Immer, wenn es in der Politik dramatisch wird, wird man irgendwie gedrängt, Partei zu ergreifen. Bei der aktuellen Berliner Aufführung gibt es aber keine Helden, nur Schurken. Und FDP-Lindner gab nicht den Sparfuchs, sondern strebte nach beschleunigter Katastrophe…
Gäbe es nur eine Zeitmaschine … aus einiger zeitlicher Entfernung wäre das derzeitige Berliner Theater mit Sicherheit unterhaltsam; man könnte sich über einen verregneten Herbstnachmittag hinweg die ganzen Kapriolen in einer Zusammenfassung im Fernsehen anschauen, als eine Art Politversion von Frauencatchen, und dazu Erdnussflips und Chips verzehren.
Dumm nur, dass das Rumgeampel mitnichten das Privatvergnügen der Beteiligten ist, sondern diese auch noch das ganze Land mit hineinziehen müssen.
Nicht, dass Lindner am Ende noch zu gut wegkommt. Wenn man die Berichte liest, wirkt er fast wie der tapfere Ritter, der Omas Sparstrumpf verteidigt hat. Irgendwie war das von seiner Seite aus aber doch eher die Variante „Neuwahl oder Weltkrieg“. Wie er selbst auf seiner Pressekonferenz erklärte:
„Gestern nun wurde der Vorschlag unterbreitet vom noch amtierenden Bundeskanzler, weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine zur Verfügung zu stellen. Nicht aber drei Milliarden Euro angesichts des zur Verfügung stehenden Mittelvolumens würden den Unterschied machen.
Ich habe im Koalitionsausschuss für die freien Demokraten gesagt, wenn wir eine andere, eine stärkere Unterstützung der Ukraine wollen, dann sind nicht drei Milliarden Euro zusätzlich nötig, dann müsste Deutschland die Entscheidung treffen, die Ukraine mit den Waffensystemen auszustatten, die die Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verteidigung ihrer Freiheit brauchen, nämlich insbesondere dem Waffensystem Taurus.“
Interessant. Da ging es also mitnichten um die Frage, ob man Steuersenkungen beschließt oder Schulden aufnimmt, um eine Volkswirtschaft an die Lebenserhaltung zu hängen, die man zuvor selbst ins Koma versetzt hat; nein, Bundeskanzler Scholz war sich mit Lindner einig, unbedingt noch mehr „Unterstützung“, sprich, Hilfsmittel zur Auslöschung der männlichen ukrainischen Bevölkerung, in die Ukraine zu schicken; Lindner kam nur auf den tollen Gedanken, dass es viel sparsamer sei, gleich einen Weltkrieg auszulösen, statt beim Geld zu bleiben. (Die Wutrede von Kanzler Scholz nach Ampel-Aus: So viel Niedertracht habe ich noch nie erlebt)
Schließlich sind die Taurus-Raketen, die sich in den Arsenalen einen Wolf liegen, schon abbezahlt …
Und zugegeben, bei dem Knall, den das ausgelöst hätte, hätte dann hinterher sowieso keiner mehr an Haushaltsdefizite gedacht. Sogar dann nicht mehr, wenn an der Ampel ein großes Schild „Außer Betrieb“ hängt und alles auf die Polizei wartet, damit wenigstens der Verkehr geregelt wird.
Klar, Lindner hat damit einen Fühler in Richtung CDU ausgestreckt, ein kleiner Gruß an Kamerad Roderich Kiesewetter, den alten Ostlandritter, wie es die FDP so gern tut, wenn sie gerade mal wieder in die Wechselwochen gerät; aber Lindners Vorgänger Otto Graf Lambsdorff ruinierte nur den deutschen Sozialstaat und zielte noch nicht darauf ab, die gesamte Republik zu planieren.
Was selbstverständlich aus Olaf Scholz mitnichten eine Art Friedensheld macht. Nein, die Tatsache, dass ausgerechnet die Frage Cash oder Raketen diese prekäre Beziehung zur Explosion brachte, dürfte vielmehr daran liegen, dass sie sich beide gleichermaßen gedrängt fühlten, dem Krieg im Osten noch etwas Leben einzuhauchen, ehe vielleicht die Gefahr droht, dass ausgerechnet die Vereinigten Staaten das Projekt beenden.
