Die zweite Administration Trump verfolgt weiter hegemoniale Ziele, wie: Das US-Ukraine-Abenteuer zu europäisieren, den Mittleren Osten in Brand zu stecken, einen Keil zwischen die Verbindung Russland-China zu treiben, um mit einer ausreichenden Angreifer-Allianz gegen China anzugehen.
Sergey Lawrow: „Alle Versuche mit dem Westen
auf Augenhöhe auszukommen sind gescheitert!“ – Teil 2
Tucker Carlson: Unter welchen Bedingungen würde Russland die Feindseligkeiten einstellen? Was fordern Sie?
Sergej Lawrow: Vor zehn Jahren, im Februar 2014, forderten wir , dass die Vereinbarung zwischen dem Präsidenten und der Opposition zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit vorgezogenen Wahlen umgesetzt werde. Die Vereinbarung wurde unterzeichnet und wir forderten deren Umsetzung. Sie hingegen zeigten sich absolut ungeduldig und aggressiv. Natürlich wurden sie von den Amerikanern dazu gedrängt – daran habe ich nicht den geringsten Zweifel: Nachdem Victoria Nuland und der US-Botschafter sich über die Zusammensetzung der Regierung einig geworden waren, bestand für sie kein Grund mehr fünf Monate auf vorgezogene Wahlen zu warten.
Als nächstes zeigten wir Bereitschaft zur Einigkeit in Bezug auf den Abschluss der Minsker Vereinbarungen. Ich wohnte diesem Ereignis bei. Die Verhandlungen liefen über 17 Stunden, nachdem die Krim aufgrund des Referendums zu diesem Zeitpunkt für die Ukraine schon verloren gegangen war. Niemand im Westen, auch nicht mein Kollege John Kerry, der sich mit uns traf, kümmerte sich um die Krim. Alle waren nur auf den Donbass konzentriert. Die Minsker Vereinbarungen sahen – abzüglich der Krim (sie wurde nicht einmal angesprochen) – vor, die territoriale Integrität der Ukraine unter einem Sonderstatus für einen sehr kleinen Teil des Donbass, nicht für den gesamten Donbass und schon gar nicht für Neurussland, zu sichern. In einem Teil des Donbass sollte laut Minsker Abkommen, welches vom UN-Sicherheitsrat gebilligt worden war, die Bevölkerung das Recht erhalten, Russisch sprechen, unterrichten und studieren zu dürfen. Dazu kamen noch Rechte, wie:
– zur Einsetzung lokaler Strafverfolgungsbehörden, wie in den US-Bundesstaaten.
– bei Ernennung von Richtern und Staatsanwälten durch die Zentralbehörde konsultiert zu werden.
– zur Erhaltung einiger bevorzugter Wirtschaftsbeziehungen zu Nachbarregionen von Russland.
Das war alles. Es entspricht in etwa dem, was Präsident Macron Korsika versprochen hatte bzw. worüber noch immer überlegt, um es umzusetzen.
Besagte Vereinbarungen wurden im Anschluss von Piotr Poroschenko und von seinem Nachfolger Wladimir Selenskyj durchgehend sabotiert. Beide sind übrigens mit dem Versprechen für Frieden zu ihrem Präsidentenamt angetreten. Doch beide haben gelogen. Nachdem wir Versuche erlebten, die Minsker Abkommen in einem solchen Ausmaß zu sabotieren, um diesen winzigen Teil vom Donbass mit Gewalt einzunehmen, schlugen wir, wie Präsident Putin damals erklärte, NATO und den Vereinigten Staaten nachfolgend jene Sicherheitsvereinbarungen vor, die von ihnen jedoch abgelehnt wurden. Nur nachdem die Ukraine und ihre Sponsoren anfingen ihren Plan B umzusetzen, um einen Teil des Donbass mit Gewalt einzunehmen, starteten wir die Spezielle Militär-Operation .
