Interne Dokumente: TikTok ist sich seines Suchtpotenzials offenbar bewusst

Das Suchtpotenzial von TikTok auf junge Nutzer:innen ist umstritten. Nun sind die Ergebnisse interner Untersuchungen öffentlich geworden. Sie zeigen, wie das Unternehmen die Risiken der Plattform und eigens ergriffene Gegenmaßnahmen bewertet.

Ein dunkles Handy mit TikTok-Logo vor einer verschwommenen China Flagge.
Die Videoplattform TikTok ist umstritten. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Solen Feyissa

Aktuell verklagen die Generalstaatsanwälte von 13 US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington, D. C. TikTok. Sie werfen dem sozialen Netzwerk vor, Kinder und Jugendliche bewusst süchtig zu machen.

Nun hat das US-Rundfunknetzwerk National Public Radio (NPR) Inhalte aus einem Gerichtsdokument veröffentlicht. Demnach ist TikTok das Suchtpotenzial der Video-Plattform für Jugendliche bekannt. Und offenbar zeigen Präventionsmaßnahmen des Unternehmens bislang kaum Wirkung.

Die Details sind wegen einer Kommunikationspanne öffentlich geworden, weil Angaben in einem Dokument nur unzureichend unkenntlich gemacht worden waren.

Süchtig in angeblich nur 35 Minuten

Das Dokument enthält interne E-Mails, Untersuchungen und Präsentationen von TikTok. Sie geben einen Einblick darüber, wie es um das unternehmensinterne Wissen hinsichtlich möglicher Risiken für junge Nutzer:innen steht.

Den Untersuchungen zufolge geraten junge Menschen schon in eine Abhängigkeit, wenn sie in geringer Zeit mehr als 260 Videos ansehen. Aufgrund der charakteristisch kurzen Dauer von TikTok-Videos könnte dies demnach bereits nach 35 Minuten geschehen.

Um dem Suchtpotenzial entgegenzuwirken, hat die Plattform mehrere Präventionsmaßnahmen in der App eingebaut. Eine davon ist die automatische Limitierung der Bildschirmzeit für Minderjährige auf 60 Minuten pro Tag. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine wegklickbare Nachricht in der App.

In den veröffentlichten Gerichtsunterlagen findet sich eine von TikTok durchgeführte Untersuchung, wonach dieses Mittel kaum Wirkung zeigt: Die durchschnittliche Nutzungsdauer unter Jugendlichen hat sich dadurch um gerade einmal 1,5 Minuten auf insgesamt 107 Minuten pro Tag verringert.

Geopolitischer Konflikt im Internet

Die US-Regierung sieht TikTok seit Jahren zusehends kritisch. Im April dieses Jahres verabschiedete Präsident Joe Biden ein Gesetz, das die chinesische Mutterfirma ByteDance vor ein Ultimatum stellt: Entweder sie verkauft die App oder TikTok wird in den USA verboten.

Bürgerrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen der US-Regierung als Zensur. Aus ihrer Sicht geht es der Regierung vor allem darum, den geopolitischen Schlagabtausch mit China über das Internet auszutragen – und dazu eine der beliebtesten Plattformen der USA aus dem Land zu drängen.

Gerichtsdokumente nur unzureichend geschwärzt

Der Konflikt wird auch vor US-Gerichten ausgetragen. Mehrere US-Bundesstaaten beschuldigen TikTok, Kindern und Jugendlichen zu schaden. Aus dem Fall in Kentucky liegt NPR ein 119-seitiges Gerichtsdokument vor. Große Teile des Dokuments waren unkenntlich gemacht worden, allerdings nur unzureichend. Eine Reporterin kopierte den geschwärzten Text aus dem Gerichtsdokument und fügte ihn lesbar in ein neues Dokument ein.

Ein TikTok-Sprecher sagte gegenüber der Associated Press, dass es unverantwortlich sei, ein solches Dokument zu veröffentlichen. Außerdem würde die Berichterstattung irreführende Zitate herauspicken und veraltete Dokumente aus dem Kontext reißen.

Ein US-Bundesgericht ordnete auf Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft mittlerweile an, die Beschwerde zu versiegeln, um weitere Leaks zu verhindern.


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