Online-Marktplatz Temu: Fake-Rabatte und Glücksräder verstoßen gegen Verbraucherschutz

Europäische Verbraucherschützer:innen sehen eine Reihe an Verstößen: Der Marktplatz enthalte Nutzenden wichtige Informationen vor, gehe nicht genug gegen Fake-Bewertungen vor und mache es ihnen schwer, sich zu beschweren. Auch die EU-Kommission ist hinter Temu her.

Ein Handy zeigt den Startbildschirm der Temu-App. Zwei Männerhände halten das Handy.
Temu drohen nun Strafen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Bihlmayerfotografie

Der chinesische Online-Marktplatz Temu verstößt gegen europäische Gesetze zum Verbraucherschutz. Das hat heute das Netzwerk der europäischen Verbraucherschutz-Behörden festgestellt. Die Behörden haben Temu nun zu Änderungen aufgefordert, um gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Andernfalls drohen dem Unternehmen Strafzahlungen.

Die EU-Kommission hat letzte Woche auch ein eigenes Verfahren gegen Temu nach dem Digital Services Act (DSA) eröffnet. Temu ist als besonders große Plattform eingestuft, damit gelten besonders strenge Regeln. Die EU überarbeitet gerade außerdem ihre Regeln zum Zoll. Es wird vermutet, dass Temu-Händler:innen die aktuellen Vorgaben massenhaft umgehen.

Liste an Vorwürfen

Die Behörden kritisieren mehrere Praktiken Temus. Die erste davon sind Fake-Rabatte. Die Seite würde den Eindruck hervorrufen, dass Produkte im Preis reduziert seien, obwohl das nicht stimmte. Außerdem setze Temu Kund:innen mit irreführenden Informationen unter Druck, damit diese Käufe abschließen, so die Behörden. Die Seite würde etwa falsche Angaben über begrenzte Vorräte oder Fristen für Käufe machen.

Temu zwingt Kund:innen nach Angaben des Netzwerks dazu, ein digitales Glücksrad zu drehen, um auf seine Seite zuzugreifen. Dabei verstecke die Plattform wichtige Informationen über die Bedingungen, die mit den möglichen Belohnungen des Spiels verbunden sind. Auch ansonsten zeige Temu Kund:innen unvollständige oder falsche Informationen über ihre Rechte an, finden die Behörden: etwa darüber, dass eine Bestellung einen Mindestwert hat.

Unvollständige Informationen liefere die Plattform auch darüber, wie sie gegen Fake-Bewertungen vorgeht. Nationale Behörden hätten vermutlich gefälschte Bewertungen gefunden, schreibt das Netzwerk. Schließlich werden Kund:innen mit ihren Problemen allein gelassen: Es werde ihnen nicht leicht gemacht, Temu mit Fragen oder Beschwerden zu kontaktieren.

Kann Strafen geben

Temu hat nun einen Monat, um auf die Ergebnisse der Untersuchung zu reagieren. Das Unternehmen muss vorschlagen, wie es die erkannten Probleme beheben will. Abhängig von der Antwort können die Verbraucherschützer:innen entscheiden, mit Temu zu verhandeln. Wenn das Unternehmen aber nicht angemessen auf die Probleme reagiert, können die Behörden in ihren jeweiligen Mitgliedstaaten Strafen verhängen.

Die europäische Untersuchung wird geleitet von den Behörden Belgiens, Irlands und dem deutschen Umweltbundesamt. Nebenher laufen verbraucherrechtliche Untersuchungen in Ungarn, Polen und Frankreich.

Temu will kooperieren

Temu kommentierte gegenüber netzpolitik.org, man nehme die Bedenken ernst. Das Unternehmen wolle weiterhin mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und die Einhaltung der EU-Vorschriften gewährleisten, so eine Sprecherin des Unternehmens: „Obwohl wir in relativ kurzer Zeit bei vielen Verbrauchern an Beliebtheit gewonnen haben, sind wir noch eine junge Plattform – weniger als zwei Jahre in der EU – und lernen aktiv dazu, um uns an die lokalen Anforderungen anzupassen.“ Das Unternehmen werde uneingeschränkt kooperieren.

Die europäische Organisation für den Verbraucher:innenschutz BEUC begrüßte den Entschluss. BEUC hatte im Mai Beschwerde gegen Temu bei der EU-Kommission eingereicht. „Diese Entscheidung erhöht den Druck auf Temu, sich an das Gesetz zu halten“, sagte gestern Agustín Reyna, der Generaldirektor von BEUC. Es sei nicht hinnehmbar, dass Temu einen „Tsunami“ an Produkten in „kompletter Missachtung“ von Gesetzen für den Verbraucherschutz und den DSA in die EU einführe. „Wenn Temu nicht sofort einlenkt, werden die Behörden ihre Zähne zeigen und hohe Bußgelder verhängen müssen“, forderte Reyna.

EU macht massiv Druck

Auf EU-Ebene untersucht momentan auch die Kommission das Verhalten Temus. Dabei geht es um eventuelle Verstöße gegen den Digital Services Act. Die Kommission untersucht dabei, wie Temu den Verkauf von illegalen Produkten verhindert und Produkte an seine Nutzenden empfiehlt. Außerdem will die Kommission mehr darüber wissen, wie Temu mit den Risiken von suchterzeugenden Designs umgeht und wie es den DSA-Verpflichtungen nachkommt, Forschenden Zugang zu seinen Daten zu geben.

Außerdem werkelt die Europäische Union gerade an einer Reform seiner Zollregeln. Dabei geht es unter anderem um eine Freigrenze von 150 Euro für Einfuhren in die Union. Diese Grenze wird massiv ausgenutzt, um Zölle zu umgehen. Dabei stehen auch Temu und andere Plattformen wie Shein im Verdacht. Außerdem soll die Reform eine gemeinsame EU-Zollbehörde und ein europäisches Datensystem für den Austausch von Zolldaten einführen. Momentan verhandeln die Mitgliedstaaten im Rat über ihren Standpunkt zu dem Paket.


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