Hätten sie die Minsker Abkommen umsetzen lassen, wäre die Ukraine ein Land, abzüglich der Krim, geblieben. Aber selbst nachdem wir die Operation schon gestartet hatten, doch die Ukrainer Verhandlungen vorschlugen, stimmten wir dem zu: Es gab mehrere Verhandlungsrunden – zuerst in Belarus – die später nach Istanbul verlegt wurden. In Istanbul legte die ukrainische Delegation ein Papier auf den Tisch, auf dem stand:
Das sind die Prinzipien, auf die wir uns einigen könnten!
Und wir haben diese Prinzipien akzeptiert.
Tucker Carlson: Die Minsker Prinzipien?
Sergej Lawrow: Nein: Die Istanbuler Prinzipien! Es war April 2022.
Tucker Carlson: Richtig!
Sergej Lawrow: Diese besagten: Keine NATO- , aber Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die gemeinsam unter der Beteiligung Russlands implementiert werden würden.
Doch, diese Sicherheitsgarantien würden weder die Krim noch den Osten der Ukraine umfassen. Das war ihr Vorschlag . Das wurde paraphiert. Der Leiter der ukrainischen Delegation in Istanbul, der heute Vorsitzender der Fraktion von Wladimir Selenskyj im Parlament ist, hat in einem Interview inzwischen bestätigt, dass dies so der Fall gewesen ist. Auf Grundlage dieser Prinzipien waren wir bereit, einen Vertrag abzuschließen.
Doch, dann sagte besagter Verhandlungsleiter der ukrainische Delegation in Istanbul, dass Boris Johnson aufgetaucht wäre und ihnen mitgeteilt hätte, dass man weiterkämpfen sollte. Dann gab es …
Tucker Carlson: Aber, Boris Johnson kam im Namen von…?
Sergej Lawrow: Er hat „Nein“ gesagt und der Mann , welcher den Vertragsentwurf paraphiert hatte, sagte, es wäre Boris Johnson gewesen. Andere Leute meinen, es wäre Präsident Putin gewesen, der das Abkommen wegen des Massakers in Bucha hätte platzen lassen:
Doch, sie haben nie wieder vom Massaker in Bucha gesprochen. Ich und die russische Seite jedoch schon!
In gewisser Weise befinden sie sich in der Defensive. Mehrmals habe ich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, als ich mit Antonio Guterres an einem Tisch saß sowie auch in der Generalversammlung – im letzten und in diesem Jahr – das Thema Bucha angesprochen. Ich verwies darauf, dass es eigenartig anmutet, dass man seither zu Bucha nur schweigt – umso mehr, als man sich lautstark verhielt, nachdem das BBC-Team auf die Straße mit den dort aufgereihten Leichen gestoßen war.
Ich fragte, ob wir die Namen der Personen bekommen könnten, von denen die BBC Bilder ausgestrahlt hatte. Totales Schweigen. Ich habe Antonio Guterres persönlich in Anwesenheit der Mitglieder des Sicherheitsrates angesprochen. Er hat nicht geantwortet.
Dann habe ich nach dem Ende der Generalversammlung im vergangenen September auf meiner Presse-Konferenz in New York alle Korrespondenten aufgefordert:
„Leute, ihr seid alle Journalisten. Vielleicht sind Sie keine investigativen Journalisten, aber Journalisten sind normalerweise daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden. Doch, die Sache in Bucha, die in allen Medien gespielt wurde, um Russland zu verurteilen, interessiert niemanden – weder Politiker noch UN-Beamte. Und inzwischen auch keine Journalisten?“
Ich bat bei unserem Gespräch im September jene, als professionelle Vertreter zu versuchen, die Namen derer herauszufinden, deren Leichen in Bucha zur Schau gestellt wurden. keine Antwort !
