Teil II: Putin beantwortet Journalistenfragen zum Ende des XVI. BRICS-Gipfels in Kasan

Während sich westliche Staatschefs vor Medien meist scheuen, hat der russische Präsident kein Problem, sich den vielfältigen  Fragen von Journalisten zu stellen.

Putin zur direkten Beteiligung der NATO am Ukraine-Konflikt

Frage Anton Vernitsky, Channel One: Wladimir Wladimirowitsch, bitte erzählen Sie uns mehr über Zusammenarbeit zwischen den BRICS-Ländern auf dem Gebiet der Finanzen. Wurde über eine gemeinsame Investitionsplattform diskutiert bzw. über die Schaffung eines alternativen Zahlungssystems und einer Alternative zu SWIFT gesprochen? Ich danke Ihnen!

Wladimir Putin: Was SWIFT und etwaige Alternativen angeht, so haben wir noch keine etabliert und auch nicht vor, dies zu tun. Dennoch ist das Thema heute sehr wichtig, zumal eines der Hauptprobleme das mit Verrechnungen ist. Deshalb greifen wir, wie allgemein bekannt , auf Verwendung unserer nationalen Währungen zurück.

Was Verrechnungssysteme betrifft, so nutzen wir das bereits existierende russische System für Finanzdaten- Austausch, welches von der russischen Zentralbank eingerichtet worden ist. Ebenso haben andere BRICS-Mitgliedsländer eigene Systeme geschaffen, die wir ebenfalls nutzen. Diese Zusammenarbeit wollen wir ausbauen.

Wir verfügen noch nicht über ein einheitliches separates System: Was wir im Moment haben, ist im Prinzip ausreichend. Es gilt nur die geeigneten Entscheidungen auf der Verwaltungsebene zeitgerecht zu treffen. Das haben wir auch mit unseren Kollegen besprochen und wollen diesen Weg weiterverfolgen.

Frage Hallo – RIA Novosti, Ilya Ezhov: Wladimir Wladimirowitsch, das Forum in Kasan war das erste Gipfeltreffen der BRICS, doch nicht mit fünf Ländern, sondern erhöht in Erweiterung. Gleichzeitig werden Gespräche mit möglichen zusätzlichen Mitgliedern fortgesetzt. Weitere Beitrittskandidaten haben erklärt, dass sie zu einer engeren Zusammenarbeit mit BRICS bereit wären. Auch ein Format für BRICS-Partnerländer wird untersucht. Könnten Sie uns in diesem Zusammenhang bitte mitteilen, wie die Dinge in dieser Richtung stehen und ob der Gipfel von Kasan bezüglich weiterer Aufnahmen wichtige Signale setzte? Ich danke Ihnen!

Wladimir Putin: Wie ich bereits sagte, zeigen viele Länder Interesse an einer Mitarbeit in der Vereinigung von BRICS. An den Veranstaltungen in Kasan haben 35 Länder teilgenommen. Wir haben uns mit unseren Partnern darauf verständigt, dass wir in einer ersten Phase möglicher Erweiterungen, eine Liste für Partnerländer erstellen werden. Eine solches Vorgehen ist vereinbart worden. Einige Länder, die heute und gestern an solchen Besprechungen teilnahmen, haben uns ihre Vorschläge mit ihren Bitten zur vollen Beteiligung an BRICS zukommen lassen.

Im weiteren Verlauf soll sich das Verfahren wie folgt gestalten: Wir beabsichtigen Einladungen mit unseren Vorschlägen zur Beteiligung an unseren Arbeiten an interessierte Partnerländer auszugeben. Nachdem wir eine positive Antwort erhielten, würden wir bekannt geben, wer auf die Liste käme. Es wäre verfrüht, dies jetzt zu tun, bevor wir besagte Antworten erhalten hätten, unabhängig davon, ob davor schon Anträge gestellt worden waren.

Frage Guten Abend! Viktor Sineok, Iswestija:

Es ist bekannt, dass während Ihrer zahlreichen bilateralen Begegnungen das Thema des Ukraine-Konflikts angesprochen wurde. Könnten Sie uns mitteilen, in welcher Art und Weise über die Geschehnisse in der Konflikt-Zone gesprochen wurde? Wie denken Ihrer Meinung nach die Partnerländer, mit denen Sie sprachen, über diesen Konflikt und wurde auch über die Unterstützung unseres Landes gesprochen?

