Verschwörungstheoretiker hatten recht: Der Tiefe Staat tritt aus dem Schatten

Von Wladimir Kornilow

In den nächsten Tagen werden die Niederlande, die als "das liberalste Land der Welt" gelten, einen neuen Premierminister bekommen. Damit endet eine mehr als sechsmonatige Saga, während der die Sieger der Novemberwahlen versuchten, auf der Grundlage ihrer Ergebnisse eine Regierung zu bilden.

Bemerkenswert an dieser Geschichte ist die Tatsache, dass der Premierminister letztendlich ein Mann sein wird, der mit den Wahlen überhaupt nichts zu tun hatte! Kurz gesagt: die Entscheidung von Millionen niederländischer Wähler wird nun einfach ignoriert. Und jetzt versucht man, eine allgemeine Billigung dieser Idee zu präsentieren.

Die Niederlande haben seit vielen Jahrzehnten ein ziemlich verworrenes Mehrparteiensystem, das trotzdem als Beispiel für alle anderen Länder angeführt wurde. Seit langem gibt es dort keine Partei mehr, die eine absolute Mehrheit beanspruchen kann. Es gab jedoch einen gewissen Konsens: im Regelfall wurde zum Premierminister der Parteichef derjenigen Partei ernannt, die eine relative Mehrheit erlangt hatte und im Laufe langer Verhandlungen eine Koalition gemäß den Wahlergebnissen bilden konnte.

Es war also theoretisch möglich, den ersten Platz zu belegen, aber nicht in die Regierung einzutreten, wenn es der zweitplatzierten Partei gelang, die Unterstützung der Mehrheit der Abgeordneten im Parlament zu gewinnen. Das letzte Mal, dass die zweitplatzierte Partei eine Regierung bildete, war im Jahr 1982. Aber noch einmal: Premierminister wurde immer der Parteichef derjenigen Partei, die in der Regierungskoalition die meisten Mandate hatte – die Entscheidung der Wähler wurde also immer berücksichtigt.

Bekanntermaßen war das europäische Establishment im November letzten Jahres zutiefst über die Tatsache schockiert, dass in diesem liberalen Land die systemfremde, islam- und migrantenfeindliche Partei für die Freiheit (PVV) unter der Führung von Geert Wilders den ersten Platz belegte. In den westlichen Medien wurde damals wie verrückt über den "Sieg Putins" in den Niederlanden berichtet.

Aber der Mainstream riss sich schnell wieder zusammen. Die liberalen Parteien, die sich auf eine Koalition mit ihrem Erzrivalen geeinigt hatten, machten zunächst zur Bedingung, dass Wilders selbst nicht an der Regierung beteiligt wird. Und jetzt kündigte die Koalition an, dass der 67-jährige Beamte Dick Schoof Premierminister werden soll. Und das ist kein gewöhnlicher Beamter! Schoof bekleidete seit den 1990er Jahren alle hierarchischen Positionen in den niederländischen Geheimdiensten und staatlichen Sicherheitsbehörden. In den 2000er Jahren leitete er den Nationalen Dienst zur Bekämpfung des Terrorismus, den Allgemeinen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (den allmächtigen Geheimdienst des Landes, AIVD) und wurde zum Spitzenbeamten im niederländischen Ministerium für Justiz und Sicherheit.

Nach dem Erreichen aller möglichen Höhen für einen Staatsbeamten stand Schoof in diesem Frühjahr kurz vor seiner Pensionierung. Und plötzlich stößt ein Bürokrat, der nie von jemandem gewählt wurde und seine gesamte Karriere im Verborgenen verbrachte, an die Spitze der niederländischen Politik und wird wohl eine Position einnehmen, die bisher nur Meinungsführern vorbehalten war. Niederländische Kommentatoren bemerkten in diesem Zusammenhang zu Recht:

"Zum ersten Mal werden wir einen Premierminister haben, der mehr über jeden von uns weiß als wir über ihn."