Es lief genauso, wie wir auch keine Antwort auf die Frage erhielten, wo die Ergebnisse der medizinischen Diagnose von Alexej Nawalny, der inzwischen verstorben war, aber im Herbst 2020 in Deutschland behandelt wurde, geblieben waren. Als es ihm im Flugzeug über Russland schlecht ging, landete das Flugzeug. Er wurde von russischen Ärzten in Sibirien behandelt. Im Anschluss wollten die Deutschen ihn übernehmen. Wir haben der Landung ihres Flugzeugs umgehend zugestimmt. Sie haben ihn mitgenommen. Nach weniger als 24 Stunden befand er sich in Deutschland.
Doch, anschließend behaupteten die Deutschen weiterhin, wir hätten ihn vergiftet: Inzwischen hätte die Analyse bestätigt, dass Nawalny vergiftet worden wäre. Wir baten darum, uns die Testergebnisse zukommen zu lassen. Sie verweigerten das, um ihre Diagnose der Organisation für das Verbot chemischer Waffen zu übergeben. Wir sind als Mitglied der OVCW zu dieser Organisation gegangen, um den Befund zu bekommen, nachdem es sich um einen russischen Staatsbürger handelt und Russland beschuldigt worden war, Nawalny vergiftet zu haben. Man sagte, die Deutschen hätten sie angewiesen, besagte Informationen nicht an Russen weiterzugeben. Sie fanden nichts im zivilen Krankenhaus, doch die Mitteilung, dass er vergiftet worden wäre, wurde erst gemacht, nachdem er im Bundeswehrkrankenhaus behandelt worden war. Es scheint also, dass dieses Geheimnis nicht …
Frage: Wie ist Nawalny dann gestorben?
Sergej Lawrow: Nun, er ist in russischer Haft gestorben. Soweit berichtet wurde, fühlte er sich immer wieder unwohl. Das war ein weiterer Grund, warum wir weiterhin die Deutschen aufforderten, uns die Ergebnisse, die ihnen vorlagen, zu liefern. Denn wir diagnostizierten nicht, was sie hingegen vorgaben herausgefunden zu haben. Was sie mit ihm machten, wissen wir ebenfalls nicht!
Tucker Carlson: Was die Deutschen ihm angetan haben?
Sergej Lawrow: Ja, weil sie es niemandem erklären – auch uns nicht. Oder vielleicht erklären sie es den Amerikanern. Vielleicht ist das glaubwürdig?Doch sie sagten uns nie, wie sie ihn behandelt, was sie gefunden bzw. welche Therapien sie angewendet hätten.
Tucker Carlson: Was glauben Sie, wie er gestorben ist?
Sergej Lawrow: Ich bin kein Arzt. Aber damit irgendjemand, selbst Ärzte, eine Vermutung anstellen können, müssten sie zuvor besagte Informationen erhalten. Nachdem die Person nach der Vergiftung zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden war, sollten die Testergebnisse nicht geheim bleiben. Wir können auch nach wie vor nichts Glaubwürdiges über das Schicksal der Skripals – Sergei Skripal und seiner Tochter – in Erfahrung bringen. Die Informationen werden uns nicht zur Verfügung gestellt. Er ist unser Staatsbürger, sie ist unsere Staatsbürgerin. Wir haben alle Rechte gemäß den Konventionen, denen auch das Vereinigte Königreich beigetreten ist, um solche Informationen zu erhalten.
Tucker Carlson: Warum glauben Sie, dass Boris Johnson, der ehemalige Premierminister des Vereinigten Königreichs, den Friedensprozess in Istanbul gestoppt hatte? In wessen Namen handelte er?
Sergej Lawrow: Nun, ich habe mich ein paar Mal mit ihm getroffen und es würde mich nicht wundern, dass er von einem unmittelbaren Drang oder einer langfristigen Strategie getragen wurde. Er scheint nicht sonderlich berechenbar.
Tucker Carlson: Aber glauben Sie, dass er im Auftrag der US-Regierung und der Biden-Administration auftrat oder dass er unabhängig gehandelt hatte?