Wladimir Putin: Alle sprachen sich dafür aus, den Konflikt so schnell wie möglich und vorzugsweise mit friedlichen Mitteln zu beenden. Sie wissen, dass die Volksrepublik China und Brasilien auf der Generalversammlung in New York dazu eine Initiative lanciert hatten. Viele BRICS-Länder unterstützen diese Initiativen. Wir wiederum sind unseren Partnern dankbar, dass sie diesem Konflikt Aufmerksamkeit schenken und nach Lösungswegen suchen.

FrageKeir Simmons, NBC News: Herr Präsident, Satellitenbilder zeigten, dass sich nordkoreanische Truppen in Russland befänden. Was machen diese hier – ist das nicht eine ernsthafte Eskalation des Ukraine-Krieges? Herr Präsident, es sind nur noch wenige Wochen bis zu den US-Wahlen. Russland wird erneut der Einmischung beschuldigt: Es gibt Gerüchte, dass Sie private Gespräche mit dem ehemaligen Präsidenten Trump geführt hätten. Hatten Sie Gespräche mit ihm und worüber haben Sie gesprochen?

Vladimir Putin: Lassen Sie mich mit dem ersten Teil Ihrer Frage beginnen. Bilder sind eine ernste Sache und falls es Bilder gibt, dann spiegeln sie etwas wider:

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass es nicht die Handlungen Russlands waren, die zur Eskalation in der Ukraine führten. Es war vielmehr der Staatsstreich im Jahr 2014 , der vor allem von den Vereinigten Staaten unterstützt worden war. Es wurde sogar öffentlich bekannt gemacht, wie viel die Vorbereitung und Organisation dieses Coup d’ États der US-Regierung gekostet hat. War das nicht der Weg zur Eskalation?

Und dann wurden wir über acht Jahre, als es hieß, man wolle den Konflikt in der Ukraine mit friedlichen Mitteln durch die Minsker Vereinbarungen lösen, getäuscht. Später, und ich bin sicher, Sie haben das auch schon gehört, haben einige europäische Staats- und Regierungschefs ganz offen zugegeben, dass sie uns getäuscht hätten, um diese Zeit zu nutzen, um die ukrainische Armee aufzurüsten. Stimmt das etwa nicht? Doch, das stimmt! Die weiteren Schritte zur Eskalation bestanden darin, dass die westlichen Länder begannen, das Kiewer Regime aktiv aufzurüsten.

Worauf lief das hinaus? Auf die direkte Beteiligung von NATO-Truppen an diesem Konflikt!

Denn wir wissen, was getan wurde und wie es getan wurde, nachdem unbemannte Marinefahrzeuge im Schwarzen Meer ausgesetzt worden waren:

Wir wissen, wer dort anwesend ist – aus welchen europäischen NATO-Ländern und wie sie ihre Arbeit verrichten.

Das Gleiche gilt für militärische Ausbildner – keine Söldner, sondern militärisches Personal! Das Gleiche gilt für den Einsatz von Präzisionswaffen, einschließlich solcher Raketen wie ATACMS , Storm Shadow und so weiter. Die ukrainischen Soldaten können dies nicht ohne Satellitenaufklärung, Zieldatenerfassung sowie Software westlichen Ursprungs – und nur unter direkter Beteiligung von Offizieren aus NATO-Ländern – bewerkstelligen.

Was unsere Beziehungen zur Demokratischen Volksrepublik Korea betrifft, so wurde, wie Sie wissen, heute mit dieser unser Vertrag über die Strategische Partnerschaft ratifiziert. Es gibt darin den Artikel 4. Wir haben nie daran gezweifelt, dass die nordkoreanische Führung unsere Vereinbarungen nicht ernst nähme. Doch, was wir tun und wie wir es tun, liegt ganz bei uns im Rahmen dieses Artikels. Zunächst müssen wir entsprechende Verhandlungen bezüglich der Umsetzung des Artikels 4 aus diesem Vertrages führen. Aber wir stehen mit unseren nordkoreanischen Freunden in Kontakt und werden sehen, wie sich die Sache entwickelt.

Auf jeden Fall agiert die russische Armee selbstbewusst nach allen Richtungen. Das ist bekannt, niemand bestreitet dies: Die russische Armee rückt mit allen ihren Verbänden entlang der Kontaktlinie vor. Sie ist auch in der Region Kursk aktiv: Einige Einheiten der ukrainischen Armee, welche in die Region Kursk eindrangen, sitzen jetzt fest und sind eingekesselt – etwa zweitausend Mann.

