Kampf um Demokratie: 100 Tage Revolte in Georgien

Allen Widrigkeiten und Repressionen zum Trotz demonstrieren in Georgien seit 100 Tagen Menschen für Neuwahlen und die Freilassung der politischen Gefangenen. Die Opposition wehrt sich gegen den russlandfreundlichen Kurs der Regierung und fordert den Beitritt zur EU.

Frau hält Megafon in der Hand, im Hintergrund Menschen und eine große georgische Flagge.
Eine Frau spricht auf einer Demonstration am 15. Februar. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / NurPhoto

Seit nunmehr 100 Tagen in Folge protestieren Menschen in Georgien gegen gefälschte Wahlen sowie den autoritären und russlandfreundlichen Kurs der Regierung. Seit der Ministerpräsident den Beitritt zur EU aussetzte, demonstrieren die Menschen jeden Tag in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Am Ende der Demonstrationen wird üblicherweise abends der Prachtboulevard vor dem Parlament für Stunden blockiert. Auch in anderen Städten des kleinen Kaukasuslandes kommt es weiterhin regelmäßig zu Protesten.

Die Oppositionsparteien boykottieren das aktuelle Parlament, so dass die Regierungspartei dort alleine agiert. Diese Boykott-Strategie wird mittlerweile angezweifelt. Denn die Regierungspartei „Georgischer Traum“ verschärft seit Monaten Gesetze. Sie baut den Staat ungeachtet der Proteste autoritär um und schränkt beispielsweise Versammlungs- und Pressefreiheit immer weiter ein.

Autoritärer Umbau in vollem Gange

So wurden unter anderem Strafen wegen Vermummung eingeführt und Strafen für Straßenblockaden drakonisch verschärft. Neue Paragrafen wie Hochverrat werden wieder eingeführt, auch Einschränkungen der sozialen Medien sind im Gespräch. Die Arbeit der Zivilgesellschaft hat die Regierung schon in der letzten Wahlperiode durch ein NGO-Gesetz nach russischer Machart erschwert. Im Demokratie-Index des Economist ist Georgien eines der Länder weltweit mit dem stärksten Demokratieverlust 2024.

Die Regierung hat neben dem autoritären Umbau des Landes, Repressionen gegen Einzelpersonen und Pressevertreter:innen eine Strategie des Totlaufens der Proteste gewählt. Sie setzt darauf, dass die Proteste trotz breiter Unterstützung in der Gesellschaft es nicht vermögen, den Staat mit zivilem Ungehorsam oder einem Generalstreik in die Knie zu zwingen. Versuche von Blockaden der Hauptstadt-Autobahn hatte die Polizei vor etwa einem Monat mit Gewalt verhindert. Trotzdem gelingt es der Opposition fortwährend täglich zu mobilisieren und immer wieder Tausende Menschen auf die Straße zu bringen.

Mit Wut, Tanz und Courage

Pressefreiheit stark unter Druck

Mitte Januar hatte georgische Polizei die Journalistin Mzia Amaglobeli auf einer Demonstration festgenommen. Die Gründerin und Geschäftsführerin der unabhängigen Publikationen Batumelebi und NetGazeti wurde wegen eines angeblichen Angriffs auf einen Polizeibeamten festgenommen, worauf eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren steht. Amaglobeli war aus Protest gegen ihre Inhaftierung für fast 40 Tage im Hungerstreik. Mehr als ein Dutzend Botschaften fordern ihre Freilassung.

Bei einer Anhörung vor Gericht am vergangenen Dienstag gab es keine Anzeichen dafür, dass die Journalistin und Medienmanagerin freigelassen werden könnte. Das Komitee zum Schutz von Journalisten verurteilte die Entscheidung des Gerichts, den Prozess gegen Amaghlobeli fortzusetzen und sie in Haft zu behalten.

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Die Lage der Pressefreiheit hat sich seit Monaten in Georgien immer weiter verschlechtert. Zahlreiche Journalist:innen wurden vorübergehend festgenommen, bei der Berichterstattung behindert und von Polizei und Regime-Schlägern verletzt. Darüber hinaus drohen Vertreter der Regierungspartei unabhängige Medien immer wieder. Im aktuellen Bericht zur Pressefreiheit in Europa des Europarats heißt es, dass „die Pressefreiheit in Georgien durch den zunehmenden Autoritarismus stark unter Druck steht.“

Hinzu kommt, dass georgische Onlinemedien wie OC-Media jetzt auch noch dem Kahlschlag von Elon Musk und Donald Trump zum Opfer fallen. Das englischsprachige Medium, das über den gesamten Kaukasus berichtet, kann nach eigener Aussage nur noch zwei Monate überleben, wenn es nicht genügend dauerhafte Spender:innen findet.


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