Die Union will wohl nicht, dass du diesen Artikel liest…
Am 11. Februar dieses Jahres veröffentlichten die Journalisten von Correctiv einen Artikel mit dem Titel “Die Rechtstreiber der Union”. Darin lösen sie in aufwendiger Recherche auf, wer unter anderem hinter dem massiven Rechtsruck der Partei steckt. Das scheint Merz und manchen seiner Parteifreunde nicht zu gefallen… In einer Kleinen Anfrage greifen sie jetzt explizit diesen Artikel an und versuchen Journalisten, sowie zivilgesellschaftliche Organisationen einzuschüchtern und mundtot zu machen!
Frage der Union zu besagtem Correctiv-Artikel:

DAS sollen christlich-demokratische Werte sein?!
Einen kurzen Einblick in die fehlende solidarische Haltung und das fehlende Rückgrat von Friedrich Merz gegenüber den millionen deutschen Bürgern, die zu Recht Sorge vor dem Erstarken des Faschismus haben, haben wir bereits kurz vor der Wahl bekommen. In seiner Abschluss-Wahlkampfrede beschimpfte er einfach alle, die sich auf der Straße gegen Rechts positioniert haben (also z.B. die Kirche, die war nämlich auch dabei) als “linke Spinner”.
Wie wenig er wirklich von demokratischem, zivilgesellschaftlichem Engagement hält und wie gewillt er ist, sich aktiv GEGEN Demokratiefreunde und Journalisten (ja ihr habt richtig gehört) zu stellen, das offenbarte er jedoch erst jetzt, kurz nach der Wahl.
Was ist genau passiert?
Die Union hat am vergangenen Montag eine Kleine Anfrage zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen gestellt. Die Kleine Anfrage trägt den Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ und ist alles andere als “klein”. In 551 Fragen greift sie Organisationen wie Correctiv, Omas gegen Rechts, BUND, Greenpeace und die Amadeu Antonio Stiftung an.
Unterzeichnet ist das Papier von “Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion”. Würde man die Unterzeichnung am Ende der Anfrage von “Merz” zu “Weidel” tauschen, würde es nicht auffallen. Es liest sich wie eine Anfrage der Rechtsextremen. Die Union stellt mit dem Papier die falsche Behauptung in den Raum, es würde “direkte oder indirekte Wahlkampfunterstützung” stattfinden. Anscheinend kann man es nicht verkraften, nach der Verbreitung von Desinformationen und dem Brechen der Brandmauer, kritisiert zu werden. Deswegen aber Zivilgesellschaftliches Engagement und Journalismus als Ganzes direkt anzugreifen, ist ein neues Level an Aggressivität und Feigheit.
Es ist wohl kein Zufall, dass sich die Fragen der Union ausschließlich an Organisationen richten, die sich für die Demokratie oder progressive Themengebiete wie Umweltschutz und Diversität einsetzen. Dabei scheut man sich noch nicht mal davor, Journalisten anzugreifen – etwas, was wir bisher nur von der AfD kannten.
Auch Journalismus im Visier
So richten sich die Fragen auch an die Neuen Deutschen Medienmacher*innen und das Netzwerk Recherche. Letzteres ist beispielsweise einfach nur ein Verein, der es sich zum Ziel gemacht hat, Journalisten untereinander zu vernetzen und zusammenzubringen. Kleine Erinnerung, liebe Union: Eine freie Demokratie braucht Journalismus. Nicht ohne Grund wird die Pressefreiheit durch Artikel 5 des Grundgesetzes gewährleistet. Die mutigen Journalisten von Correctiv haben nicht zuletzt durch ihre “Geheimplan gegen Deutschland”-Recherche gezeigt, dass sie als vierte Säule der Demokratie unerlässlich sind.
Die gestellten Fragen hat die Redaktion übrigens mittlerweile selbst beantwortet, da sie nichts zu verbergen hat. Dass nur weil Journalisten Dinge aufdecken, die Merz vielleicht nicht so gefallen, derart versucht wird, sie einzuschüchtern und als “Gegner” zu framen, macht mir als junge Journalistin ernsthafte Sorgen. Es gibt uns eine Vorahnung, wie eine Regierung unter Merz nicht nur Journalisten, sondern auch zivilgesellschaftliches Engagement im Allgemeinen in den nächsten Jahren behandeln wird.
