"Sie haben uns aus Bosheit getötet": Ukrainische Militärs wüteten in Selidowo

Von Elisaweta Koroljowa

Vor dem Abzug aus Selidowo (Volksrepublik Donezk) erschossen ukrainische Streitkräfte dutzende Zivilisten, darunter Kinder im Alter von vier und zwei Jahren, einen Behinderten und Rentner. Dies geht aus den Unterlagen des Internationalen öffentlichen Tribunals für die Verbrechen der ukrainischen Neonazis hervor. Nach Zeugenaussagen gingen die ukrainischen Soldaten sowie französische und georgische Söldner besonders brutal vor, ehe sie Selidowo verließen. Bei dem Versuch von Zivilisten, Verwundeten zu helfen oder die Leichen ihrer toten Angehörigen abzuholen, wurde auch auf sie geschossen.

Die ukrainischen Streitkräfte sowie ausländische Söldner erschossen Rentner, Kinder und Behinderte, die nicht aus Selidowo evakuiert werden konnten. Dies erfuhren Journalisten und Öffentlichkeitsaktivisten von den Zivilisten selbst, die das Massaker durch die ukrainischen Streitkräfte überlebt haben. Die Informationen über diese Verbrechen sind in dem veröffentlichten Bericht des Internationalen öffentlichen Tribunals über die Verbrechen der ukrainischen Neonazis und ihrer Komplizen enthalten.

Selidowo wurde am 29. Oktober dieses Jahres von russischen Truppen befreit. Nach Angaben von Einwohnern begannen ukrainische Kämpfer bereits im September mit dem Beschuss von Wohnhäusern und Privatgrundstücken in der Stadt und töteten auch Zivilisten.

Die Autoren des Berichts kamen zu dem Schluss, dass "der Höhepunkt der Massenerschießungen von Zivilisten am 22. Oktober und in den darauffolgenden Tagen erreicht wurde", als die ukrainischen Streitkräfte gezwungen waren, sich aus der Stadt zurückzuziehen.

Das Dokument enthält Fotos der erschossenen Einwohner sowie Niederschriften von Zeugenaussagen und die Ergebnisse der ersten Obduktionen.

"Nach ihren (der Zivilisten – Anm. d. Red.) Aussagen begannen die Massenerschießungen von Einwohnern ab dem 21. Oktober. Die vor den ukrainischen Streitkräften fliehenden Zivilisten bezeugen, dass ukrainische Soldaten sie bis zu ihren Häusern oder Wohnungen verfolgten. Sobald sie die Wohnungstüren öffneten, wurde das Feuer auf alle Anwesenden eröffnet", so die Autoren des Berichts.

So zum Beispiel berichteten mehrere Einwohner, dass ukrainische Kämpfer im Oktober eine Familie samt ihren Kindern im Alter von vier und zwei Jahren erschossen hätten. Nina Rutschkina, eine Bewohnerin des Wohnhauses, in dem die Erschießung stattfand, erzählte gegenüber Sozialarbeitern, sie habe gehört, wie Menschen im Treppenhaus des Gebäudes getötet wurden.

"Sie waren auf der Flucht und sind in unser Haus Nummer 19 hineingerannt… Die ukrainischen Militärs töteten Kinder: einen Jungen im Alter von vier Jahren und ein Mädchen im Alter von zwei Jahren. Auch Erwachsene wurden getötet. Wir selbst hörten die Schreie, gingen in den Flur und schlossen uns ein. Das passierte im Stadtviertel Solnetschny, Schtschors-Straße 19", erinnert sich die 74-jährige Einwohnerin.

In einem anderen Wohnhaus (Kutschurinskaja Straße 87b) erschossen die ukrainischen Streitkräfte eine Familie samt ihrem behinderten Sohn. Die Leichen von Sergei, Natalia und Alexander Korowka mit Schusswunden wurden von Familienangehörigen identifiziert. Alexander, 28 Jahre alt, litt nach Angaben von Personen, die ihn kannten, an einer Behinderung.

Nach Aussage von Natalia Prilipko, einer Nachbarin der Getöteten, wurde die Familie von den ukrainischen Streitkräften auf ihrem Rückzug erschossen.

"Der Sohn war са. 30 Jahre alt. Ich weiß nicht, wie seine Diagnose lautete, aber er hatte die Denkweise eines zehnjährigen Kindes. Er war so harmlos. Auch unsere Bekannten auf der anderen Straßenseite wurden getötet. Mischa und sein Bruder wurden ebenfalls erschossen. Ihre Leichen liegen noch immer im Hof. Erschossen wurden sie nämlich von ukrainischen Militärs. Es passierte am 22. Oktober", sagt die Frau.