Sergej Lawrow: Ich weiß es nicht und möchte auch keine Vermutungen anstellen. Die Tatsache, dass die Amerikaner und Briten in dieser „Situation“ die Führung überhaben, scheint offensichtlich.
Inzwischen wird deutlich, dass einige Hauptstädte Ermüdungserscheinungen zeigen und es taucht immer wieder Gerede darüber auf, dass die Amerikaner die Angelegenheit den Europäern aufhalsen möchten, um sich auf etwas Wichtigeres zu konzentrieren.
Ich möchte diesbezüglich keine Vermutungen anstellen. Wir möchten nach konkreten Schritten urteilen. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Biden-Regierung der Trump-Administration eine möglichst schlechte Altlast hinterlassen möchte.
Ganz ähnlich, wie es Barack Obama gegenüber Donald Trump knapp vor Antritt seiner ersten Amtszeit schon getan hatte: Ende Dezember 2016 hat Präsident Obama russische Diplomaten ausweisen lassen – ausgerechnet Ende Dezember. Das waren 120 Personen mit Familienmitgliedern. Er tat es mit Absicht. Er verlangte, dass sie an dem Tag ausreisen sollten, an dem es keinen Direktflug von Washington nach Moskau gab. Also hatten sie mit Bussen – mit ihrem ganzen Gepäck, mit Kindern und so weiter – nach New York zu transferieren.
Zur gleichen Zeit verkündete Präsident Obama die Beschlagnahmung von Teilen russischen diplomatischen Eigentums. Wir waren bis heute nicht in der Lage, uns über den Zustand dieses russischen Eigentums zu vergewissern.
Tucker Carlson: Um welches Eigentum handelte es sich dabei?
Sergej Lawrow: Diplomatisches Eigentum! Sie erlaubten uns nicht, es uns anzusehen, obwohl dies nach allen Konventionen möglich wäre. Sie sagten einfach, dass diese Stücke nicht unter die diplomatische Immunität fielen, was eine einseitige Entscheidung darstellt, die nie von einem internationalen Gericht bestätigt wurde.
Tucker Carlson: Sie glauben also, dass die Biden-Regierung wieder etwas Ähnliches gegen die kommende Trump-Regierung im Schilde führt?
Sergej Lawrow: Denn diese Episode mit Ausweisung sowie Beschlagnahme von Eigentum hat uns sicherlich nicht den Boden zur Aufnahme vielversprechender Beziehungen zur Trump-Regierung bereitet. Ich denke also, dass sie dasselbe tun.
Tucker Carlson:: Aber dieses Mal wurde Präsident Trump mit seinem ausdrücklichen Versprechen gewählt, den Krieg in der Ukraine beenden zu wollen. Das hat er bei jeder Veranstaltung wiederholt. Angesichts dessen besteht also Hoffnung auf eine Lösung – so scheint es. Welchen Bedingungen würden Sie zustimmen?
Sergej Lawrow: Nun, die Bedingungen habe ich im Grunde schon angesprochen. Als Präsident Putin am 14. Juni in diesem Außenministerium auftrat, bekräftigte er einmal mehr, dass wir bereit wären, auf Grundlage der in Istanbul vereinbarten bzw. der von Boris Johnson abgelehnten Prinzipien, wie der Leiter der ukrainischen Delegation erklärte, zu verhandeln.
Das wichtigste Prinzip ist der Nicht-Block-Status der Ukraine und wir blieben ein Teil der Gruppe von Ländern, um der Ukraine kollektive Sicherheitsgarantien zuzusichern.
Tucker Carlson: Aber keine NATO ?
Sergej Lawrow: Keine NATO – absolut. Keine Militärstützpunkte und keine Militärübungen auf ukrainischem Boden unter Beteiligung ausländischer Truppen. Das hat er mehrfach wiederholt. Aber natürlich, wie Putin anfügte, wäre seit April 2022 einige Zeit verstrichen, sodass die Realitäten vor Ort zu berücksichtigen und zu akzeptieren wären.