Deswegen darf diese Drohung nicht untergehen. Es muss als der Skandal behandelt werden, der es ist.
Es handelt sich bei den im Visier stehenden Organisationen also nicht, wie vermittelt werden soll, um per se “linke Organisationen”, sondern um seriösen Journalismus und Vereine, die grundlegende, demokratische Werte schützen wollen. Sie vertreten Haltungen, die sich in der Mitte der Gesellschaft befinden, die unseren minimalsten Grundkonsens innerhalb dieser Gesellschaft darstellen sollten. Dass die CDU versucht, diese zu delegitimieren, zeigt nicht nur, wie weit vorangeschritten der Rechtsruck in der Partei mittlerweile ist – es sollte die CDU auch selbst schockieren: Wenn sie sich derart angegriffen und angesprochen fühlt, von Menschen und Journalisten, die das Grundgesetz verteidigen und einfach nur journalistisch berichten wollen, dann sollte sie sich und den Kurs, den ihre Spitze gerade fährt, dringend hinterfragen…
Union hält sich nicht an ihre eigenen Regeln
“Wir wollen ein Deutschland, in dem die Bürgerinnen und Bürger mit Zuversicht nach vorne schauen und gemeinsam Großes leisten. Wir sagen klar: Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen gehört zur Demokratie dazu.”,schreibt die Union selbst auf ihrer Website. Bürger, die Großes leisten wollen im Sinne des Schutzes unserer demokratischen Grundordnung, sowie Bürger, die Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungen der Union äußern, scheinen hier wohl nicht mitgemeint zu sein.
Zu den Demonstrationen gegen Rechts Anfang letzten Jahres sagte Merz selbst noch: “Es ist sehr ermutigend, dass tausende Menschen in ganz Deutschland friedlich gegen Rechtsextremismus demonstrieren. Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild gegen jede Form von Extremismus und Rassismus, gegen Hass, Hetze und Geschichtsvergessenheit.“ Mittlerweile richtet er sich gegen genau dieselben Menschen, die damals auf der Straße waren – sein Stoppschild hat Merz wohl verloren.

WELT-Desinformation als “Quelle”
Um ihre wirren Anschuldigungen zu “begründen”, wurde in der Anfrage als “Quelle” ein Meinungsbeitrag, ich wiederhole ein MEINUNGSbeitrag, des Springer-Lügen-Mediums WELT verlinkt. Der besagte verlinkte Beitrag gleicht einem Verschwörungsmanifest und versucht vergeblich den Punkt zu machen, dass Organisationen, die sich für die Demokratie einsetzen, die größte Gefahr für unsere Demokratie seien… Hä??
Sind die Gerichte dann auch Teil dieser Verschwörung?
Dass die Union Hand in Hand mit dem Springer-Medium diesen Schwurbel-Desinformationen eine große Plattform bietet, ist schon schlimm genug. Die gleichzeitige Verharmlosung der in großen Teilen rechtsextremen AfD, die in dem Beitrag betrieben wird, ist jedoch besonders erschreckend. Gerade deswegen wird die Zivilgesellschaft doch gerade laut, weil es eben diese rechten Kräfte sind, die unsere Demokratie fallen sehen wollen.
Stimmen der Empörung
Zum Glück sind viele gesellschaftliche Akteure mittlerweile laut geworden und solidarisieren sich mit den angegriffenen Organisationen. Hier nur eine kleine Auswahl der empörten Stimmen:
Deutscher Journalistenverband: “551 Messerstiche ins Herz der Demokratie”
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) bezeichnet die Anfrage als “eine Drohgebärde, die ihres Gleichen sucht“ und warnt weiter: “Die Parallelen zu amerikanischen Ereignissen sind offensichtlich. Und damit zeigt diese Fraktion ihr wahres Gesicht. Was kommt als nächstes? Ein Gesetzentwurf, nach dem nur noch staatlich gefördert wird, wer sich nicht wagt, unsere Verfassung zu verteidigen? Wer den regierenden Parteien gefällt? Hatten wir alles schon. Wollen wir nicht wieder.” Der Verband fordert die Regierung auf, sich entschieden gegen die Anfrage zu stellen.
