Von Irina Alksnis
Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos geschieht diese Woche etwas Mysteriöses. Das Wort "Scheitern" hat noch niemand ausgesprochen, aber die westlichen Medien berichten bereits offen und massenhaft über "tief sitzende Probleme".
Dies ist umso interessanter, als die Ankündigungen der Veranstaltung optimistisch und bravourös waren. Eine Rekordzahl von mehr als 2.700 Teilnehmern, darunter mehr als 50 Staats- und Regierungschefs, hatte sich zu dem Forum angemeldet. Vor einer Woche schrieb Reuters abfällig, dass China in Abwesenheit der Russen voraussichtlich stark vertreten sein werde.
Und dann holte die Realität die Optimisten ein. Nein, das Forum war zwar gut besucht, aber entscheidend ist nicht die Quantität, sondern die Qualität der Teilnehmer. Und diesbezüglich liegt so manches im Argen.
Erst letzte Woche kündigte ausgerechnet George Soros, für den ein Besuch in Davos jahrelang ein Muss war, plötzlich und unerwartet an, dem WEF fernzubleiben. Der berüchtigte Milliardär und eine der Symbolfiguren der transnationalen Wirtschaft sprach von einem "unüberwindbaren Terminkonflikt" und versprach, in einem Monat auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu sprechen.
Dann stellte sich heraus, dass von den G7-Staatschefs nur der deutsche Bundeskanzler in die Schweiz reisen wird. Am Sonntag sagte der Präsident Südafrikas, übrigens die größte Volkswirtschaft Afrikas, seine Reise zum WEF wegen der anhaltenden Energiekrise ab.
Am Montag, dem Tag der Eröffnung der Veranstaltung, schlug schließlich eine Nachrichtenbombe von Bloomberg ein. Die Nachrichtenagentur fand heraus, dass kein einziger chinesischer Geschäftsmann nach Davos kommen wird. Schlimmer noch: Die chinesische Delegation wird von dem scheidenden Vizepremier Liu He geleitet, der seine letzten zwei Wochen in diesem Amt verlebt.
Alles in allem ist das fast völlige Fehlen hochkarätiger Teilnehmer beim diesjährigen Forum so eklatant, dass es durch nichts zu kaschieren ist. Anstelle von Präsidenten und Premierministern der Großmächte kamen in diesem Jahr allerdings eine ganze Reihe von Geschäftsleuten nach Davos – 116 Milliardäre hatten sich angemeldet, 40 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Bloomberg beklagte, dass die Zahl noch höher gewesen wäre, wenn die einbrechenden Märkte nicht viele Milliardäre inzwischen zu Millionären gemacht hätten.
Die Experten sagen ehrlich: Dieses Übergewicht der Wirtschaft unterstreicht nur den offensichtlichen Bedeutungsverlust des WEF, der die De-Globalisierung widerspiegelt, die die Welt erfasst hat. Ganz einfach weil das Davoser Forum selbst seit einem halben Jahrhundert ein Symbol der Globalisierung ist.
Für Davos und seine Organisatoren scheint die Situation jedoch noch trauriger zu sein.
Was ist Globalisierung überhaupt? Welches Format haben die Theoretiker und Praktiker des Globalismus in den letzten Jahrzehnten gefördert?
Es sollte ein Netz von internationalen Strukturen geschaffen werden, an die Befugnisse, die bisher ausschließlich dem Staat vorbehalten waren, schrittweise, aber konsequent delegiert werden sollten. In der Folge sollten die wichtigsten Entscheidungsbereiche auf die supranationale Ebene verlagert werden, was die Abschaffung der nationalen Souveränität der teilnehmenden Staaten bedeuten würde. Der Hauptnutznießer des neuen Systems wäre das transnationale, globale Kapital, das über ein riesiges Konglomerat von Strukturen – von der WTO bis zur WHO, von der EU bis zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP) – den Planeten und die lokalen Regierungen beherrschen würde.
Im Großen und Ganzen verliefen die Entwicklungen planvoll in diese Richtung. Die Globalisten mit ihren Konzepten des Transhumanismus, der Geburtenkontrolle, des bezahlten Zugangs zu frischem Wasser und anderen "attraktiven" Ideen haben es geschafft, sich zu einem der furchterregendsten Schreckgespenster der Menschheit zu entwickeln. Und das wachsende politische Gewicht von Veranstaltungen wie dem WEF, der die einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt anzieht, hat die Ängste der Öffentlichkeit noch verstärkt.
Und nun ist dieser jahrzehntelange Ruf wie ein Luftballon zerplatzt, nur weil die Führer der führenden Mächte nicht nach Davos gekommen sind. In der unipolaren Welt war es für das transnationale Kapital in der Tat einfacher, den angestrebten Status der Weltmacht für sich zu beanspruchen: Mit manchen nationalen Eliten konnte man verhandeln, andere konnte man überreden, wieder andere konnte man kaufen. Doch nun, da das System zerfällt, wird gleichzeitig die Realität enthüllt, die zeigt, wer tatsächlich über das Schicksal einzelner Länder und des gesamten Planeten bestimmt und wer seinen Platz in den backing vocals hat.
In diesem Sinne ist die Absage von Soros' traditioneller Reise zu diesem Forum äußerst bezeichnend. Der abgebrühte Geschäftsmann hat vor allen anderen erkannt, dass es in Davos niemanden gibt, mit dem man verhandeln und die gewünschten Lösungen erreichen kann, was bedeutet, dass es keinen Sinn hat, dorthin zu fahren. Es wäre reine Zeitverschwendung.
Seine naiveren und unerfahreneren Kolleginnen und Kollegen überschwemmten den Schweizer Ferienort und sorgten auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum auf eine besondere Weise für Schlagzeilen: Durch eine fieberhafte Nachfrage nach spezifischen Dienstleistungen von Mädchen (und Jungen) mit geringer sozialer Verantwortung. Viel mehr gab es aus Davos auch nicht zu berichten.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel erschien im Original auf ria.ru.
Irina Alksnis ist eine russische Politologin und Publizistin. Sie stammt aus einer berühmten lettisch-sowjetischen Politikerdynastie ab.
Mehr zum Thema - Alles ruhig an der (panischen) Westfront – Pepe Escobar über Weltwirtschaftsforum in Davos
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