Die Realitäten vor Ort betreffen nicht nur die Kontaktlinie, sondern auch die Änderungen in der russischen Verfassung nach den Referenden, die in den Republiken Donezk und Lugansk sowie in den Regionen Cherson und Saporischschja abgehalten worden waren. Diese wurden gemäß der Verfassung inzwischen zu einem Teil der Russischen Föderation – das sind die Realitäten!
Und natürlich können wir kein Abkommen dulden, das eine Gesetzgebung beibehält, welche die russische Sprache, russische Medien, russische Kultur und die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verbietet. Denn, das sind Verstöße gegen die Verpflichtungen der Ukraine entgegen der UN-Charta und dagegen muss etwas unternommen werden.
Die Tatsache, dass der Westen seit Beginn dieser russophoben Gesetzesoffensive im Jahr 2017 in völliges Schweigen verfiel bzw. bis heute geschwiegen hat, wird erfordern, dass wir das natürlich auf ganz besondere Weise zu berücksichtigen haben.
Tucker Carlson: Wäre Aufhebung der Sanktionen gegen Russland eine Bedingung?
Sergej Lawrow: Wissen Sie, ich würde sagen, dass wahrscheinlich viele Menschen in Russland dies als eine der Bedingungen ansehen. Doch, je länger wir unter Sanktionen leben, desto mehr verstehen wir, dass es besser ist, sich auf sich selbst zu verlassen und Mechanismen und Plattformen für die Zusammenarbeit mit „normalen“ Ländern, die einem nicht feindlich gesinnt sind und wirtschaftliche Interessen insbesondere nicht mit Politik vermischen, zu entwickeln. Wir haben viel dazu gelernt, seit diese Sanktionen verhängt worden sind:
Die Sanktionen begannen unter Präsident Obama. Sie wurden in großem Umfang unter der ersten Amtszeit von Donald Trump fortgesetzt und die Sanktionen unter der Biden-Regierung sind absolut beispiellos. Aber was uns nicht umbringt, macht uns stärker!
Sie werden uns niemals umbringen, also machen sie uns stärker!
Tucker Carlson: … und treiben Russland gegen Osten.
Die gleichen Entscheidungsträger in Washington hatten vor 20 Jahren die Vision, Russland in einen westlichen Block zu integrieren, sozusagen als Gegengewicht zum aufstrebenden Osten!
Aber so scheint es nicht zu laufen. Glauben Sie, dass das noch möglich sei?
Sergej Lawrow: Ich glaube nicht. Als Präsident Putin kürzlich vor Politologen und Experten im Waldai-Klub sprach, sagte er, dass wir nie wieder in die Situation von Anfang 2022 zurückkehren wollten.
Damals wurde Putin klar – anscheinend nicht nur ihm, sondern auch der Öffentlichkeit – dass alle Versuche, mit dem Westen auf Augenhöhe auszukommen, gescheitert sind!
Es begann nach dem Untergang der Sowjetunion: Es herrschte Euphorie, man wäre jetzt Teil der „liberalen Welt“, der demokratischen Welt, des „Endes der Geschichte“. Aber sehr bald wurde den meisten Russen klar, dass wir in den 1990er Jahren bestenfalls als Juniorpartner und vielleicht nicht einmal als Partner , behandelt worden waren.
Der Westen erachtete Russland als Ort, an dem man die Dinge organisieren könne, wie man nur wollte, nachdem man Geschäfte mit Oligarchen abgeschlossen und Ressourcen und Vermögenswerte gekauft hatte: Die Amerikaner dachten wahrscheinlich danach, dass sie Russland künftig in der Tasche hätten!
Boris Jelzin, Bill Clinton & Kameraden, die lachten und scherzten!
