HTS ist sich uneins über Verbleib der russischen Militärstützpunkte in Syrien

Nach Angaben des Instituts für russische Studien in Ankara gibt es innerhalb der radikal-islamistischen Gruppierung Haiʾat Tahrir asch-Scham(HTS), die Assad mit türkischer Unterstützung gestürzt hat, Unstimmigkeiten über das künftige Schicksal der russischen Militärstützpunkte in Syrien. Die Gruppe könnte sogar "wegen der Russland-Frage" auseinanderbrechen, vermutet das Institut in einem Beitrag auf X.

"Es gibt Kräfte innerhalb der HTS, die es für sinnvoll halten, die russischen Stützpunkte vorerst auf syrischem Gebiet zu belassen. Die kaukasischen, zentralasiatischen und uigurischen Fraktionen innerhalb der HTS lehnen dies ab und behaupten, dass Tausende ihrer Anhänger durch die russische Luftwaffe getötet worden seien."

Der türkischen Denkfabrik zufolge könnten die Vereinigten Staaten und Großbritannien die vollständige Räumung der russischen Militärbasen aus Syrien zur Bedingung für die Streichung der HTS von der Liste der terroristischen Organisationen machen. 

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Montag gegenüber Journalisten: "Es ist noch zu früh, um die Frage unserer Stützpunkte in Syrien zu erörtern. Dies wird eine Frage der Diskussion mit denjenigen sein, die Syrien regieren werden." 

Zuvor hatte der Kreml mitgeteilt, dass er mit den Anführern der Rebellen in Kontakt stehe und diese die Sicherheit der russischen Militärstützpunkte und diplomatischen Vertretungen in Syrien garantiert hätten. Diesen Aussagen widersprach am Montag jedoch der Leiter des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Andrei Kartapolow. Er sagte, dass die russischen Streitkräfte die Sicherheit der Militärstützpunkte des Landes in Syrien sowie der Garnisonen selbst gewährleisteten. 

Kartapolow zufolge wird die syrische Opposition die russischen Stützpunkte vor Ort nicht angreifen, da sie sich darüber im Klaren ist, dass sie bei einer solchen Aktion "hintergangen" werden könnte. 

Russland unterhält in Syrien zwei Militärstützpunkte in der Küstenregion Latakia: den Marinestützpunkt in Tartus und die Luftwaffenbasis Hmeimim. Gemäß dem Abkommen mit der Regierung des Ex-Präsidenten Baschar al-Assad wird der Marinestützpunkt in Tartus der Russischen Föderation zur freien Nutzung überlassen und genießt volle Immunität von der syrischen Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Maximal elf russische Kriegsschiffe, darunter auch Kriegsschiffe mit Nuklearantrieb, dürfen gleichzeitig an diesem Ort stationiert sein. Das Abkommen ist auf 49 Jahre ausgelegt und verlängert sich danach automatisch um weitere 25 Jahre.

Strategisch wichtig für Russland ist auch die ständige Luftwaffenbasis in Hmeimim, die Russland zu ähnlich günstigen Bedingungen nutzen darf. Im Laufe der militärischen Auseinandersetzungen mit Militanten aus der benachbarten Terroristen-Enklave Idlib wurde die Basis im Jahr 2018 mehrfach massiv mit Drohnen angegriffen. In den neu gebauten Kasernen können bis zu 1.000 Militärangehörige untergebracht werden. Derzeit befindet sich die Besatzung der beiden Stützpunkte in voller Alarmbereitschaft. 

Militärisch war Russland bis zuletzt auch in anderen syrischen Regionen präsent. Dabei handelt es sich jeweils um provisorische Kontroll- und Beobachtungsposten, die nach dem Umsturz in Damaskus nun offenbar geräumt werden. Am Sonntag sind Videos aufgetaucht, die Kolonnen mit mehreren gepanzerten Militärwagen unter russischer Flagge auf mehreren Straßen in Syrien zeigen.   

