„Toxischer Ort“: Zahlreiche prominente Accounts verlassen X

Elon Musks Plattform ist wieder um ein paar prominente Accounts ärmer. Mit einer gemeinsamen Aktion und einem offenen Brief haben sich nicht nur Prominente und Abgeordnete, sondern auch Institutionen wie das Jüdische Museum München von der Plattform verabschiedet.

Swasan Chebli steht vor einem Glasfenster
Auch die ehemalige Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli verlässt X. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Funke Foto Services

Der X-Odus von Twitter/X weg und hin zu anderen Plattformen ist auch in Deutschland in vollem Gange. Seit zwei Jahren verlassen Menschen und Institutionen in Wellen das ehemalige Twitter, doch seit der US-Präsidentenwahl rollt die bislang größte Exodus-Welle. Im Rahmen dieser haben nun heute 66 Journalist:innen, Abgeordnete, Gedenkstätten, Wissenschaftler:innen und Autor:innen aus Deutschland das Netzwerk verlassen, unter ihnen Dunja Hayali, Sawsan Chebli und die grünen Bundestagsabgeordneten Jamila Schäfer und Misbah Khan.

In einem offenen Brief schreiben sie:

Seit der Übernahme durch Elon Musk ist Twitter kein Ort mehr für freie und faire Meinungsäußerung und einen offenen Austausch. Schlimmer noch, Twitter ist ein Ort der Zensur, des Rassismus, Antisemitismus und des rechten Agendasettings geworden. Die Abschaffung von Moderationsmechanismen und die gezielte Verstärkung extremistischer Inhalte untergraben die Grundprinzipien einer deliberativen Plattform und machen X zu einem Werkzeug der Polarisierung, der Manipulation​​​ und der Menschenfeindlichkeit.

Die Unterzeichnenden begründen ihren Weggang damit, dass die Plattform nicht mehr mit ihren demokratischen und ethischen Werten vereinbar sei. „Wir sind überzeugt, auch die Mittel der zivilgesellschaftlichen Kommunikation sollten demokratischen Standards folgen“, heißt es weiter. Die Unterzeichnenden haben nach eigener Auskunft ihre Accounts entweder gelöscht oder auf privat gestellt und werden diese nicht mehr aktiv nutzen. Initiiert hatten die Aktion die beiden Autoren Jan Skudlarek und Max Czollek.

Bluesky profitiert

Von den Twitter-Alternativen Mastodon, Threads und Bluesky profitiert derzeit Bluesky am meisten von der Austrittswelle. Der Kurznachrichtendienst hatte zuletzt täglich eine Million neue Nutzer:innen gewonnen, er wächst damit gerade ähnlich schnell wie Threads vom Meta-Konzern. Insgesamt hat die Twitter-Alternative mit Stand heute knapp 24 Millionen registrierte Accounts, von denen zwischen 1,2 und 1,5 Millionen täglich auf der Plattform posten.

 


Dokument


 

#eXit von Twitter (Offener Abschiedsbrief)

Twitter war lange Zeit ein sehr guter Ort. Ein Ort, wo Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Journalist*innen sich vernetzen, Nachrichten und Erkenntnisse teilen und nebenbei ziemlich viel Spaß haben konnten. Allerdings sind diese Zeiten lange vorbei. Twitter – heute X – ist ein toxischer Ort geworden, eine Brutstätte von Rechtsextremismus, Wissenschaftsleugnung, Hass und Verschwörungserzählungen. Ein Ort, wo der Betreiber der Plattform dergleichen nicht nur duldet, sondern aktiv fördert und propagiert.

Seit der Übernahme durch Elon Musk ist Twitter kein Ort mehr für freie und faire Meinungsäußerung und einen offenen Austausch. Schlimmer noch, Twitter ist ein Ort der Zensur, des Rassismus, Antisemitismus und des rechten Agendasettings geworden. Die Abschaffung von Moderationsmechanismen und die gezielte Verstärkung extremistischer Inhalte untergraben die Grundprinzipien einer deliberativen Plattform und machen X zu einem Werkzeug der Polarisierung, der Manipulation​​​ und der Menschenfeindlichkeit.

Das ist nicht mit unseren demokratischen und ethischen Werten vereinbar. Wir sind überzeugt, auch die Mittel der zivilgesellschaftlichen Kommunikation sollten demokratischen Standards folgen.

