Künstliche Intelligenz: Monopole verhindern und das Gemeinwohl fördern

Der globale Tech-Sektor wird von einigen wenigen Konzernen dominiert. Damit sich diese Entwicklung nicht im KI-Bereich wiederholt, braucht es alternative Angebote, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Drei aktuelle Berichte zeigen auf, wie dies gelingen kann.

Ein grauer Raum mit Servern auf zwei Seiten.
KI braucht Infrastruktur. – Public Domain Manuel Geissinger / Pexels

Eine Handvoll Unternehmen beherrscht den globalen Digitalsektor. Ob bei App Stores, Betriebssystemen oder Browsern: Über Jahrzehnte hinweg hat sich ein auf Big Tech ausgerichtetes System gebildet, indem die großen Konzerne kleine Unternehmen aufkauften und so den Aufstieg von Rivalen verhinderten.

Dagegen regt sich zunehmend Widerstand. Die Zeiten, in denen Aufsichtsbehörden jede Firmenübernahme im Tech-Sektor durchwinkten, sind vorüber. Im August urteilte ein US-Richter, dass Google auf dem Suchmaschinenmarkt ein illegales Monopol aufgebaut hat. Ulrich Müller von Rebalance Now fordert, den Konzern dazu zu zwingen, Teile seines Geschäfts zu verkaufen. Aus der Zivilgesellschaft werden Rufe laut, mit anderen Big Tech-Unternehmen ähnlich zu verfahren.

Derweil drängen die Tech-Unternehmen in den neuen Markt, den die sogenannte Künstliche Intelligenz ermöglicht hat. Ob diese Technologie so nützlich ist, wie ihre Befürworter es versprechen, darüber lässt sich trefflich streiten. Selbst bei den Geldgebern, die derzeit gewaltige Summen in den Aufbau von Rechenzentren und die Entwicklung neuer Modelle pumpen, wachsen inzwischen Zweifel, dass sich ihre Investitionen wie erhofft auszahlen werden.

Dennoch ist KI ein Riesengeschäft und der entsprechende Markt wird wohl weiter anwachsen. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die großen Unternehmen ihre erprobten Wachstums- und Konzentrationsstrategien auch auf diesem Markt einsetzen. Die Folgen lassen sich in Europa bereits erkennen: Das französische Unternehmen Mistral ging eine Partnerschaft mit Microsoft ein, der Chiphersteller AMD wird Silo AI aus Finnland übernehmen.

Big Tech steht bereit

Vor eben dieser Entwicklung warnen die Autoren Max von Thun und Daniel A. Hanley von der US-Denkfabrik Open Markets Institute. Vor wenigen Tagen veröffentlichten sie, unterstützt vom Firefox-Entwickler Mozilla, einen Bericht, der die aktuelle Marktentwicklung untersucht und entsprechende Gegenmaßnahmen vorschlägt.

Zunächst stellen die beiden Autoren fest, dass es bestimmter Voraussetzungen bedarf, um KI-Modelle zu erstellen: Rechenkapazität, Daten, Geld, ein Ökosystem sowie technische Expertise. All diese Ressourcen haben die Tech-Konzerne bereits untereinander aufgeteilt.

Daten zu sammeln ist das Kerngeschäft der Tech-Riesen. Sie verfügen über enormes Kapital, können KI in ihre Angebote integrieren und beschäftigen die talentiertesten Entwickler:innen der Welt. Ideale Bedingungen also, um auch den neuen KI-Markt zu dominieren. Wer in diesen einsteigen will, kommt um Big Tech nicht herum.

Das bringt eine Reihe an Problemen für den freien Wettbewerb mit sich. Weil Wettbewerbsbehörden entschiedener gegen die Übernahmeversuche von kleinen Unternehmen vorgegangen sind, gehen die Konzerne nun lieber „Partnerschaften“ ein, siehe Microsoft und Mistral.

Die Folgen – weniger Konkurrenz und höhere Preise – sind aber meist die gleichen wie zuvor. Die Unternehmen bevorzugen ihre eigenen Produkte, nutzen kleine Unternehmen aus, die von ihrer Infrastruktur abhängen, und behindern Konkurrenten in ihren App Stores oder Rechenzentren.

Unternehmen müssen aufgeteilt werden

Was also tun? Am effektivsten erscheint es für von Thun und Hanley, Teile großer Unternehmen auszugliedern. Behörden hätten sich dies bisher zwar oftmals nicht getraut, schreiben die Autoren, besonders die EU sei hier lange Zeit zu zögerlich gewesen. Sie schlagen daher vor, dass Konzerne ihre Rechenzentren verkaufen, KI-Modelle von Betriebssystemen und die Herstellung von Chips von Cloud-Kapazitäten trennen.

Regierungen müssten dafür aktiv handeln. Es reiche nicht aus, die Entwicklungen im KI-Markt einfach nur abzuwarten. Das gilt insbesondere wegen der sehr langen Zeitspanne, die einzelne Verfahren benötigen. Die EU brauchte etwa sieben Jahre, um Google wegen seines Shopping-Angebots zu einer Milliardenstrafe zu verdonnern. Danach benötigten Gerichte sieben weitere Jahre, um die Strafe endgültig zu bestätigen.

