"Man nannte mich das Mädchen" – Zurückgetretener OB beklagt politische Kultur

Der parteilose Neubrandenburger Oberbürgermeister Silvio Witt, der in der vergangenen Woche seinen Rücktritt zum 1. Mai 2025 verkündet hatte, hat die politische Kultur in seiner Stadt und insbesondere im Stadtrat scharf kritisiert. In einem Interview mit der FAZ erklärte Witt, man habe mit Unterstellungen, Schmähungen, Beleidigungen und Vorwürfen gegen ihn gearbeitet:

"Man nannte mich das Mädchen, den Kleinen, das Männchen – und das alles im höchsten Gremium der Stadt, in der Stadtvertretung."

Von dieser Kritik nimmt der offen homosexuell lebende Bürgermeister keine Partei aus:

"Da ist eine Stimmung kreiert und von allen Parteien zugelassen worden, die mit einer konstruktiven Zusammenarbeit nichts zu tun hat."

In der vergangenen Woche hatte die Stadtvertretung beschlossen, das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Bahnhof der Stadt zu verbieten. Einen Tag nach dem Beschluss hatte Witt seinen Rückzug angekündigt.

Im Gespräch mit der FAZ erklärte der Oberbürgermeister, dass der Beschluss zur Regenbogenflagge nur "am Ende einer langen Kette von Ereignissen" zu seinem Rückzug beigetragen habe. Eine zentrale Rolle hätten dabei soziale Netzwerke gespielt, in denen "der Teufel los" sei. Auf Facebook habe er Sprachnachrichten mit extremen Beleidigungen erhalten, die er dutzendfach zur Anzeige gebracht habe.

Witt rief auch zum Kampf gegen die AfD auf, die seit der Wahl im Juli 2024 die stärkste Kraft im Stadtrat ist. Die "demokratischen Parteien" dürften sich nicht bei der AfD anbiedern und mit ihr nicht verhandeln, so der Oberbürgermeister, der auch vor schiefen historischen Vergleichen nicht zurückschreckte:

"Ihr dürft sie nicht als Verhandlungspartner akzeptieren. Das ist schon einmal schiefgegangen und das wird wieder schiefgehen. Die AfD wird damit nicht schwächer, sondern stärker."

Es sei auch falsch zu behaupten, AfD-Vertreter seien auch gewählt und normale Menschen, mit denen man doch wenigstens auf kommunaler Ebene verhandeln könne:

"Die stellen unseren Staat infrage. Die stellen meine Lebensweise infrage, das, was Artikel eins des Grundgesetzes schützt, die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die wollen mir sagen, Du darfst Dich in der Öffentlichkeit nicht so zeigen, wie Du bist. Die bringen Extrembeispiele von Menschen in Fetischklamotten und sagen, so sei das normal bei Homosexuellen. Und die Leute glauben das."

Mehr zum Thema ‒ Selbstbestimmungsgesetz: Die menschenfeindliche Welt der neuen Pronomen

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