Man fragt sich unvermittelt, mit welchem der US-Neocons Lindner das Bett teilte, um, kaum dass die Stimmen der US-Präsidentschaftswahl ausgezählt sind, gezielt auf eine Koalition zuzusteuern, die durch eine von Deutschland ausgehende Eskalation jede Hoffnung selbst auf Ansätze zur Befriedung zunichtemacht.
Oder regelt sich das in diesen Kreisen durch diskrete Zusendung von Bitcoins?
Dass Scholz sich als der selbstgefällige Lurch erweist, der er nun einmal ist, ist im Grunde keine Nachricht. Wirklich schlimm ist nur, dass mit oder ohne Neuwahlen, gleich mit welcher möglichen Koalition, nur Katastrophe im Angebot ist.
Langsames Dahinsiechen oder schneller Untergang. Zumindest, was das Land betrifft. Dessen eigentliche Interessen in der ganzen Auseinandersetzung nicht vorkommen.
Einen Moment lang fragte ich mich, wer denn jetzt Außenministerin Annalena Baerbock ersetzt – aber da war der Wunsch der Vater des Gedankens. Wie abgründig das gesamte Angebot ist, zeigte sich auch an dem tiefen Erschrecken, das mich durchzuckte, als kurz die Meldung kursierte, Robert Habeck solle jetzt auch das Finanzministerium übernehmen.
Man kann Scholz nicht wirklich vorwerfen, die grundlegenden Probleme nicht angegangen zu sein. Das war schon unter sämtlichen Regierungen Merkel so. Und das wird auch bei jeder möglichen weiteren Kombination so bleiben, denn die Lebensverhältnisse der deutschen Normalbürger haben sich bereits seit der Amtszeit von Helmut Kohl nicht mehr verbessert.
Dass dreißig Jahre Stagnation in den Durchschnittslöhnen nicht dazu führen, den Politikern per Mistgabel ihre Aufgabe zu erklären, liegt nur daran, dass auch die Zeit davor nicht wesentlich besser war.
Egal, wessen Rezepte es sind, nirgendwo ist ein Aufbruch in Sicht, oder eine Abkehr vom neoliberalen Verschrottungsglauben. Das ist es, warum das Spektakel eben nur für verregnete Herbstnachmittage geeignet ist, wenn es gerade keine neuen Folgen von Game of Thrones gibt.
Dann könnte man wenigstens die Absurdität genießen, dass Lindner in einem Atemzug sich auf die Verfassung beruft, die ihm verbiete, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, und im nächsten Raketen nach Kiew schicken will, um die Berliner Sorgen gewissermaßen final zu lösen.
Weitere drei Milliarden Euro für Kiew, während auf allen politischen Ebenen ein Sparhaushalt den nächsten jagt? Während die Bundesländer den öffentlichen Nahverkehr ausdünnen, aus Geldgründen, und die Krankenkassenbeiträge erhöht werden, weil die Beiträge für Bürgergeldbezieher immer noch nicht aus Steuergeldern ersetzt werden? Das hat schon einen besonderen Charme.
Ihnen allen miteinander ist nichts wichtiger als Krieg. Sie alle miteinander haben diese Suppe eingebrockt, die sie den Deutschen zum Auslöffeln kredenzen. Und wenn man ihre Differenzen betrachtet, drehen sie sich eher darum, ob die Schüssel von rechts oder von links serviert werden soll (von den möglichen Knalleffekten einmal abgesehen).
Und da ist ja immer noch die finstere Macht in Brüssel, in den Händen von Flintenuschi, Kommissionspräsidentin von der Leyen, die aus einer Position, die einmal als Austraghäusl erfunden wurde, das Herz einer EU-Diktatur gemacht hat, die immer wieder hübsche Zusatzgeschenke wie das Verbrennerverbot neben die Suppenschüssel legt.
