Ein aus dem Ruder laufender Feuerwehreinsatz im Berliner Bezirk Neukölln am 4. Dezember bestätigt zuvor befürchtete Szenarien der hauptstädtischen Feuerwehr. Leidtragende sind die Bewohner des Hauses, aus dem in den frühen Morgenstunden ein Wohnungsbrand gemeldet wurde. Die Löschfahrzeuge konnten nicht in voller Stärke zu dem betroffenen Altbau vordringen, da laut dem Tagesspiegel sogenannte "Modalfilter", also Poller, mehrere Einsatzfahrzeuge rund 100 Meter vor der Anfahrt am Haus behinderten.
Die zweiminütige Verzögerung könnte nun laut der Nachbearbeitung der Ereignisse der Grund sein, warum das Haus geräumt werden musste, da alle Wohnungen vorerst nicht mehr bewohnbar sind.
In den frühen Morgenstunden des 4. Dezember erfolgte der Notruf über den Brand in einer Altbauwohnung, zudem wurde eine eingeschlossene Person befürchtet. Zu dem Einsatz gehörten laut Tagesspiegel-Informationen insgesamt "14 Löschfahrzeuge, darunter eine Atemschutzstaffel, zwei Drehleitern und sechs Rettungswagen".
Die Beamten stuften das Ereignis einleitend auf die "Stufe Brand 4" ein, mussten dann jedoch aufgrund der verzögerten Löscharbeiten nach knapp 15 Minuten auf die "Stufe Brand 6" hochkorrigieren, da die Flammen bereits ein Stockwerk höher wüteten. Zu der Behinderung bei der Anfahrt zum Einsatzort heißt es:
"Beim ersten Löschfahrzeug (LHF) waren es zwei Minuten Zeitverlust. Rund 100 Meter vor dem Haus mit einer brennenden Wohnung musste der Wagen wegen einer Pollerreihe stoppen (...) Die Beamten des ersten Löschwagens mussten deshalb Fahrräder beiseite räumen und über den Gehweg fahren."
Problem war demnach, dass laut Feuerwehrbericht aus weiterhin unbekannten Gründen, "die Poller sich nicht umlegen oder entfernen ließen". Die Berliner Feuerwehr moniert laut Medienberichten regelmäßig, dass sich aufgrund "fehlender Wartung und wegen der Witterungseinflüsse zahlreiche Poller nicht mehr umlegen lassen." Bei dem Einsatz am 4. Dezember mit maßgeblichen Folgen:
"Das erste Löschfahrzeug eskalierte die Alarmstufe um 3:06 Uhr auf 'Brand 6' und eine weitere Viertelstunde später auf einen 'Massenanfall an Verletzten'. Das Feuer hatte sich in die Bausubstanz gefressen, die Feuerwehr musste die Böden aufreißen, um Brandnester zu löschen."
Die zweiminütige Verzögerung bei der Anfahrt, so die Vermutung seitens der Feuerwehr, "dürfte maßgeblich dazu geführt haben", dass das Haus final geräumt werden musste und die Wohnungen nicht mehr bewohnbar sind.
Ein Taz-Artikel vom September dieses Jahres berichtet über die kontroverse Diskussion im Bezirk vor Installation der "Modalfilter". So heißt es zu der mittlerweile stadtweiten Diskussion:
"Im Grunde handelt sich dabei nur um ein paar minimalinvasive Eingriffe ins Verkehrsgeschehen: Einige wenige Pollerreihen und Einbahnstraßenschilder verhindern nun, dass täglich tausende Pkws im Durchgangsverkehr durch den Wohnkiez rollen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte das schon 2021 beschlossen."
Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses debattierte auf Antrag der AfD-Fraktion über die Frage, "ob verkehrsberuhigende Maßnahmen das Durchkommen von Polizei und Feuerwehr behindern und Menschenleben gefährden." Anmahnende Kritik zu den politischen Plänen kam demnach im Vorfeld seitens der Polizeipräsidentin und des Landesbranddirektors. Dieser gab zu Protokoll:
"... dass das Aufschließen und Umlegen von Pollern die Feuerwehr Zeit koste und die internen Leitsysteme zur Identifizierung der schnellsten Einsatzwege 'aufwendig umprogrammiert' werden müssten. Seine Behörde 'werbe' aus diesem Grund dafür, frühzeitig an solchen Planungen beteiligt zu werden."
Diese Einbindung habe in Neukölln auch stattgefunden, "wie Verkehrsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) der Taz bestätigte." Auch seitens der "Rixdorfer Kiezblock-AktivistInnen, von denen die Idee zur Verkehrsberuhigung ursprünglich stammte", wurde angegeben, dass die Feuerwehr "ihres Wissens mindestens an drei Terminen zu Rate gezogen wurde."
Die Berliner B.Z. berichtete demgegenüber, ein Feuerwehrvertreter habe zu Protokoll gegeben, "er und seine KollegInnen seien im Voraus nicht informiert worden und hätten auch nicht alle Pollerschlüssel bekommen." Bei einem anberaumten Ortstermin, habe die Zeitung beobachtet, "wie ein Löschfahrzeug auf dem Richardplatz Minuten brauchte, um mit Ach und Krach durch die Notöffnung zu kommen." Der Artikel trägt die Überschrift:
"Lebensgefahr Kiezblock – Poller-Irrsinn behindert Feuerwehr"
Laut Tagesspiegel ergab sich im November ein ähnlicher Fall in Kreuzberg, als eine Notärztin "einen Elektro-Poller nicht im Boden versenken konnte." Ein Team der Stadtreinigung konnte glücklicherweise helfen. Laut Bewohnern wurden ein Rettungswagen und die Notärztin "zehn Minuten lang aufgehalten." Zu Streit sei es zudem wegen "enger Zufahrten für die Feuerwehr" und Poller auch im Neuköllner Richardkiez gekommen.
Im Oktober wurde bekannt, dass die Feuerwehr durch einen zu schmalen Pop-up-Radweg in Charlottenburg bei Löscharbeiten nicht nah genug an brennende Gebäude herankommen konnte.
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