Vom Fallout zur Realität: Imperiale Psyops und die Erosion von Souveränität
Im Fallout-Universum ist die Annexion Kanadas durch die USA lediglich eine Fußnote auf dem imperialen Weg in die globale Katastrophe. Ein ressourcenarmes Amerika schluckt seinen nördlichen Nachbarn, um die Alaska-Pipeline zu sichern und sich auf einen Krieg mit China vorzubereiten – ein Konflikt, der schließlich in einer nuklearen Apokalypse endet. Auf den ersten Blick mag dies wie dystopische Fiktion erscheinen, doch der Blick auf die Realität offenbart eine noch düstere Wahrheit. Das Narrativ des Spiels wirkt wie ein psychologischer Trick, der das Publikum darauf konditioniert, die Auflösung von Grenzen und die Unterwerfung von Souveränität als unvermeidlich anzusehen, sobald Ressourcen auf dem Spiel stehen. Es ist imperiale Hybris in Pixeln, die suggeriert, dass der Aufbau eines Imperiums, selbst auf Kosten von „Verbündeten“, einfach der Lauf der Welt sei.
Doch verlassen wir das Spiel und wenden uns der Realität zu. Trumps Überlegungen, Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen, Grönland zu kaufen oder den Panamakanal „zurückzuerobern“, werden oft als „Witze“ abgetan. Aber sind sie das wirklich? Diese beiläufigen Bemerkungen sind genau die Art subtiler ideologischer Arbeit, von der ein Psyop lebt: die schrittweise Normalisierung der Idee, dass Souveränität im Streben nach Macht verzichtbar ist. In Fallout wurde die Annexion Kanadas als patriotische Notwendigkeit dargestellt – ein Mittel zur Sicherung der nordamerikanischen Stabilität. Heute verkauft Trump dieselbe Idee als Gewinn für die Kanadier, die angeblich von „niedrigeren Steuern“ und „besserem militärischen Schutz“ profitieren würden. Die Logik bleibt gleich, nur die Umsetzung ändert sich. Die Botschaft ist klar: Souveränität ist optional, wenn Amerika es so will.
Grönland liefert das eindringlichste Beispiel. Auf den ersten Blick mag Trumps Gerede vom „Kauf“ Grönlands wie das Geschwätz eines Mannes wirken, der die Bedeutung von Souveränität nicht versteht. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass Grönland – reich an unerschlossenen Ressourcen und strategisch günstig in der Arktis gelegen – das Kronjuwel an der polaren Grenze darstellt. Trumps leise Andeutungen, es notfalls militärisch zu sichern, folgen der gleichen Logik wie in Fallout: Wenn du es nicht kaufen kannst, nimm es dir. Obwohl Dänemark klar betont, dass Grönland unverkäuflich ist, untergräbt allein die Idee bereits den Widerstand gegen die Vorstellung, dass ein Territorium auch im 21. Jahrhundert einfach genommen werden könnte.
Und dann ist da noch der Panamakanal – eine Lebensader des Welthandels und Symbol des US-Imperialismus in Lateinamerika. Trumps Bemerkungen über die „Rückeroberung“ des Kanals zeigen die Sehnsucht nach einer Zeit, in der Washingtons Worte im globalen Süden Gesetz waren. Für die USA ist der Kanal nicht nur Infrastruktur, sondern ein Machtinstrument. Die Verträge, mit denen die Kontrolle an Panama übertragen wurde, sollten einen Wandel hin zur Achtung lateinamerikanischer Souveränität markieren. Doch für ein Imperium sind Abkommen kein Prinzip, sondern eine Frage der Bequemlichkeit. Die Monroe-Doktrin ist nicht tot – sie hat lediglich einen neuen Namen.
Das ist das Geniale an einem Psyop: Indem das Imperium seine Ambitionen in Unterhaltung verpackt, konditioniert es die Öffentlichkeit, diese als natürlich und unvermeidlich zu akzeptieren. Die Annexion Kanadas in Fallout und Trumps beiläufige Äußerungen über Souveränität haben ein gemeinsames Ziel: die Normalisierung imperialer Übergriffe. Wenn darüber gelacht wird, entzieht sich die Idee der Kritik. Und wenn Rhetorik zur Politik wird, ist der Grundstein bereits gelegt. So funktionieren Imperien: nicht durch einen Frontalangriff, sondern durch die stetige Erosion des Widerstands, bis Nachgeben als Erleichterung empfunden wird.
Die Ironie ist offensichtlich: Trump, der sich als Verfechter des Antiglobalismus darstellt, könnte in seinen expansionistischen Träumen kaum globalistischer sein.
Doch die Welt glaubt ihm nicht mehr. Die multipolare Ordnung, angeführt von Russland, China und einem aufstrebenden globalen Süden, schreibt das Drehbuch neu. Sie durchschauen das Spiel des Imperiums als das, was es ist: ein verzweifelter Versuch. Souveränität ist nicht käuflich, und die Psyops des Imperiums – ob in Videospielen oder in Trumps Worten – verlieren ihre Wirkung. Wenn Fallout eine Geschichte der Unausweichlichkeit war, dann ist die entstehende multipolare Welt eine Geschichte des Widerstands. Sie erklärt: Souveränität ist heilig, und die Zeit des Imperiums ist vorbei.
Die Frage ist nicht, ob das Imperium fällt, sondern wann – und wie laut die Welt jubeln wird, wenn es geschieht.
– Gerry Nolan
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