Europawahl: Deutsche Piraten fliegen aus dem Europaparlament

Bei den Europawahlen haben rechte und rechtsextreme Parteien triumphiert. Auch Volt legt zu. Klarer Verlierer sind die Grünen – und die Piraten. Anja Hirschel, Nachfolgerin von Patrick Breyer, verpasste den Einzug ins EU-Parlament. Und auch die tschechischen Piraten schrumpfen auf einen Sitz.

Ein Schiffswrack liegt auf dem Trockenen
Die Piraten haben Schiffbruch erlitten – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Aneta Hartmannová

Europa hat gewählt. Die Gewinner sind Konservative, Rechtspopulisten und Rechtsextreme. Das Parlament rückt damit deutlich nach rechts. Alle Fraktionen links der christdemokratischen Europäischen Volkspartei haben Sitze verloren.

Die größten Verlierer sind die Grünen. Und die deutschen Piraten verpassen sogar den Einzug. Mit ihnen verschwindet ein wichtiger Teil der digitalen Zivilgesellschaft aus dem Parlament. Damit geht auch eine zehnjährige Ära zu Ende.

Im Jahr 2014 zog Felix Reda als erster deutscher Pirat ins Europaparlament ein. Davor hatten nur die schwedischen Piraten einen Sitz. Ihm folgte fünf Jahre später Patrick Breyer, zusammen mit drei tschechische Abgeordneten aus Tschechien. Breyers Nachfolgerin Anja Hirschel verpasste den Einzug ins Parlament knapp. Sie erhielt nur 0,5 Prozent der deutschen Stimmen. Die gestrige Europawahl war die letzte in Deutschland ohne Sperrklausel, die deutschen Piraten hätten also auch mit einer einzigen Abgeordneten ins Parlament einziehen können. Die Satirepartei Die Partei erhielt mit 1,9 Prozent fast viermal so viele Stimmen wie die Piraten.

„Das bittere Wahlergebnis (natürlich auch selbstverschuldet) ist für uns Piraten, die progressiven Parteien insgesamt und für die digitalen Bürgerrechte ein Desaster, das sich noch rächen wird“, postete Breyer auf Mastodon.

Auch die tschechischen Piraten verloren zwei ihrer drei Sitze, die Schweden waren schon 2014 wieder aus dem Parlament verschwunden. Insgesamt sind die Piraten damit wieder nur mit einem einzigen Abgeordneten im Parlament vertreten. Dieser eine Abgeordnete könnte aber schon bald in eine wesentlich mächtigere Position wechseln – und zwar in die EU-Kommission. Die tschechischen Piraten haben als Bedingung für ihre dortige Regierungsbeteiligung ausgehandelt, dass sie den nächsten tschechischen EU-Kommissar ernennen dürfen. Das wäre ein Novum: Einen Piratenkommissar hat es noch nie gegeben.

Ein Parlament der Persönlichkeiten

Netzpolitik findet aber auch jenseits der Piraten statt. Denn das EU-Parlament ist vergleichsweise personengetrieben. Eine einzelne Abgeordnete kann viel Einfluss ausüben, wenn sie für wichtige Gesetzesvorhaben zuständig ist.

Da ist zum Beispiel Kim van Sparrentak. Sie zog 2019 als Klimaaktivistin für die niederländischen Grünen ins Parlament ein. Die hatten aber nur drei Abgeordnete und mit Bas Eickhout schon einen Klimaexperten. Also widmete sich van Sparrentak der Netzpolitik. Sie arbeitete bei der KI-Verordnung, der Plattformarbeitsrichtlinie und dem sogenannten Airbnb-Gesetz mit. Hinzu kam eine Reihe von Berichten, in denen van Sparrentak mehr Rechte für Internetnutzer:innen und Arbeiter:innen einforderte. Sie wird auch dem neuen EU-Parlament angehören.

Die Liberalen mussten europaweit Federn lassen. Die FDP blieb davon je nach Lesart verschont: Sie erreicht mit 5,2 Prozent etwa das gleiche Ergebnis wie bei der Europawahl 2019, verliert aber rund sechs Prozent gegenüber der Bundestagswahl 2021. Ihre beiden Digitalpolitiker:innen Svenja Hahn und Moritz Körner werden beide wieder im Parlament sitzen.

Volt und Konservative legen zu

Alexandra Geese hat für die deutschen Grünen das Gesetz zu digitalen Diensten mitverhandelt. Auch sie ist ins nächste Parlament eingezogen, zusammen mit ihren Parteikolleg:innen Sergey Lagodinsky und Hannah Neumann. Lagodinsky saß bei der KI-Verordnung mit am Verhandlungstisch, und hat vor wenigen Monaten einen Entwurf für eine Verfahrensreform der DSGVO vorgelegt. Neumann arbeitete im Pegasus-Untersuchungsausschuss mit.

Auch die Niederländerin Sophie in ’t Veld war in diesem Ausschuss sehr aktiv. In ’t Veld wurde 2004 erstmals ins Europaparlament gewählt und engagiert sich seitdem zu vielen netzpolitischen Themen. Kurz vor der Wahl wechselte sie von der sozialliberalen D66 zu den EU-Föderalisten von Volt – und von den Niederlanden nach Belgien. Dort reichte es für sie nicht für den Wiedereinzug. In den Niederlanden konnte Volt – auch ohne In ’t Veld – zwei Sitze erringen, in Deutschland gewannen sie zwei weitere hinzu. Der bisher einzige Volt-Abgeordnete Damian Boeselager, der unter anderem am Data Act mitgearbeitet hat, behält seinen Sitz.

Ebenfalls zurückkehren werden die Digitalpolitiker:innen der Christdemokraten. Sie konnten die Zahl ihrer Sitze leicht erhöhen. Christian Ehler, Andreas Schwab, Axel Voss – sie alle werden auch dem neuen Parlament angehören. Die SPD hat zwar ihr bisher schlechteste Ergebnis auf europäischer Ebene eingefahren. Ihre Digitalpolitiker:innen Birgit Sippel, René Repasi und Tiemo Wölken verbleiben aber im Parlament.

Wir haben den Artikel mit einem Statement von Patrick Breyer ergänzt.


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