Doch selbst zum Ende der Amtszeit von Boris Jelzin begann dieser nachzugrübeln, wonach dies nicht das war, was er für Russland angestrebt hatte. Ich denke, das wurde ganz offensichtlich, als er Wladimir Putin zum Premierminister ernannte und vorzeitig zurücktrat, um Wladimir Putin den Segen als seinen Nachfolger – für die bevorstehenden Wahlen, die Putin dann auch gewann – zu erteilen!
Als Wladimir Putin jedoch Präsident wurde, war er sehr offen für eine Zusammenarbeit mit dem Westen.
Putin erwähnte dies regelmäßig – wenn immer er in Interviews oder bei internationalen Veranstaltungen auftrat.
Ich war dabei, als er sich mit George Bush Jr. und Barack Obama traf. Es war nach dem NATO-Treffen in Bukarest bzw. dem nachfolgenden NATO-Russland-Gipfeltreffen im Jahr 2008, als sie ankündigten, dass Georgien und Ukraine der NATO beitreten würden. Im Anschluss versuchte man, uns das zu verkaufen. Wir fragten: „Warum ?“ Es gab ein Mittagessen und Präsident Putin fragte, was der Grund dafür wäre? Gute Frage: Sie antworteten, das sei nicht obligatorisch. Wie denn das?
Nun, um den Prozess des NATO-Beitritts einzuleiten, wird eine formelle Einladung benötigt, wozu sich der Slogan: „Ukraine und Georgien werden in NATO aufgenommen!“ gesellte.
Doch einige Leute in Tiflis waren von diesem Slogan so sehr besessen, was Michail Saakaschwili den Verstand raubte, indem er unter dem Schutz der OSZE-Mission samt russischen Friedenstruppen vor Ort, den Krieg gegen sein eigenes Volk lostrat.
Die Tatsache, dass er dies in Gang gesetzt hatte, wurde durch eine von der EU eingeleitete Untersuchung bestätigt: Sie kam zum Schluss, dass er den Befehl zum Beginn gegeben hätte! Bei den Ukrainern hat es etwas länger gedauert. Sie haben die pro-westliche Stimmung förmlich kultiviert. Nun, pro-westlich ist im Grunde nicht schlecht. Pro-östlich ist auch nicht schlecht:
Schlimm ist nur, wenn man den Leuten „entweder/oder“ aufzwingt: Entweder ist man auf meiner Seite oder man würde zum Feind!
Was geschah vor dem Putsch in der Ukraine ? 2013 handelte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch mit der Europäischen Union ein Assoziierungsabkommen aus, das Zölle auf die meisten ukrainischen Waren in die Europäische Union und umgekehrt aufgehoben hätte. Irgendwann, als er sich mit russischen Amtskollegen traf, sagten man ihm, dass die Ukraine Teil der Freihandelszone der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sei – ohne Zölle für alle. Wir, Russland, hatten 17 Jahre lang mit der Welthandelsorganisation verhandelt, hauptsächlich, weil wir mit der Europäischen Union zu feilschen hatten. Wir hatten dabei einen gewissen Schutz für viele unserer Sektoren, wie Landwirtschaft und einige andere, herausholen können. Wir erklärten den Ukrainern, dass wir unsere Zollgrenze zur Ukraine zu schützen hätten, falls sie ihren Handel mit der Europäischen Union zum Null-Tarif einrichten wollten. Andernfalls würden zollfreie europäische Waren unsere Industrien, die wir zu schützen versuchten und für die wir einen gewissen Schutz vereinbart hatten, überschwemmen und schädigen. Wir schlugen der Europäischen Union vor, nachdem die Ukraine unser gemeinsamer Nachbar ist und alle mit der Ukraine dasselbe – nämlich einen besseren Handel – anstrebten:
Die Ukraine will Märkte sowohl in Europa als auch in Russland bedienen. Warum setzen wir uns nicht zu dritt an den Tisch und besprechen das, wie unter Erwachsenen?
