In der ZDF-Talkshow Markus Lanz vom 11. März zeigte(link is external) Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) volles Verständnis für den Positionswechsel von CDU-Chef Friedrich Merz, dem voraussichtlich nächsten Bundeskanzler. Während die CDU und Merz im Wahlkampf strikte Haushaltsdisziplin als Grundposition eingefordert und die "Schuldenbremse" vehement verteidigt hatten, vertritt der künftige Kanzler nun das Gegenteil und befürwortet ein "Sondervermögen" – also Schulden – in Höhe von 500 Milliarden zur Verbesserung der Infrastruktur.
Eingeladen waren neben Lauterbach auch der Grünen-Politiker Jürgen Trittin und die RND-Journalistin Eva Quadbeck.
Kein "Wortbruch"?
Auf diesen Widerspruch angesprochen, zeigte Lauterbach sich im Wesentlichen einverstanden mit der neuen Haltung von Merz. Moderator Lanz fragte mehrmals bei Lauterbach nach, ob es sich dabei nicht um einen "Wortbruch" handele. Lauterbach stritt dies ebenso wiederholt hartnäckig als "Unterstellung" ab und verwies auf die angeblich neue Lage seit der Wahl Trumps. Lanz benutzte dreimal den Ausdruck "Wortbruch" und setzte nach, es handele sich doch um eine "politische Lüge" bei dem, was Merz gemacht habe. Auf die Frage von Lanz, ob er, Karl Lauterbach, die Begründung von Friedrich Merz glaube, antwortete der SPD-Mann, ja, das glaube er. Wörtlich erklärte der Minister: "Dass die Lage sich verändert hat, das ist eben so."
Unglaubliche Szenen bei Markus #Lanz(link is external): Der notorische „Nicht-Wahrheitssager“ #Lauterbach(link is external) sieht nicht, dass Friedrich #Merz(link is external) sein Wort gebrochen hat. Lanz ist völlig verblüfft über Lauterbachs Dreistigkeit. pic.twitter.com/kmi88cTheI(link is external)
— Gegenpol (@Gegenpol_) March 11, 2025(link is external)
Daraufhin fragte Lanz nach: "Welche Lage hat sich genau verändert?" Lauterbach antwortete:
"Die militärische Lage. Wir brauchen, wir müssen, im Verteidigungshaushalt müssen wir massiv zusätzlich investieren. Hier geht es tatsächlich um Hunderte Milliarden Euro. Und dass die nicht aus dem Haushalt mobilisiert werden können, damit hat Friedrich Merz recht."
Keiner der Diskutanten ging auf die bemerkenswerte Wortwahl Lauterbachs – "militärische Lage" – ein. Möglicherweise war dies bloß ein Versprecher, und er meinte die sicherheitspolitische Lage seit der Wahl Donald Trumps – in diesem Sinne diskutierten Lanz, Trittin und auch Quadbeck. Möglicherweise hat man an dieser Stelle einfach nicht weiter differenziert. Doch tatsächlich hat sich die militärische Lage für die Ukraine nicht nur seit der Bundestagswahl, sondern bereits seit der Amtsübernahme Trumps, deutlich verschlechtert.
Parteipolitisches Geplänkel
Dass Lauterbach jedenfalls den Schwenk von Merz ohne Umschweife verteidigte, nutzte Trittin wiederum zu der Spitze gegen den SPD-Politiker, der sich noch vor Bildung einer Koalition mit der CDU vor deren Parteichef stellte:
"Deswegen finde ich es zwar rührend, Herr Lauterbach, wie Sie sich vor Ihren künftigen Kanzler werfen – das spricht dafür, dass geräuschloses Regieren angestrebt wird –, aber es geht ein bisschen an den Tatsachen vorbei."
Recht kleinlaut gab Lauterbach dann immerhin zu:
"Ich bin in der unbequemen Lage, Friedrich Merz zu verteidigen." Er sagte: "zu verteidigen", nicht etwa: "verteidigen zu müssen". Und gab sich dann ganz sprachsensibel: "Wortbruch, das ist etwas, das muss man sich genau überlegen."
Auffallend war die grundsätzliche Einigkeit zwischen dem SPD-Minister und dem grünen Ex-Minister. Momentan befinden sich die beiden Parteien noch in einer Koalition, während sich die Grünen auf ihre Oppositionsrolle vorbereiten müssen. Allerdings, und das zeigten die Äußerungen aus der Union, rechnet man mit der Zustimmung der Grünen zu den Plänen von CDU/CSU und SPD.
Abgekartetes Spiel?
Die Diskutanten bei Markus Lanz waren sich dann im Prinzip auch einig, dass es seit vielen Jahren einen sogenannten Investitionsstau in Deutschland gibt, der in der Zwischenzeit tatsächlich auf die genannte Höhe angewachsen ist.
In Wirklichkeit kommt der vermeintliche Positionswechsel von Friedrich Merz keineswegs überraschend. Bereits im Herbst 2024 war nach Recherchen des Stern bekannt geworden, dass sich der CDU-Chef durchaus vorstellen konnte, neue Schulden in beträchtlicher Höhe aufzunehmen, ungeachtet der bis dahin öffentlich erhobenen Kürzungsforderungen, die dann im Wahlkampf zum Markenzeichen der Unionsparteien werden sollten. Ebenso soll das Vorhaben, noch mit dem alten Bundestag die neuen Milliardenschulden zu beschließen, schon älteren Datums sein.
Insofern ist der Verweis auf das missglückte Treffen von Selenskij mit US-Präsident Trump im Weißen Haus offenkundig nur ein Vorwand für den Positionswechsel, den Merz nun öffentlich vollzogen hat. So hat, worauf Apollo News hinwies, Friedrich Merz bereits einen Tag vor dem Eklat im Weißen Haus in einer Videokonferenz mit den CDU-Ministerpräsidenten seine Bereitschaft zur Umgehung der "Schuldenbremse" erkennen lassen. An diesem 27. Februar hatte Merz sich dafür offen gezeigt, ein neues "Sondervermögen Bundeswehr" zu schaffen oder die Ausgaben für das Militär gänzlich von der Schuldenbremse auszunehmen.
Dass Moderator Lanz so überrascht tat, muss erstaunen – ist doch seit den Corona-Jahren bekannt, wie schnell und flexibel ein Karl Lauterbach die von ihm vertretenen Auffassungen – bis zur Behauptung des glatten Gegenteils – ändern kann.
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