Es wird versucht, diese Einheiten von außen zu entsetzen und von innen durchzubrechen – bisher ohne Erfolg. Die russische Armee hat damit begonnen, diese Kräfte eliminieren.

Was die Kontakte zu Herrn Trump betrifft, so ist dies ein Thema, welches seit mehr als einem Jahr andauernd diskutiert wird. Einmal hatte man uns und dann wieder Trump selbst beschuldigt, etwas mit Russland zu tun zu haben. Dann, als das Ergebnis der Ermittlungen in den Vereinigten Staaten selbst vorlag, sind alle zu dem Schluss gekommen –  auch im Kongress, meine ich mich zu entsinnen – wonach das völliger Unsinn sei und so etwas nie passiert wäre. So etwas hat es zuvor schon nicht gegeben und so etwas gibt es auch jetzt nicht.

Wie die amerikanisch-russischen Beziehungen nach der Wahl gestaltet würden, hängt in erster Linie von den Vereinigten Staaten ab. Falls die Vereinigten Staaten bereit sind, normale Beziehungen zu Russland aufzubauen, würden wir das auch tun. Wenn sie es nicht sind, werden wir ebenso lassen. Aber das bleibt eine Entscheidung der künftigen US-Regierung.

Frage Guten Abend! Pawel Zarubin, Fernsehsender Rossija: Können wir das Thema in Bezug auf die Gespräche mit Trump fortführen? Der ehemalige US-Präsident und jetzige Kandidat für die US-Präsidentschaft hat gesagt, dass er in einem seiner Telefonate mit Ihnen angeblich mit einem Angriff auf das Zentrum von Moskau gedroht hätte. Stimmt das? zu drohen. Man kann jedem drohen. Doch, es macht keinen Sinn, Russland zu bedrohen, denn es machte uns nur munter. Allerdings kann ich mich nicht daran erinnern, über ein solches Thema mit Herrn Trump gesprochen zu haben. Wir befinden uns in einer sehr heißen Phase des US-Wahlkampfes, wobei ich empfehle, solche Äußerungen nicht ernst zu nehmen. Aber was Herr Trump kürzlich gesagt hat und ich von ihm gehört hatte – er sprach davon, alles tun zu wollen, um den Konflikt in der Ukraine beizulegen -, scheint mir das aufrichtig gewesen zu sein. Solche Äußerungen, von wem auch immer sie kommen mögen, begrüßen wir natürlich.

Sie wissen, dass wir von unseren westlichen Partnern verschiedene Signale über gewisse Kontakte erhalten. Wir haben uns diesen Kontakten gegenüber nie verschlossen. Doch, wenn gesagt wird, wir würden uns weigern bzw. ich würde mich weigern, irgendwelche Gespräche oder Kontakte aufzunehmen – auch mit europäischen Staats- und Regierungschefs – dann möchte ich Ihnen sagen, dass dies eine Lüge ist.

Wir weigern uns nicht – wir haben uns nie geweigert und wir weigern uns auch jetzt nicht.

Falls jemand Beziehungen zu uns wieder aufnehmen möchte – bitte sehr: Wir sprechen ständig darüber, aber wir drängen uns nicht auf. Wie Sie sehen können, leben wir ganz normal – wir arbeiten und entwickeln uns. Unsere Wirtschaft wächst. Letztes Jahr hatten wir 3,4 bis 3,6 Prozent Wachstum – dieses Jahr werden es etwa vier – oder vielleicht 3,9 Prozent sein. Die Wirtschaft der Eurozone steht am Rande der Rezession. In den USA gibt es zwar Wachstum – es wird bei drei Prozent und ein bisschen darüber liegen: Ich denke, es wird irgendwo um die 3,1 bis 3,2 Prozent zu liegen kommen. Das ist an sich nicht so schlecht. Aber trotzdem gibt es auch dort genug an Problemen. Denn, es gibt Defizite gleich in drei großen Bereichen gleichzeitig:

  • das Außenhandelsdefizit,
  • das Zahlungsbilanzdefizit
  • eine riesige Verschuldung – ich meine, sie beläuft sich auf USD 34 Billionen.

Wir haben auch Probleme, doch es scheint uns besser, nicht miteinander zu streiten und in Konflikte zu geraten, sondern zu überlegen, wie wir Probleme gemeinsam lösen können: Genau das tun wir im Rahmen von BRICS.