Als Präsident der Europäischen Kommission fungierte der Portugiese José Manuel Barroso, der erwiderte:
Es ginge Russland nichts an, was die EU mit der Ukraine mache! Sie – die Europäische Union – würde beispielsweise auch nicht Russland ersuchen, mit der EU über den russischen Handel mit Kanada zu sprechen. Eine absolut arrogante Antwort!
Danach berief der Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, seine Experten ein: Sie bestätigten, dass es nicht sehr gut wäre, die Grenze zur Europäischen Union zu öffnen und die Zollgrenze zu Russland hingegen geschlossen zu bekommen, zumal Russland kontrollieren würde, was hinein geliefert würde, damit der russische Markt nicht beeinträchtigt würde.
Demnach verkündete der Präsident der Ukraine im November 2013, dass er das Abkommen nicht sofort unterzeichnen wollte und bat die Europäische Union, die Gespräche auf das nächste Jahr zu verschieben:
Das war der Auslöser für den Maidan, der sofort ausbrach und mit dem Coup d’État endete!
Worauf ich hinaus will, ist dieses „Entweder-Oder“. Tatsächlich fand der erste Putsch schon im Jahr 2004 statt, als nach der zweiten Wahlrunde derselbe Viktor Janukowitsch die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte. Der Westen machte einen Riesenaufstand und übte Druck auf das Verfassungsgericht der Ukraine aus, damit dieses eine dritte Wahlrunde anordnete. Doch, die Verfassung der Ukraine besagt, dass es nur zwei Wahlgänge geben dürfe.
Doch, das Verfassungsgericht verstieß damals unter dem Druck des Westens bereits zum ersten Mal gegen die Verfassung: So aber wurde schließlich der pro-westliche Kandidat gewählt.
Zu dieser Zeit, als all dies geschah und brodelte, sagten die europäischen Staats- und Regierungschefs öffentlich, dass das ukrainische Volk sich zu entscheiden hätte, um sich entweder für die EU oder für Russland zu deklarieren!
Tucker Carlson: Aber so verhalten sich große Länder nun einmal. Ich meine, es gibt bestimmte Orbits und das bedeutet zurzeit BRICS gegen NATO oder USA gegen China.
Es klingt so, als wollten Sie sagen, dass die russisch-chinesische Allianz dauerhaft wäre?
Sergej Lawrow: Nun, wir sind Nachbarn. Natürlich ist die Geografie sehr wichtig.
Tucker Carlson: Aber, Sie sind auch Nachbar von Westeuropa. Sie sind praktisch ein Teil davon.
Sergej Lawrow: Über die Ukraine will Westeuropa an unsere Grenzen gelangen. Es gab Pläne, die nahezu offen diskutiert wurden, um …:
… britische Marinestützpunkte am Asowschen Meer zu errichten. Auch die Krim wurde ins Auge gefasst. Man träumte davon, auf der Krim einen NATO-Stützpunkt zu errichten und dergleichen mehr!
Sehen Sie, wir waren zum Beispiel sehr freundlich zu Finnland. Doch, über Nacht kehrten die Finnen zu den frühen Jahren der Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg zurück, als sie zu den besten Verbündeten Hitlers wurden. All diese Neutralität, all diese Freundschaft, gemeinsam in die Sauna zu gehen oder Eishockey zu spielen, all das verschwand über Nacht.
Vielleicht lag ihnen das so sehr am Herzen, und die Neutralität und die Nettigkeiten belasteten sie?
Ich weiß es nicht!
Tucker Carlson: Sie sind wütend wegen des „Winterkriegs“. Das ist durchaus möglich. Könnten Sie mit Selenskyj verhandeln? Sie haben darauf hingewiesen, dass er seine Amtszeit überschritten hätte. Er wäre nicht mehr demokratisch gewählter Präsident der Ukraine. Halten Sie ihn noch für einen geeigneten Verhandlungspartner?
