Haben die USA einen geheimen „Kill Switch“, um europäische Waffen zu deaktivieren?

Europa hinterfragt seine starke Abhängigkeit von US-Waffen und erwägt die Möglichkeit, dass der Kontinent sich nicht mehr auf Washington zur Verteidigung verlassen kann.

Was zunächst nach einer bloßen Verschwörungstheorie klingen mag, sorgt mittlerweile für ernsthafte Bedenken in europäischen Regierungen: Besteht die Gefahr, dass die Waffen in ihren Arsenalen – viele davon in den USA entwickelt, gebaut und gewartet – über geheime „Kill Switches“ verfügen, die sie im Ernstfall unbrauchbar machen könnten, wenn Washington es so will?

Solche Spekulationen existieren bereits seit dem Kalten Krieg, haben jedoch durch die Verurteilung Westeuropas durch die Trump-Administration und ihre Annäherung an Russland und China neue Brisanz erhalten. Besonders deutlich wurde dies in der Rede von Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er erklärte, die wahre Bedrohung für Europa gehe nicht von Russland oder China aus, sondern liege „im Inneren“.

Einige europäische Regierungen wurden zudem alarmiert, als Präsident Donald Trump vorübergehend die Militärhilfe für die Ukraine einstellte, nachdem es zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office zu Spannungen gekommen war.

„Wenn sie sehen, wie Trump mit Selenskyj umgeht, sollten sie sich Sorgen machen“, sagte Mikael Grev, Geschäftsführer des schwedischen KI-Unternehmens Avioniq Awareness, das sich auf militärische Anwendungen spezialisiert hat, gegenüber der Financial Times. „Er wirft ihn vor den Bus. Die nordischen und baltischen Staaten müssen sich fragen: Wird er das Gleiche mit uns tun?“

Die Existenz geheimer „Kill Switches“ wurde zwar nie bewiesen, ist aber technisch denkbar. Richard Aboulafia, Analyst bei der Luftfahrtberatung AeroDynamic Advisory, betont, dass Waffen mit nur wenigen Zeilen Software-Code deaktiviert werden könnten – eine Möglichkeit, die nicht ausgeschlossen werden kann.

Europas gefährliche Abhängigkeit

Die eigentliche Gefahr für Europa liegt jedoch nicht in einem hypothetischen „Kill Switch“, sondern in der massiven Abhängigkeit der europäischen Streitkräfte von US-Teilen und Wartungsdienstleistungen. Zwischen 2019 und 2023 stammten 55 % aller militärischen Importe europäischer Staaten aus den USA – ein Anstieg von 35 % im Vergleich zu den fünf Jahren davor.

Beispielsweise wurden mehr als die Hälfte aller Kampfflugzeuge der fünften Generation, die derzeit in Europa im Einsatz sind, in den USA produziert. Diese Waffen sind auf eine ständige Versorgung mit Ersatzteilen, Munition und Software-Updates aus den USA angewiesen, um einsatzfähig zu bleiben. Besonders anspruchsvolle Ausrüstungsgegenstände werden sogar routinemäßig zur Wartung in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt.

Darüber hinaus sind die europäischen Streitkräfte in Bereichen wie Kommunikation, elektronischer Kriegsführung, Geheimdiensterfassung und Satellitenüberwachung vollständig von US-Technologie abhängig.

Die geopolitische Realität verändert sich

Noch vor wenigen Monaten galt eine Auflösung des transatlantischen Militärbündnisses als unvorstellbar. Doch mit einer sich verändernden geopolitischen Realität sieht sich Europa gezwungen, seine strategische Abhängigkeit neu zu bewerten – sowohl angesichts der Bedrohung aus Moskau als auch der Ungewissheit über Washingtons langfristige Verpflichtungen.