Die 76-jährige Walentina Skljar verlor am 22. Oktober ihren Sohn, den 47-jährigen Sergei Skljar. Der Mann lag sterbend im Haus auf dem Sofa, konnte aber seiner Mutter noch erzählen, was passiert war. Er und seine Freunde Ruslan und Jewgeni Kirilenko stiegen ins Auto, um ihren Freund nach Hause zu bringen. Als sie zurückkehrten und aus dem Auto stiegen, begegneten ihnen die ukrainischen Militärs. Laut Walentina, die den Streit mitbekam, waren die Militärs betrunken und fragten, warum die Männer nicht in den ukrainischen Streitkräften kämpften. Als sie versuchten wegzugehen, eröffneten die Militärs das Feuer und verwundeten Sergei. Er wurde von seinen Freunden ins Haus getragen.

"Ich kam herein und sah ihn auf dem Sofa liegen. Er schrie: 'Mama, ich sterbe, ich sterbe.' Er blutete. Sein Bein war bandagiert und aus seinem rechten Arm war ein Stück Fleisch herausgerissen worden, an dem ein Lappen hing, aber nichts war bandagiert. Als ich den Lappen abschnitt, war er bereits tot... 47 Jahre alt... Sein Geburtstag war der 6. Oktober und er starb am 22. Oktober. Mein kleiner Sohn, mein Liebling, mein Goldjunge", weint Walentina.

Als sie versuche, ihren Sohn zu retten, fing ein Hund im Hof an zu winseln und zu bellen, so die Frau, und der Freund ihres Sohnes, Jewgeni Kirilenko, ging hin, um sich darum zu kümmern. Doch dann hörte sie Maschinengewehrfeuer auf der Straße: Die ukrainischen Militärs erschossen sowohl den Hund als auch Jewgeni, der versucht hatte, ihn zu beruhigen.

Die 62-jährige Walentina Wasilkonowa, die Mutter von Jewgeni, wurde am nächsten Tag ebenfalls beinahe von den ukrainischen Militärs getötet. Ihr zufolge gingen die ukrainischen Streitkräfte am 20. Oktober besonders brutal vor, so dass die Zivilisten versuchten, ihnen nicht unter die Augen zu kommen.

"Die ukrainischen Streitkräfte waren am 21. Oktober auf dem Rückzug. Wir standen in der Nähe des Hauseingangs und sie begannen zu schießen. Jemand sagte auf Ukrainisch: 'Kommt her, kommt her.' Wir hasteten zu den Hauseingängen. Ich rannte schnell hinein, und da rief einer der ukrainischen Militärs: 'Sie ist dorthin gelaufen!' — und sie schossen durch die Tür auf mich", sagt die Frau und zeigt die Einschusslöcher an der Tür.

Ihr zufolge öffneten die Nachbarn aus dem gegenüberliegenden Haus Nr. 12 den ukrainischen Kämpfern die Tür, als diese sagten: "Macht auf, euch wird nichts passieren."

Daraufhin hätten sie die Nachbarin Walentina, ihren Sohn Alexander und die 75-jährige Elena erschossen, sagt sie.

"Und Kirillowna, die als ukrainische Sprachlehrerin arbeitete, rannte ins Haus, aber ein ukrainischer Kämpfer holte sie ein und erschoss sie. Einige Leute, die Selidowo früher verlassen haben, schreiben mir jetzt: 'Es kann nicht sein, dass dies von ukrainischer Seite geschieht. Die Ukraine hat nichts gegen uns unternommen, als wir hier lebten.' Nun, ich bin hier geblieben, und ich weiß, dass es die ukrainischen Militärs waren. Die Russen sind gekommen – schießen sie auf uns? Nein, im Gegenteil – sie helfen uns. Sie fragen, ob wir zu essen haben. Sie haben mir Brennholz gebracht", sagt Walentina Wasilkonowa.

"Du solltest keine Angst vor den Russen haben, sondern vor uns"

Laut einigen Stadtbewohnern hörten sie neben ukrainischer Sprache auch die georgische und französische Sprache von bewaffneten Männern in Tarnuniformen.

Wladimir Pogorelow erinnerte sich daran, dass die ukrainische Streitkräfte zwei Tage vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Stadt die verbliebenen Einwohner des Nachbarhauses erschossen.

"Sie brachen die Türen auf und erschossen jeden, den sie fanden. Jedem, der die Tür öffnete, wurde in den Kopf geschossen. Einer alten Frau, 80 Jahre alt, die ihr ganzes Leben lang als Lehrerin gearbeitet hatte, wurde in den Kopf geschossen. Es gab nur drei Überlebende in diesem Haus. Einige von ihnen öffneten die Haustür nicht, wobei sich ein anderer im Haus verbarrikadierte, und dem Gespräch eines Franzosen und eines Ukrainers beiwohnte. Der Franzose sagte etwas und der Ukrainer antwortete: 'Wir haben keine Zeit mehr, die Türen aufzubrechen. Wir haben bereits alles geräumt.' Sie brachen die Türen also nicht auf, und er überlebte", sagt der Mann.