Amnesty International Deutschland: “Am Tag nach der BTW2025 richtet sich die CDU/CSU gegen die Zivilgesellschaft. (…) Das ist infam!”
Katharina Nocun, Publizistin: “Wenn legitimer zivilgesellschaftlicher Protest über das Verhältnis zur AfD dazu führt, dass die Unionsfraktion sich bemüßigt fühlt 551 Fragen zu NGOs & Redaktionen, sowie Initiativen wie den „Omas gegen Rechts“ (!!!) zu verfassen… ist das ein Grund mehr, den Betroffenen den Rücken zu stärken”.
Sergey Lagodinsky, Grünen-Europapolitiker: “Diese Anfrage ist ein Angriff auf die freie Zivilgesellschaft in Deutschland. Ich weiss nicht, was mich da mehr stört: das pervertierte Verständnis der Demokratie? Das kleinlaute „Beleidigtsein“ und Rachegelüste eines Wahlsiegers? Ein ganz schlechtes Omen für die kommenden 4 Jahre am Tag nach dem Wahltag. Das sind ja fast schon Trumpsche Verhältnisse. Kein guter Anfang, was Zivilgesellschaft angeht, @_FriedrichMerz!”
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung: “So beginnt es: Einen Tag nach der Wahl übernimmt die CDU/CSU die Narrative der extremen Rechten und stellt die demokratische Zivilgesellschaft unter Generalverdacht. Ein Angriff, der direkt aus dem Playbook von AfD, Ein Prozent, Trump & Co. kommt.”
Petition kontert kleine Anfrage
Auch Campact, die progressive Online-Kampagnen organisieren, werden in der Anfrage angesprochen. Genau auf dieser Plattform regt sich jetzt Widerstand gegen den Einschüchterungsversuch: Eine Petition mit dem Titel “Schluss mit dem Angriff auf NGOs und Medien! Keine Zensur durch die CDU!” wurde bereits über 63 tausend Mal unterschrieben. Darin wird von der Union gefordert, die Meinungsfreiheit nicht mit Hilfe einer Instrumentalisierung des Neutralitätsgebots zu missachten.
Jetzt erst Recht: Wir machen weiter!
NATÜRLICH berichten Journalisten und Organisationen kritisch darüber, wenn Parteien Desinformationen verbreiten oder casually die Brandmauer einreißen. DAS IST IHR JOB. Ohne das wären wir als Bevölkerung doch gar nicht informiert über die teils gefährlichen Entwicklungen in der Hauptstadt. Ich denke, dass die Unions-Politiker mit ihrer jahrelangen politischen Erfahrung das genau wissen. Diese Anfrage zeigt kein ernsthaftes Interesse an der Finanzierung von NGO’s. Sie ist ein taktischer Versuch, den Ton zu setzen und die Debatte zu den eigenen Gunsten zu manipulieren. Man will Kritiker mundtot machen und gezielt bestimmte demokratische Organisationen, Vereine und Redaktionen delegitimieren. Was sie erreichen wollen, ist, dass unser Vertrauen sinkt gegenüber den Omas gegen Rechts, gegenüber Correctiv und den vielen weiteren ehrenwerten Menschen, die sich jeden Tag für die Rechte von uns allen einsetzen. Das dürfen wir ihnen nicht so leicht machen. Der einzige logische Schritt ist JETZT ERST RECHT:
Mit Blick auf das Erstarken des Faschismus brauchen wir jetzt erst Recht eine aufgeklärte Zivilgesellschaft und Journalismus, der Hintergründe aufdeckt und den Poltikern auf die Finger schaut. Es geht um nichts Geringeres als den Schutz unserer demokratischen Grundordnung.
Deswegen ist es wichtig, dass wir besonders jetzt diejenigen unterstützen, die wegen ihrer uverzichtbaren Arbeit angegriffen werden.
Auch für uns bei Volksverpetzer steht fest: Wir werden weiterhin Falschmeldungen auch dann widerlegen, wenn sie die Union treffen. Auch wenn die Union gerade die freie Presse angreift. Denn WIR handeln nie aus Rache, immer aus Bürgerpflicht.
Titelbild: Christoph Soeder/dpa
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