Nachhaltigkeitsziele: Bund scheitert an grüner IT

Nicht erst die Ampel-Koalition hat versprochen, staatliche Rechenzentren und Websites nachhaltiger zu machen. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zeigt nun jedoch: Der Bund bleibt in puncto Bundes-IT weit hinter seinen Umweltzielen zurück. Dabei könnte er eigentlich als Großkunde Druck auf die Betreiber machen.

im Hintergrund ein heller Serverraum, im Vordergrund zwei Hände, die eine Schale formen, darin ein Plänzchen mit kleinem Wurzelballen
Die jüngsten Angaben des Bundes zur Nachhaltigkeit ihrer IT zeigen: Der Bund bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. – Alle Rechte vorbehalten Serverraum: IMAGO/Westend61; Hände mit Pflanze: Unsplash/Noah Buscher

Großer CO2-Fußabdruck, Hardware-Schrott, hoher Ressourcenverbrauch – zur Wahrheit von IT gehört, dass sie eine massive Belastung für die Umwelt ist. Neben Wasser verbrauchen Rechenzentren große Mengen an Strom und tragen zur globalen Erwärmung bei. Forschung und Entwicklung Künstlicher Intelligenz und Cloud-Computing befeuern das Problem. Denn sie erfordern den Bau immer neuer Rechenzentren.

Um so wichtiger sind die Vorhaben des Bundes, staatliche IT nachhaltig zu gestalten. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zur Klimawirkung der Bundes-IT geht jedoch nun hervor: Der Bund bleibt weit hinter den eigenen Zielen zurück und hat sie in Teilen sogar kaum verfolgt.

Groß waren die Hoffnungen, die die Ampel mit ihren Nachhaltigkeitszielen im Koalitionsvertrag von 2021 weckte: Bündelung von Rechenzentren, Nutzen von Abwärme, Umstellung auf Ökostrom, Einkauf von IT-Produkten mit Blauer-Engel-Siegel. Doch diese Ziele habe sie weit verfehlt, so die vernichtende Bilanz von Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linken. Für die Koalition unter Merz sagt sie voraus, das Thema nachhaltige Digitalisierung werde „schon an der mangelnden Zielsetzung scheitern“.

10 Jahre Jubiläum

Die Aufgabe, Rechenzentren zu bündeln, ist Teil eines Beschlusses von 2015 zur Konsolidierung staatlicher IT. Dieser sieht vor, dass die Zahl von damals hundert erfassten Bundes-Rechenzentren bis 2025 um 90 Prozent reduziert wird. Auch die Ampel hatte sich diesem Vorhaben verschrieben. Doch im Jahr 2025 angekommen, zeigt der Blick zurück, die Entwicklung geht in die andere Richtung.

Statt der im Beschluss geforderten zehn Rechenzentren nutzt der Bund mit Stand 2024 nun 135 Rechenzentren. Nicht zu vergessen, die als geheim eingestuften Rechenzentren, die der Bund in seiner Antwort nicht mitzählt. In 2025 sollen sogar vier weitere hinzukommen. Für 2028 rechnet der mit insgesamt 123 Rechenzentren. Unter den Tisch fällt die Ankündigung aus der Digitalstrategie, wonach der Bund die einzelnen Rechenzentren der Bundesbehörden in drei Master-Rechenzentren zusammenführen wollte.

Nur jedes achte Rechenzentrum nutzt Abwärme

Verstreichen lässt der Bund zudem die Chance, die Abwärme zu nutzen, welche die Rechenzentren produzieren. Sie ist eine klimaneutrale Wärmequelle und könnte zum Beispiel Wohnhäuser beheizen oder in elektrische Energie umgewandelt werden. Der Plan des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) war ursprünglich, öffentliche Rechenzentren dazu zu verpflichten, die Abwärme ab 2028 vollständig wiederzuverwenden. Tatsächlich nutzt laut Angaben des Bundes zurzeit nur jedes achte Rechenzentrum die Abwärme und das auch nur zum Teil.