Frage Ich danke Ihnen vielmals – eine Journalistin aus Kamerun:

Herr Präsident! Unser Team ist gerade aus dem Donbass zurückgekehrt. Wir bereiten gerade einen Dokumentarfilm vor, um die Realität im Donbass zu zeigen und zu erklären, was dies für Afrika bedeutet. Wir wissen, Herr Präsident, dass viele afrikanische Länder heute Opfer von Terrorismus und anderen Erscheinungen sind, die darauf abzielen, die afrikanischen Staaten zu destabilisieren. Gleichzeitig sehen wir, dass Russland der Zentralafrikanischen Republik und anderen Ländern der Sahelzone hilft. Zuvor waren dort andere Länder präsent: Erst als Russland hinzukam, war es möglich, in vielen dieser Länder eine Stabilisierung zu erzielen. Meine Frage lautet demnach: Ist es für Russland nicht an der Zeit, diese Art von Partnerschaft nicht nur im militärischen Bereich zu vertiefen, sondern die Beziehungen zu afrikanischen Staaten auch auf andere Bereiche auszudehnen?  Ich danke Ihnen!

Wladimir Putin: Ja, ich stimme Ihnen völlig zu. Das trifft den Punkt unserer Arbeit mit den BRICS-Partnerländern. Und die Realisierung einer Investitionsplattform im Rahmen der BRICS ist Ziel unserer Arbeit. Wir glauben, dass sich die Volkswirtschaften von Ländern, wie von Russland, China, Saudi-Arabien und einigen anderen Ländern – ich habe gerade mit meinen Kollegen in der Schlussphase des heutigen Gipfels darüber gesprochen – in naher Zukunft nach Ansicht unserer Experten in einem guten Tempo weiterentwickeln werden. Diese Entwicklung wird positiv verlaufen.

Darüber gibt es Regionen in der Welt, in denen die Entwicklung unserer Meinung nach sehr schnell voranschreiten wird. Das sind in erster Linie die Länder Südasiens und Afrikas. Zu diesem Zweck haben wir jetzt im Rahmen der BRICS das Thema der Schaffung einer neuen Investitionsplattform unter Verwendung moderner elektronischer Instrumente aufgegriffen. Es soll ein System etabliert werden, das – so seltsam es klingen mag – inflationsfrei bliebe und die Voraussetzungen für Investitionen in effiziente, sich rasch entwickelnde Märkte in allen Regionen der Welt, vor allem auch in Afrika, schaffen würde.

Warum glauben wir das? Ich denke und meine, dass viele mit mir übereinstimmen werden, weil es dafür mehrere Gründe gibt:

Der erste ist, dass diese Länder großes Wachstum und eine schnelles Bevölkerungswachstum, haben. Ich habe gestern mit dem indischen Premierminister gesprochen – dort kommen jedes Jahr 10 Millionen Menschen hinzu. Jedes Jahr wächst die indische Bevölkerung um 10 Millionen Menschen. Und in Afrika wachsen die Bevölkerungen ebenso rasch.

Zweitens ist der Grad der Urbanisierung in diesen Regionen der Welt noch gering, doch wird diese auf jeden Fall zunehmen: Die Menschen dieser Länder werden in Bezug auf den Lebensstandard bestrebt sein, schneller aufzuholen bzw. zu wachsen, als beispielsweise andere Regionen der Welt – inklusive Europa.

All dies und eine Reihe anderer Faktoren deuten darauf hin, dass Wachstumsraten mit Kapitalakkumulation stattfinden sollten und dies findet bereits statt. All das deutet darauf hin, dass diesen Regionen der Welt besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

Meine Kollegen und ich haben uns darauf geeinigt und versuchen nunmehr, eine Arbeitsgruppe auf der Grundlage der Neuen BRICS-Entwicklungsbank einzurichten, um Mechanismen für wirksame und zuverlässige Investitionen in diesen Ländern bereitzustellen. Ich glaube, dass dies allen zugutekommen würde: Denen, die investieren und denen, die diese Investitionen erhalten. Denn es würden neue Industrien entstehen, die eine Rendite abwerfen werden. Zu diesem Zweck müssen Instrumente geschaffen werden, die keinen externen Risiken ausgesetzt sind – vor allem nicht aus politischen Gründen. Ich denke, das ist machbar. Das ist der Weg, den wir gehen werden. Ich danke Ihnen. Dies ist eine sehr wichtige Frage!

***

Fortsetzung folgt

Teil 1 erschien: Hier

Wladimir Putin – Pressekonferenz zu den Ergebnissen des XVI. BRICS-Gipfels (Teil I)



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