Sergej Lawrow: Präsident Putin hat auch dieses Thema mehrfach angesprochen. Im September 2022, im ersten Jahr der militärischen Sonderoperation, unterzeichnete Wladimir Selenskyj in der Überzeugung, dass er auch dem Westen die Bedingungen diktieren könne, ein Dekret, das jegliche Verhandlungen mit Putins Regierung untersagt.
Nach diesem Vorfall wurde Präsident Wladimir Putin bei öffentlichen Auftritten gefragt, warum Russland nicht zu Verhandlungen bereit wäre, worauf er klarstellte:
Drehen Sie den Spieß nicht um: Wir sind zu Verhandlungen schon morgen bereit, vorausgesetzt, sie basierten auf einem Interessenausgleich!
Doch, Wladimir Selenskyj hat dieses Dekret unterzeichnet, das Verhandlungen verbietet. Warum sagt man ihm nicht fürs Erste, dass er dies öffentlich zurückzunehmen hätte? Das wäre ein Signal, um Verhandlungen anzustreben. Stattdessen hat Wladimir Selenskyj seine „Friedensformel“ erfunden. Vor kurzem wurde sie noch durch den „Siegesplan“ ergänzt. Sie sagen – wie wir wissen – wenn sie sich mit Botschaftern der Europäischen Union und in anderen Formaten treffen, immer nur:
Machen Sie keinen Deal, es sei denn, der Deal wäre zu unseren Gunsten!
Ich habe Ihnen gegenüber erwähnt, dass sie jetzt den zweiten Gipfel auf der Grundlage besagter Friedensformel planen. Sie scheuen sich nicht zu sagen, dass sie Russland einladen werden, um Russland ein Abkommen vorzulegen, welches sie zuvor schon mit dem Westen vereinbart hätten.
Wenn unsere westlichen Kollegen manchmal vorgeben, nichts über die Ukraine ohne deren Einschluss beschließen zu wollen, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass alles über Russlands Kopf hinweg beschlossen würde, ohne Russland einzubeziehen. Demnach diskutieren sie darüber, welche Bedingungen wir zu akzeptieren hätten.
Übrigens haben sie vor kurzem schon stillschweigend gegen das Konzept „Nichts über die Ukraine ohne Einschluss der Ukraine“ verstoßen. Es gibt Zuspiele, es gibt Botschaften. Sie kennen unsere Position. Wir spielen kein doppeltes Spiel. Was Präsident Putin angekündigt hat, ist das Ziel unserer Operation. Es ist fair. Es steht voll und ganz im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen. Zunächst einmal Sicherstellung von Rechten, wie: Sprachrechte, Minderheitenrechte, Rechte nationaler Minderheiten, religiöse Rechte. Dies steht voll und ganz im Einklang mit OSZE-Prinzipien.
Es gibt eine Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die nach wie vor existiert. Auf mehreren Gipfeltreffen dieser Organisation wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass Sicherheit unteilbar wäre und niemand seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer erweitern dürfe und was am wichtigsten ist: Keine Organisation im euro-atlantischen Raum darf ihren Anspruch auf Dominanz erheben. Dies wurde zuletzt 2010 von der OSZE bestätigt.
NATO tat das genaue Gegenteil davon. Unsere Position ist also legitim: Keine NATO vor unserer Haustür, nachdem OSZE sich darauf geeinigt hatte, dies auszuschließen, falls es uns schadet.
Bitte stellen Sie die Rechte der Russen wieder her!
Fortsetzung mit Teil 3 folgt.
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Übersetzung: UNSER-MITTELEUROPA
Teil 1 erschien: Hier
Das Interview im Original auf TCN und Englisch: Hier
UNSER-MITTELEUROPA zu Putins Friedensvorschlägen vom 14.6.2024: Hier
Wladimir Putin über eurasische Sicherheit und Friedensvorschläge für die Ukraine und die Welt
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