Laut Energieeffizienzgesetz haben Betreiber von Informationstechnik und Rechenzentren Informationspflichten. Dazu hat die Ampel ein öffentliches Energieeffizienz-Register in Aussicht gestellt. Die knappe Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach dem Stand der Umsetzung: „Dem bei dieser Frage federführenden BMWK liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.“

Dabei ist damit zu rechnen, dass das Volumen der Abwärme in Zukunft stark zunehmen wird, proportional zum Energieverbrauch der Bundes-IT. Der stieg allein in 2023 um 63 Gigawattstunden an. Zur Einordnung: Eine Gigawattstunde entspricht einer Milliarde Wattstunden. Allein mit dem Mehrverbrauch könnte man mehr als 15.000 4-Personenhaushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.

Um dem steigenden Energieverbrauch etwas entgegen zu setzen, beschloss die Ampel, dass der Bund für seine Infrastruktur bis Ende 2024 nur saubere Energie benutzt. Laut Antwort der Bundesregierung sind bislang jedoch lediglich 70 Prozent der Rechenzentren auf Ökostrom umgestiegen. Der Rest wird nicht vor 2028 beziehungsweise erst im Jahr 2045 nachziehen.

Blauer Engel auf Distanz

Nicht nur für IT-Produkte, auch IT-Dienstleistungen gibt es Angebote mit Blauer-Engel-Siegel. Um die Rechenzentren des Bundes dabei zu unterstützen, entsprechende IT einzukaufen, gründete der 2008 die Green-IT-Initiative. Doch die hat kaum einen Einfluss darauf, wie der Bund sein Einkaufsvolumen einsetzt; im Jahr 2023 allein gab der Bund für IT-Produkte zehn Milliarden Euro.

Bei den seit 2023 gut 1.700 Aufträgen zur Entwicklung von Software hat der Bund von Anbietern und Dienstleistern die Kriterien des Blauen Engels nicht eingefordert – und das, obwohl laut Umweltbundesamt das Ressourceneinsparpotenzial von Software groß sei. In der Antwort der Bundesregierung heißt es dazu lapidar: „Die Forderung wurde von den Beteiligten in den konkreten Verfahren bislang aufgrund der Marktlage als nicht praktikabel erachtet.“ In 2023 blätterte der Bund für Software 4,8 Milliarden Euro auf den Tisch.

Vom Blauen Engel hat sich der Bund auch distanziert, als es um die Vergaben von Cloud-Dienstleistungen ging. Nur zwei der beauftragten Cloud-Dienstleister erfüllen die Kriterien. Dabei hatte das Umweltbundesamt in seinem Maßnahmenprogramm von 2021 „Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen“ das Siegel und die dazugehörigen Kriterien zur Bedingung für die Vergabe erklärt.

„Der Bund könnte allein mit seiner immensen Marktmacht Einfluss darauf nehmen“, dass Anbieter ihre IT-Produkte nachhaltiger machen, so Domscheit-Berg. Doch diese Chance lasse er einfach verstreichen. Zwar gebe es „Beschlüsse, Leitfäden und Vorgaben“, doch „keinerlei Verbindlichkeit, keine Transparenz zur Umsetzung und niemanden, der sich wirklich dafür verantwortlich fühlt“.


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Es gibt neue Nachrichten auf friedliche-loesungen.org
:

Nur wer angemeldet ist, geniesst alle Vorteile:

  • Eigene Nachrichten-Merkliste
  • Eigener Nachrichtenstrom aus bevorzugten Quellen
  • Eigene Events in den Veranstaltungskalender stellen
M D M D F S S
 
 
 
 
 
1
 
2
 
3
 
4
 
5
 
6
 
7
 
8
 
9
 
10
 
11
 
12
 
13
 
14
 
15
 
16
 
17
 
18
 
19
 
20
 
21
 
22
 
23
 
24
 
25
 
26
 
27
 
28
 
29
 
30
 
31