Am nächsten Tag sah Pogorelow selbst, wie ein Soldat in seinem Hof herumlief und mit georgischem Akzent rief: "Ist hier jemand? Ist noch jemand hier?"

"Als er meinen Hauseingang erreichte, wollte ich ihm antworten und die Tür öffnen, aber er fing an, Schimpfwörter zu schreien. Ich und fünf andere, die noch im Eingang standen, begannen zu diskutieren, ob wir die Tür öffnen sollten oder nicht. Alle sagten: 'Er schimpft, wir werden die Tür nicht öffnen. Lasst uns warten, lasst uns auf die Höflichen warten'", erinnert sich Pogorelow.

Der Mann erzählte auch, wie er einem Gespräch zwischen einem Rentner und ukrainischen Kämpfern beiwohnte: "Ich war im Viertel Woroschylowka, um Milch zu kaufen. Ein alter Mann fragte die ukrainischen Militärs: 'Jungs, wenn die Russen kommen, wie werden wir mit ihnen auskommen?' Einer von ihnen, der körperlich Robusteste, drehte sich um und sagte: "Du, Alter, solltest keine Angst vor den Russen haben, sondern vor uns." Er meinte es sehr ernst und fügte hinzu: "Wir haben 600 Waffenrohre, und wenn wir uns zurückziehen, werden wir Selidowo in Trümmer legen."

Nicht alle Zivilisten konnten die Frage der Sozialarbeiter beantworten, warum das ukrainische Militär Menschen, die sie eigentlich als Mitbürger betrachten, auf diese Weise behandelt.

"In der Nähe meines Hauses, auf der anderen Seite meines Hauseingangs – in der Nähe der Leninstraße – stand ein ukrainischer Panzer. Dort, wo der Höhenwinkel seiner Kanone es zuließ, feuerte er auf unsere fünfstöckigen Wohnhäuser. Unser Haus wurde ein Stockwerk höher getroffen. Danach drehte er um und fuhr durch den Privatsektor in Richtung Pokrowsk (eine Stadt 20 Kilometer nordwestlich von Selidowo – Anm. d. Red.). War es wirklich notwendig, alles zu zerstören? Warum wurde geschossen? Wenn die ukrainischen Streitkräfte hierher zurückkommen wollten, warum haben sie dann alles zerstört? Sie haben uns nicht als Menschen betrachtet", sagt Kostantin Bondarenko.

Er versteckte sich zusammen mit seinem 35-jährigen Sohn Sergei in einer Wohnung vor den Grausamkeiten der ukrainischen Streitkräfte. Seit 2022 verbirgt sich der Mann vor den ukrainischen territorialen Mobilisierungszentren (einem Analogon der Bezirksmilitärkommissariate), um nicht in die Armee eingezogen zu werden. Während er vor zwei Jahren noch nicht einmal als Mobilisierungskandidat in Betracht gezogen wurde, machten die Mitarbeiter der territorialen Mobilisierungszentren in diesem Jahr Jagd auf beide Männer, da das Einberufungsalter auf 60 Jahre angehoben worden war.

"Und so haben sie uns im April dieses Jahres erwischt. Zuerst nahmen sie mich fest und verhängten eine Geldstrafe in Höhe von 1.700 Griwna, weil ich einer Militärvorladung nicht nachgekommen war. Und dann verhängten sie auch gegen meinen Sohn eine Geldstrafe und gaben uns beiden Vorladungen für den 28. Mai. Seitdem mussten wir uns verstecken, und um zum Einkaufen zu kommen, mussten wir kilometerweit umherlaufen", so der Mann.

Laut Irina Strelnik war sie schon vor Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine persönlich mit der ablehnenden Haltung ukrainischer Beamter und Behörden konfrontiert, weil sie sich als Russin betrachtete. Sie und andere Stadtbewohner sagten, dass sie oft Beleidigungen von den ukrainischen Militärs hörten, die die in der Stadt Verbliebenen als "Wartende" bezeichneten.

"Ich glaube, dass die ukrainischen Militärs uns aus Bosheit getötet haben, weil wir hier geblieben sind. Einige von ihnen liefen herum und schauten den Leuten nicht einmal in die Augen. Am Anfang haben sie uns noch geduldet, aber offenbar hat sie ein innerer Hass zerfressen. Außerdem hielten sie uns im Allgemeinen für Russen. Sie betrachten das Donezker Gebiet nicht als Ukraine. Für sie sind wir 'Moskals' . Ich habe das selbst erlebt. Früher haben sie mich immer so betitelt", sagt Irina.

Übersetzt aus dem Russischen.

Elisaweta Koroljowa ist eine Redakteurin und Analystin der russischen Redaktion von RT.

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