Momentan kehren immer mehr Menschen Twitter den Rücken und ziehen auf elon-musk-freie Alternativen um. Bluesky etwa hat innerhalb weniger Wochen Millionen Nutzer*innen hinzugewonnen. Der Guardian ging, die österreichische Medien-Bubble hat sich ebenfalls von X verabschiedet. Vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) über die Leipziger Buchmesse bis zum SV Werder Bremen – der Twitter-Exit schreitet auch in Deutschland immer weiter voran.

Wir, die Unterzeichner*innen dieses Briefes, wollen nun auch diesen Schritt gehen: Wir quittieren den Kurznachrichtendienst X und werden unsere Twitter-Accounts entweder löschen oder auf privat stellen (und ruhen lassen).

Wir bedanken uns für die gemeinsame Zeit – und wir sehen uns andernorts, z.B. auf Bluesky, auf Threads, auf Mastodon oder auf Instagram. Weiter geht’s.

Unterzeichner*innen (66 Einträge, Stand 2.12.24, 9 Uhr):

  1. Jan Skudlarek, Autor und Dozent (Initiator)
  2. Max Czollek, Autor (Initiator)
  3. Dunja Hayali, Journalistin
  4. Sawsan Chebli, Politikerin und Autorin
  5. Anne Rabe, Schriftstellerin
  6. Hanna Herbst, Journalistin
  7. Arne Semsrott, Journalist
  8. NS-Dokumentationszentrum München
  9. Jüdisches Museum München
  10. Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
  11. Seebrücke
  12. Nabard Faiz, Arzt
  13. Jamila Schäfer, MdB Bündnis 90/ Die Grünen
  14. Misbah Khan, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
  15. Johannes Franzen, Autor/Literaturwissenschaftler
  16. Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler
  17. Ari Christmann-Goldzweig, Regisseur
  18. Bahar Aslan, Lehrerin & politische Bildnerin
  19. Gudrun Perko, Professorin und Philosophin
  20. Daniel Kubiak, Sozialwissenschaftler
  21. Jonas Fegert, Forschungsgruppenleiter
  22. Benny Fischer, Berater
  23. Madita Oeming, Autorin
  24. Pegah Ferydoni, Schauspielerin
  25. Thomas Stadler, Rechtsanwalt
  26. Inke Hummel, Autorin und Pädagogin
  27. Nora Nicklaus, Beraterin
  28. Julian Schmitz, Psychologieprofessor
  29. Bob Blume, Autor & Bildungsinfluencer
  30. Sebastian 23, Autor
  31. Alexander Roth, Journalist
  32. Florian Hacke, Kabarettist
  33. Christian Wobst, Verleger edition claus
  34. Jo Schück, Journalist und Moderator
  35. Tommy Krappweis, Autor/Produzent
  36. Eva Marburg, Kulturjournalistin
  37. Christian Lübbers, HNO-Arzt
  38. Tina Absurd, Lehrerin
  39. Jens Teuber, Pfarrer
  40. Frederik von Castell, Journalist
  41. Amrei Bahr, #IchBinHanna-Mitinitiatorin/Philosophin
  42. Marc Hanefeld, Arzt
  43. Jan Hegenberg, Buchautor und Blogger
  44. Oliver Dierssen, Arzt und Autor
  45. Kristin Eichhorn, #IchBinHanna-Mitinitiatorin/Literaturwissenschaftlerin
  46. Magda Birkmann, Literaturvermittlerin
  47. Maximilian Pichl, Rechts- und Politikwissenschaftler
  48. Marlene Hellene, Autorin
  49. Eliyah Havemann, Autor
  50. Florian Kessler, Lektor
  51. Tom Wannenmacher, mimikama.org
  52. Haydée Mareike Haass, Vertretungsprofessorin
  53. Hannah Schmidt, Journalistin
  54. Jörg Friedrich, Game Designer und Geschäftsführer bei Paintbucket Games
  55. Jörg Lengersdorf, Geiger und Moderator
  56. Miriam Buchmann, Lektorin und Korrektorin
  57. Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss)
  58. Yannick Haan, Autor und Aktivist
  59. Michael Kobel, Physikprofessor
  60. Svenja Hagenhoff, Professorin FAU Erlangen-Nürnberg
  61. Graduiertenkolleg 2806 der FAU Erlangen-Nürnberg (Account gelöscht am 22.11.2024)
  62. Jennifer S. Henke, Privatdozentin
  63. Noa K. Ha, Stadt- und Rassismusforscherin
  64. Johanna Wenckebach, Gewerkschafterin und Juraprofessorin
  65. Fabian Eberhard, Journalist
  66. Stefan Huster, Rechtswissenschaftler

 


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