenstand der politischen National-Ökonomie voll und ganz fehlte.

Im Bezug auf das Kapital unterschied List drei Kategorien:

  • Natur-Kapital
  • Geistes-Kapital
  • Produktiv-Kapital

Für List steht Produktivkraft und Geistes-Kapital an oberster Stelle: Für ihn ist jede Generation nur in dem Verhältnis produktiv, in dem sie die Errungenschaften früherer Generationen in sich aufzunehmen und durch eigene Erwerbungen zu vermehren versteht.

Für die Vertreter der Einen-Welt-Kolonialisten steht hingegen menschliches Geistes-Kapital heute an letzter Stelle, doch soll durch fortgeschrittene Automatisierung – im Volksmund besser unter der Bezeichnung KI (Künstliche Intelligenz oder AI) bekannt – ersetzt werden, um die Mehrheit darüber maschinell – sprich «smart» – dienstbar zu machen und unter Abschaffung jeder Privatsphäre digital zu überwachen.

List bemängelte das britische Freihandelsdogma als niederen Egoismus, der darauf abzielte, andere Nationen nieder zu halten bzw. deren Industrien zerstören zu lassen. Für List waren Schutzzölle kein Selbstzweck, sondern ein flexibel einzusetzendes Instrument zum Schutz und zur Förderung eigener, als entscheidend definierter Industriekapazitäten.

So wenig heute im amerikanisierten Deutschland die Nationalökonomie von Friedrich List noch Geltung findet, umso mehr wurden und werden Lists Ökonomie-Prinzipien und Entwicklungstheorien in asiatischen Ländern, wie z.B. in China in voller Anerkennung realisiert und haben die chinesische Wirtschaft heute, wie schon die deutsche Industrie einst unter Bismarck, weltweit ganz nach vorne katapultiert. Friedrich List persönlich wurde seitens seiner Landsleute zu oft übel mitgespielt, sodass er sich am 30.11.1846 in Kufstein/Tirol aus Verzweiflung das Leben nahm.

Denkmal für Friedrich List in Kufstein/Tirol heute | Quelle: Rufus46, CC BY-SA 3.0,

Dem heutigen Deutschland hingegen wird inzwischen exklusiv und strikt nur noch das Eine-Welt-Ökonomie Modell von Adam Smith von außen übergestülpt und diktiert, was zur Deindustrialisierung, Industrieverlagerung und industrieller Zerstörung im Lande führt, doch ganz im Trend atlantischer Hegemonial- und Kolonialpolitik, zu liegen scheint. Wer hätte diesbezüglich auch anderes erwartet?

***

Von unserer Redaktion ‚Zeitgeschichte und Globalpolitik‘.
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