Bundesmeldegesetz: Adressen sollen ein bisschen besser geschützt werden

Eine Adresse aus dem Melderegister abzufragen, ist leicht. Zu leicht, findet die Bundesregierung, und will das Bundesmeldegesetz ändern. In einer Fachleute-Anhörung im Bundestag hatten Expert:innen noch Verbesserungsbedarf. Wie es mit dem Gesetz weitergeht, ist ungewiss.

Ein Klingel-Tableau mit Zahlen
Viele haben gute Gründe, dass nicht alle ihre Adresse kennen sollen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Panthermedia

Stalkende Angehörige, die ihre Opfer verfolgen, obwohl sie umziehen; Nazi-Drohbotschaften gegen politische Gegner:innen – möglich wird das teils über Adressinformationen aus deutschen Melderegistern. Wenn die Betroffenen keine Auskunftssperren haben, sind solche Abfragen leicht möglich. Das sollte sich nach dem Willen der bisherigen Bundesregierung ändern.

Auch wenn mehr als unsicher ist, ob das Gesetz nach dem Ampel-Aus noch im Bundestag abgestimmt wird, fand heute im Parlament eine Sachverständigenanhörung zu Änderungen des Bundesmeldegesetzes statt. Lars Castellucci (SPD) leitete die Sitzung und wies darauf hin, dass man zwar nie genau wisse, was aus einer Anhörung werde, doch der Bundestag sei „unter erschwerten Bedigungen weiter arbeitsfähig“ und die Bedeutung des Themas „hinreichend deutlich“, sodass sich im Zweifel wohl auch ein künftiger Bundestag damit beschäftigen würde.

Die geplanten Neuregelungen gehen zurück auf einen Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD), im Mai beschloss die Bundesregierung den Entwurf. Das Ziel: Es soll zum einen schwerer werden, missbräuchlich Meldedaten abzufragen. Zum anderen sollen Auskunftssperren für besonders gefährdete Personen leichter zu bekommen sein. Damit reagierte das Innenministerium auf zunehmende Anfeindungen und Bedrohungen von politisch aktiven Menschen und Mandatsträger:innen. Insbesondere Kommunalpolitiker:innen sind häufig Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt.

Leicht höhere Hürden für Auskunftsanfragen

Wer künftig eine aktuelle Privatanschrift bei den Meldeämtern erfragen will, soll mehr Angaben über die gesuchte Person machen müssen als bisher. Aktuell müssen die Auskunftssuchenden Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Geschlecht oder die Anschrift der gesuchten Person nennen. Nach dem Gesetzentwurf sollen dann entweder die Adresse oder zwei andere Angaben nötig sein – beispielweise Geburtsort und Einzugsdatum.

Das soll die Hürden höher legen, einige warnen jedoch davor, dass daher gerade im geschäftlichen Bereich mehr Daten als bisher erhoben werden könnten – damit die Geschäftspartner im Nachhinein eine Meldeauskunft beantragen dürfen, wenn es nötig wird. So schreibt der Branchenverband Bitkom in seiner Stellungnahme: „Eine Erfassung dieser Daten würde zu zusätzlichem Aufwand und Bürokratie führen. Außerdem würden durch die Erhebung zusätzlicher persönlicher Daten der Datenschutz sowie der Grundsatz der Datensparsamkeit ad absurdum geführt.“

Die Bundesdatenschutzbeauftragte weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Konferenz der Datenschutzbeauftragten schon lange ein Widerspruchsrecht der Betroffenen gegen Auskunftsanfragen fordert. Damit könnten sie eine Datenübermittlung verhindern, so lange es keinen berechtigten Grund für die Auskunft gibt. Erweiterte Meldeauskünfte könnten sogar immer an ein rechtliches Interesse gebunden sein. Darauf wies auch Andreas Hartl hin, der für die Behörde an der Sachverständigenanhörung teilnahm.

Warum gibt es ohne berechtigtes Interesse überhaupt eine Auskunft?

Im Gegensatz zu einer einfachen Auskunft enthalten die erweiterten Daten unter anderem Angaben zu früheren Adressen der abgefragten Person und Anschriften von Lebenspartner:innen. Bisher muss dafür ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden. Ein rechtliches Interesse besteht beispielsweise dann, wenn es um eine juristische Auseinandersetzung geht und jemand Schadensersatzforderungen gegen eine Person durchsetzen will.