Am Sonntag berichtete CNN Türk, dass russische Militärangehörige, die sich in Syrien, aber außerhalb der Stützpunkte Tartus und Hmeimim befinden, mit Unterstützung des türkischen Militärs abgezogen werden. Einer Korrespondentin zufolge habe Moskau Ankara um diese Unterstützung gebeten. "Das russische Militär, das in der Türkei eintrifft, soll von dort aus nach Russland gebracht werden. Die See- und Luftstützpunkte werden weiterbetrieben", teilte sie mit. 

Doch nicht bei allen in dem NATO-Staat Türkei stößt diese Kooperationsbereitschaft der Regierung in Ankara auf Zuspruch. So zeigte das Russland-Institut in einem weiteren Tweet den Transport einer russischen Totschka-U-Rakete in Grenznähe. Das Institut erläuterte dazu:

"Es wurde bekannt, dass die Russen ballistische Raketen vom Typ OTR-21 Totschka-U zu ihrem Stützpunkt in Sarrin oder im Stadtzentrum von Ain al-Arab an der türkischen Grenze gebracht haben. Die Raketen, die gefilmt wurden, als die Russen die Stützpunkte verließen, belegen die Gefahr an der türkischen Grenze. Deshalb wird die Türkei keinem Land erlauben, Stützpunkte an ihren Grenzen zu errichten. Es wird berichtet, dass die Opposition nicht zulassen wird, dass russische Stützpunkte in Syrien verbleiben, da Russland Flugzeuge, Raketen und Luftabwehrsysteme in Syrien stationiert hat."

Einem weiteren Tweet zufolge bereite sich die von der Türkei unterstützte Rebellengruppe "Syrische Nationalarmee" (SNA) mit einem Kontingent von Kämpfern aus dem Kaukasus auf den Einmarsch in den Stützpunkt Hmeimim vor. Diese Angaben hat der russische Militärblog Dwa Majora unter Verweis auf eigene Quellen bestätigt. Demnach halten sich die HTS-Kämpfer in der Nähe der Militärbasis auf. "Tarnmaßnahmen wurden ergriffen, das Personal (der Basis) bezog Stellung", teilt der Blog weiter mit. 

Auch ein russischer Kenner der Region, der Journalist Andrei Medwedew, wird von dem Institut zitiert. In einem Telegram-Beitrag äußerte er die Vermutung, dass Russland die Militärbasen verlassen muss. Dies würde auch zur Abwicklung des russischen Afrika-Kontingents führen, da der Verlust des Umschlagplatzes in Hmeimim die Versorgung russischer Truppen auf dem Schwarzen Kontinent erheblich erschweren würde.

Diese Meinung teilen in Russland auch zahlreiche andere Journalisten und Militärblogger. Die Hoffnung, dass Russland sich zur Schutzmacht der durch Radikalislamisten bedrohten alevitischen und christlichen Bevölkerung in der Küstenregion Latakia entwickeln und damit auch als Militärmacht in der Region verbleiben könnte, hat sich nicht erfüllt. Vertreter dieser Gemeinden haben auf den bewaffneten Widerstand gegen die Radikalen der HTS und der SNA verzichtet. Untergrundkämpfer dieser Gruppen haben die Straßen in Latakia noch vor dem Eintreffen der vorrückenden Rebellen besetzt und den Sturz der Regierung gefeiert.

Einen klaren Beweis, dass die Küste Syriens derzeit von radikal islamistischen Kräften besetzt wird, lieferte am Montag der russische Militärkorrespondent und Syrienexperte Alexander Chartschenko auf seinem Telegram-Kanal. In einem von ihm geteilten Video zeigt ein mutmaßlicher SNA- oder HTS-Kämpfer aus Usbekistan die Umgebung des Strands von Latakia und schildert: 

"Hinter mir stehen die Mudschaheddin unserer Dschamaat (Kampfeinheit). Wir danken Gott für den Sieg, gepriesen sei Allah. Das Banner des Islam weht über dem Land Sham. Wir hoffen, dass nun jeder hier nach der Scharia leben wird, möge Allah alle Kafirs und Ungläubigen bestrafen."

Mehr zum Thema - Live-Ticker Syrien: EU fordert "alle Formen des Extremismus abzulehnen"

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