Selbst wenn eine Rochade in Berlin an nennenswerter Stelle etwas ändern wollte, käme das an der dunklen Königin nicht vorbei.
Wie weit müsste man sich nach vorne katapultieren, um dieser Show etwas abgewinnen zu können? Würden fünf Jahre genügen? Zehn? Das ist kaum mehr zu berechnen, denn von Jahr zu Jahr wird deutlicher, dass in dem ganzen, auf Abwirtschaften ausgelegten System keine Vernunft mehr vorhanden ist.
Die Handlungen der Darsteller dieser Farce keinen Sinn mehr ergeben, nicht als Handlungen, denn der Niedergang funktioniert längst auf Autopilot. Aber zuzusehen, wie eine Truppe unterschiedlicher Schurken sich im Gerangel als Helden zu stilisieren sucht und mit Dolchen auf die Rücken der jeweils anderen zielt, macht erst dann wirklich Spaß, wenn man das Ganze hinter sich hat.
Wenn, auf welche Weise auch immer, die Vernunft zurückgekehrt, also die Kriegs- wie die Klimapolitik beendet ist und vielleicht ausnahmsweise mal wieder die täglichen Interessen der übersehenen Deutschen eine Rolle spielen.
Bis dahin allerdings ist das Theater nur traurig.
Nachtrag:
Das Ende der Ampel ist besiegelt, doch Kanzler Scholz zögert die Vertrauensfrage hinaus. CDU-Chef Friedrich Merz gab am Freitagmorgen ein Statement ab: „Der Kanzler konnte nicht plausibel erklären, warum er erst in zwei Monaten die Vertrauensfrage stellen will. Das ist ein Verhalten, das diesem Amt nicht gerecht wird. Die Menschen in Deutschland erwarten jetzt nach diesem Auseinanderbrechen der Bundesregierung, dass wir schnell eine neue Regierung wählen können.“
Und weiter: „Vor dem Hintergrund der großen Sorgen, die sich die Deutschen machen, erfordert es schnell eine neue, handlungsfähige Bundesregierung.“
„Wir brauchen jetzt schnell den Weg zu Neuwahlen. Der Bundeskanzler allein hat es in der Hand. Das Instrument der Vertrauensfrage geht mit einer hohen Verantwortung einher. Ich empfinde es als verantwortungslos, mit diesem Instrument jetzt so umzugehen. Das ist eine reine Verzögerung über den Jahreswechsel hinaus“, so Merz.
Der CDU-Chef: „Ich fordere den Bundeskanzler auf, am nächsten Mittwoch dem Bundestag die Gelegenheit zu geben, darüber abzustimmen.“
Alexander Dobrindt, der neben Merz sprach, bezeichnete Scholz als: „Koma-Kanzler und Klebe-Olaf.“
Der CDU-Chef berichtete kurz, dass es ein Gespräch mit dem Bundespräsidenten gegeben habe. Aber ohne Details zu nennen. Merz erwähnte, dass für kommenden Mittwoch eine Regierungserklärung des Kanzlers geplant sei. Sowohl Friedrich Merz als auch Markus Söder werden am Mittwochnachmittag auf den Kanzler antworten. Während der Rede von Merz machte im Sitzungssaal das Baby einer Abgeordneten fröhliche Geräusche. Merz hielt kurz inne und blickte zum Baby mit einem Lächeln und sagte: „Na, das ist ja wunderbar, wir bekommen auch Unterstützung von der jungen Generation.“
Alexander Dobrindt verwies darauf, dass 60 Prozent der Bürger das Ampel-Aus begrüßen würden. 65 Prozent der Bürger seien außerdem für frühere Neuwahlen als im Januar.
Zeitgleich: war Kanzler Olaf Scholz in Budapest und gab es Pressestatement zum dortigen EU-Gipfeltreffen. Zur Regierungskrise in Deutschland äußerte er sich nicht – auch beantwortete er keine Fragen von Journalisten.
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Quellen: PublicDomain/de.rt.com/nius.de am 08.11.2024
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