Kai Dittmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte stellte in der Sitzung die Gegenfrage, um das Problem zu illustrieren: „Warum sollte denn eine Adresse herausgegeben werden, wenn es kein berechtigtes Interesse gibt?“ Möglichen Sorgen vor einem hohen bürokratischen Aufwand für die Meldebehörden, die Auskunftsanträge prüfen müssen, stellte er entgegen, dass in den meisten Fällen die Lage klar sein. Bei Interessen von Unternehmen könnten diese etwa schlicht eine zu begleichende Rechnung vorlegen.

Vier statt zwei Jahre für Auskunftssperren

Um sich aktiv vor Adressausforschungen zu schützen, konnten Betroffene in der Vergangenheit eine Auskunftssperre für zwei Jahre beantragen. Diese Geltungsdauer soll auf vier Jahre verlängert werden, um Betroffene als auch Behörden zu entlasten. Damit akut Gefährdete während des Antrags auf eine Sperre nicht schutzlos dastehen, soll es außerdem vorläufige Auskunftssperren geben, bis eine Entscheidung über den Antrag gefallen ist.

Dem Verein Frauenhauskoordinierung e. V. gehen die geplanten Regelungen nicht weit genug. Der Verein wünscht sich eine automatische Sperre für gewaltbetroffene Frauen, nicht nur solange sie sich in einem Frauenhaus aufhalten. Außerdem macht die Frauenhauskoordinierung in ihrer Stellungnahme darauf aufmerksam, dass bei einer erfolgreichen Auskunftssperre dennoch die Adressen von Schutzhäusern bei der Wohnsitzanmeldung angegeben werden müssen. Außerdem ergäben sich Probleme, wenn etwa Jugendämter und Gerichte die Sperre nicht ausreichend beachten und Adressen auf Dokumente drucken.

„Die Klaradresse von Frauenhäusern darf nicht registriert und in Verkehr gebracht werden“, fordert der Verein und schlägt mehrere Lösungsansätze vor. Es könne bei der Anmeldung beispielsweise die offizielle Anschrift des Trägers angegeben werden und nicht die konkrete Adresse des Schutzhauses selbst.

Mandatsträger besser geschützt

Wer ein Mandat für EU, Bund, Länder oder Kommunen ausfüllt, soll laut dem Entwurf fortan routinemäßig genauso behandelt werden wie andere, die aufgrund ihres Berufs oder Engagements gefährdet sind. Einigen Sachverständigen ist das nicht genug. So plädierte Josephine Ballon, Geschäftsführerin von HateAid, darauf, die standardmäßig Schutzbedürftigen auszuweiten. Als Beispiel nannte sie Journalist:innen, die häufig Anfeindungen ausgesetzt sind. Die Abwägung müsse breiter auf gesellschaftliches Engagement abgestellt werden.

Dittmann nannte außerdem Menschen als generell schutzbedürftig, die in Beratungsstellen für Gewaltbetroffene arbeiten. Häufig gefährdet seien auch Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Außerdem könne es schon bei Kandidierenden für politische Ämter Probleme geben, diese wären aber von der Neuregelung bisher nicht erfasst. Neben ihm forderte Heiko Teggatz von der Deutschen Polizeigewerkschaft eine Ausweitung auf Polizeibeamt:innen. Auch sie seien häufig Opfer von Anfeindungen und Übergriffen.

Keine einheitliche Praxis

All diese Personen können zwar bereits jetzt eine Sperre beantragen, müssen aber individuell begründen, warum sie eine Auskunftssperre benötigen. Ob eine Behörde das anerkennt, ist offenbar nicht einheitlich. Ballon von HateAid wies darauf hin, dass die Genehmigung von Sperren je nach Behörde sehr unterschiedlich gehandhabt werde. Während manche Ämter bei plausibler Begründung ohne große Hindernisse beantragte Sperren anlegen, müssen Betroffene in ähnlichen Situationen anderswo ihre Auskunftssperren einklagen. Bei den Personen entstehe außerdem der Eindruck, dass „das Kind erst in den Brunnen gefallen sein muss“ – also dass sie sich bereits in einer konkreten Gefahr befinden müssen, um geschützt zu werden. HateAid empfehle in der Beratungsarbeit den Betroffenen, den Ämtern ihre Kommentarspalten oder Hass-Mails auszudrucken.

Nicht enthalten im Gesetzentwurf ist eine Überarbeitung der immer wieder kritisierten Impressumspflicht. Dort müssen viele Website-Betreiber:innen eine Privatadresse angeben, die sie potenziell verwundbar macht. Die Chance, das Problem im Digitale-Dienste-Gesetz zu behandeln, blieb ungenutzt. Eine geforderte Regelung über das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt ist nun aufgrund des Regierungsbruchs nicht mehr zu erwarten.


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