Ein Beispiel für diese neue Dynamik ist Trumps Drohung, Grönland zu annektieren – notfalls mit Gewalt. Dänemark hat daraufhin angekündigt, seine militärische Präsenz auf der Insel zu verstärken. Doch die dänische Luftwaffe setzt auf Kampfflugzeuge des Typs F-35 aus US-Produktion. Sollte es zu einem Konflikt mit den USA kommen, könnte Dänemark diese Maschinen möglicherweise nicht mehr nutzen, sei es durch technische Blockaden oder einen Stopp der US-Wartungs- und Softwaredienste.

Selbst in Europa entwickelte und gebaute Kampfflugzeuge sind auf Kommunikationssysteme und GPS-Navigation angewiesen, die aus den USA stammen.

Die nukleare Frage

Eine der entscheidenden Fragen für ein Europa, das sich zunehmend mit einer Welt ohne verlässlichen US-Schutz auseinandersetzen muss, betrifft die Atomwaffen des Vereinigten Königreichs. Seit dem Kalten Krieg stehen alle europäischen NATO-Mitglieder unter dem „nuklearen Schutzschirm“ der USA, was bedeutet, dass Washington sich verpflichtet hat, sie im Ernstfall mit Atomwaffen zu verteidigen.

Diese Drohung der „gegenseitigen Zerstörung“ galt bislang als Abschreckung gegen Angriffe auf Europa, insbesondere aus Russland. Doch wenn die USA diesen Schutz aufgeben, könnte Europa so verwundbar sein wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Die einzigen beiden europäischen Länder mit eigenen Atomwaffen sind Großbritannien und Frankreich. Frankreich hat bereits angeboten, Deutschland unter seinen „nuklearen Schirm“ zu nehmen, doch Berlin hat sich dazu noch nicht offiziell geäußert. Allerdings besitzt Frankreich nur rund 300 nukleare Sprengköpfe – ein Bruchteil der fast 6.000, die Russland zur Verfügung stehen sollen.

Das Vereinigte Königreich könnte theoretisch seine nukleare Abschreckung auf Kontinentaleuropa ausweiten. Das Problem dabei: Alle britischen Atomraketen, die auf U-Booten stationiert sind, wurden in den USA entwickelt und gebaut. Selbst wenn keine „Kill Switches“ existieren, sind die britischen Raketen für Wartung und Updates auf eine US-Basis in King’s Bay, Georgia, angewiesen. Ohne amerikanische Unterstützung wären sie auf Dauer unbrauchbar.

Die Ungewissheit bleibt

Obwohl sich europäische Politiker zunehmend mit der Möglichkeit einer Zukunft ohne verlässlichen US-Schutz beschäftigen, hat sich an der bestehenden transatlantischen Zusammenarbeit bislang nichts verändert. „Es gibt viel Unbehagen darüber, was passieren wird“, sagte Joachim Finkielman, Direktor von DI Danish Defence and Security Industries, der Financial Times. „Aber bisher haben wir keine spürbaren Veränderungen in den Beziehungen zu den USA erlebt.“

Finkielman betonte zudem, dass US-Rüstungsunternehmen in einigen Fällen ebenfalls auf in Europa hergestellte Teile angewiesen sind – etwa für das Kampfflugzeug F-35. Diese Abhängigkeit ist also nicht völlig einseitig.

Fazit: Eine mögliche Zäsur?

Ob diese offensichtliche politische Entfremdung zwischen den USA und Europa letztlich nur eine Phase oder der Beginn eines dauerhaften Bruchs ist, bleibt abzuwarten. Der eigentliche Verlierer könnte jedoch die US-Rüstungsindustrie sein. Europas Vertrauen in eine unerschütterliche amerikanische Unterstützung war ein wesentlicher Grund für die massive Abhängigkeit von US-Waffen.

Doch es könnte bereits zu spät sein, um den Trend umzukehren: Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus sind die Verkäufe amerikanischer Waffen in Europa zurückgegangen, während europäische Hersteller zunehmend an Einfluss gewinnen.

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