Viele merken an, dass Schoof über alle führenden Politiker der niederländischen Parteien Dossiers hat. Früher wurde seinem Spezialdienst vorgeworfen, Bürger über gefälschte Konten in sozialen Netzwerken auszuspionieren. Die Zeitung NRC erinnert daran, dass Schoofs Spezialdienste einerseits für Wilders' Sicherheit verantwortlich waren und ihn andererseits überwachten, da sie ihn unter anderem der Zusammenarbeit mit Russland verdächtigten.

Das heißt, dass der neue Premierminister mehr über den Vorsitzenden der größten Koalitionspartei wissen wird als jeder andere. Und auch über andere Politiker. Lorenz Beis, Soziologe an der Universität Amsterdam, analysierte die Körpersprache aller bei Schoofs Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden und kam zu dem Schluss:

"Sie haben Angst vor ihm. Was für eine irreale Situation, in der wir uns befinden."

Jan Hommel, ein in den Niederlanden populärer Blogger, schreibt:

"Früher kontrollierte die Regierung die Spezialdienste, jetzt kontrollieren die Spezialdienste die Regierung. Daran muss man sich gewöhnen."

In der Tat entpuppte sich alles, was verschiedene Verschwörungstheoretiker über den Tiefen Staat (Deep State) im Westen schrieben, plötzlich als mehr als nur eine Theorie. Der berühmte Schriftsteller David Icke, der ein Klassiker unter den modernen westlichen Verschwörungstheoretikern und Autor unglaublicher Theorien über den Tiefen Staat ist, macht jetzt einen ganz vernünftigen Eindruck, wenn er sagt:

"Die Niederlande dienen als Schablone für jedes Land: ein nicht gewählter Spionagechef als Premierminister und die Verfolgung gewählter Politiker wegen ihrer Enthüllungen. Das ist technokratische Tyrannei, manifestiert in einer falschen 'liberalen Demokratie'."

Icke und andere westliche Verschwörungstheoretiker zeigen nun mit dem Finger auf Den Haag und fragen: "Und wo haben wir uns geirrt?"

Umfragen von EenVandaag zeigen, dass nur 39 Prozent der Niederländer etwas über Schoof wissen. Und der höchste Prozentsatz (61 Prozent) derjenigen, die noch nie von ihm gehört haben, findet sich unter den Wählern von Wilders' Partei, die im November ihren Wahlsieg feierten.

Man hätte aber sehen sollen, wie sich die Mainstream-Medien und die Politiker beeilten, plötzlich eine allgemeine Billigung der Entscheidung zur Ernennung der 'grauen Eminenz' der Sicherheitsdienste zum Regierungschef vorzuspiegeln! In bester Tradition sowjetischer Agitation und Propaganda wird den Niederländern nun versichert, dass Schoof die beste Wahl sei, die man sich überhaupt vorstellen könne. "Der richtige Mann am richtigen Platz", rufen die Kommentatoren.

Die liberale Zeitung De Volkskrant organisierte umgehend eine Umfrage unter Wählern, die die Personalentscheidung loben – auch wenn sie gar nichts über ihn wissen. Das Hauptargument lautet: "Man kann einem kahlen Frosch keine Federn rupfen" – ein niederländisches Sprichwort. Welch Argument für die Auswahl des Premierministers eines europäischen Landes!

Aber immer noch besser als das Argument von De Telegraaf, der auflagenstärksten Zeitung des Landes:

"Wenigstens wird Dick Schoof keinen Helm mit einem Dildo auf dem Kopf tragen."

Reicht das etwa nicht, um den niederländischen Premierminister zu ernennen (wohlgemerkt zu ernennen, nicht zu wählen)?

Wir betonen es nochmals: Hierbei handelt sich nicht um eine sogenannte "Bananenrepublik", sondern um ein Land, das im Westen seit vielen Jahrzehnten als leuchtendes Beispiel für angebliche Volksherrschaft und liberale Demokratie angeführt wird. Doch sobald eine Bedrohung für den Mainstream auftauchte, nahm kurzerhand der Tiefe Saat die Zügel lieber selbst in die Hand.

Und was ist nun mit der Wahlfreiheit der Wähler? Nun: die "freien und demokratischen" Medien werden es schon zu erklären wissen, warum es für jeden Wähler besser ist, dem Tiefen Staat hinter den Kulissen zu vertrauen.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst auf RIA Nowosti erschienen am 4. Juni 2024.

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