„Was wir gerne hätten, ist Wettbewerb am ganzen Stack“, sagt Kush Amlani zu netzpolitik.org. Er ist Jurist und bei Mozilla für Wettbewerbsfragen zuständig. Gerade gebe es zwar viele Anwendungen, die versuchen, KI zu nutzen, aber der Großteil der KI-Entwicklung sei eben stark auf wenige Anbieter konzentriert.

EU-Kommissarin schaut schon hin

Hier könnte auch Open Source-KI eine wichtige Rolle einnehmen, meint Amlani – aber nur dann, wenn sie auch tatsächlich Open Source ist. Besonders Meta stand diesbezüglich in der Kritik. Das Unternehmen bezeichnet seine Llama-Modelle als Open Source, veröffentlicht aber keine Trainingsdatensätze. Darüber hinaus schränken die Lizenzen der Modelle ein, wie Nutzer:innen diese verwenden können. Inzwischen liegt eine erste Definition von Open-Source-KI vor.

Das Open Markets Institute hat bei seiner Einschätzung des KI-Marktes eine Verbündete: Margrethe Vestager, die scheidende EU-Kommissarin für Wettbewerb. Auch Vestager warnte vor einigen Wochen vor den Gefahren, die von einer zu großen Marktkonzentration im Bereich der KI ausgingen. Sie beruft sich dabei auf einen ausführlichen Bericht, den ihre Anti-Monopol-Beamt:innen bei der Kommission im vergangenen Monat veröffentlichten.

Die Kommissarin fordert, Partnerschaften zwischen Big Tech und KI-Firmen auf den Prüfstand zu stellen. „Der Bereich ist jetzt schon von großen digitalen Playern dominiert“, so Vestager. Wenn sich die Aufsichtsbehörden nicht entschieden einmischen, könnte der Markt kippen. Sie werde ein wachsames Auge auf das Thema KI richten, versicherte Vestager.

Öffentliche Alternativen aufbauen

Das aber werde nicht ausreichen, um die Gefahren zu bannen, argumentieren Nik Marda, Jasmine Sun, und Mark Surman in einem weiteren Bericht, der vor wenigen Wochen von Mozilla selbst herausgegeben wurde. Die drei Autor:innen fordern, eine öffentliche KI-Infrastruktur zu errichten – einen KI-Stack für das Gemeinwohl.

„Wir haben unsere Gesellschaft zu einem sehr großen Teil auf öffentlicher Infrastruktur aufgebaut“, sagt auch Amlani zu netzpolitik.org. Die öffentliche Hand hat Straßen, Eisenbahnlinien und Stromtrassen gebaut. Das gleiche könnte sie nun für KI tun, ist Amlani überzeugt. Die Autor:innen von Mozilla sehen schon einige Anfänge eines offenen KI-Ökosystems.

So muss etwa die Rechenleistung, die für die Entwicklung von KI benötigt würde, nicht von Google oder Amazon kommen. Die EU-Kommission betreibt gemeinsam mit EU-Mitgliedstaaten EuroHPC, ein Netzwerk aus einigen der weltweit stärksten Supercomputer. Dieses Netzwerk soll schon bald auch für die KI-Entwicklung offenstehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Kommission diese Rechenleistung europäischen Start-ups zur Verfügung stellen, damit sie KI-Modelle trainieren können.

Regierungen sollten verstärkt in öffentliche Alternativen dieser Art investieren, so die Mozilla-Autor:innen. Das schließe die Erforschung und Entwicklung von Anwendungen für das Gemeinwohl ein, insbesondere in den Bereichen, in denen Unternehmen keinen Gewinn erwarten würden und die daher brachliegen. Wenn die Unternehmen KI einsetzen wollen, sollten sie dies nach dem Motto „public money, public code“ tun und ihre Trainingsdaten offenlegen. In Zuge dessen sollten auch die Rechte von Datenarbeiter:innen gestärkt werden.

In Brüssel gibt es zudem die Forderung, dieses Programm in einen größeren „Euro Stack“ einzubauen. Durch diesen soll Europa bei kritischer digitaler Infrastruktur unabhängiger von den USA und China werden. Zu seinen Befürworter:innen gehören etwa die Wirtschaftswissenschaftlerin Francesca Bria und Francesco Bonfiglio. Bonfiglio war Chef des Gaia-X-Projekts, das eine europäische Alternative zu den großen Cloud-Anbietern aufbauen sollte – bisher ohne Erfolg.

„Wir glauben nicht, dass diese offenen Alternativangebote direkt mit Big Tech konkurrieren müssen“, so Amlani. Vielmehr brauche es erst einmal eine Alternative zu den Konzernen – damit Nutzer:innen und kleine Unternehmen die Wahl haben, wessen Angebote sie nutzen.


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