Statt Befreiung von Tyrannei hat uns repräsentative Demokratie vor allem das Recht gebracht, wählen zu dürfen, wer uns künftig tyrannisiert. Eine Alternative wäre ein Rätesystem.
Politische Konzepte respektieren entweder die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung — dann werden sie in den Medien als „unrealistisch“ dargestellt —, oder sie gelten als „realistisch“ — dann fehlt dieser Respekt völlig. Jedenfalls könnte sich ein solcher Eindruck aufdrängen, wenn man den momentanen Zustand unserer „repräsentativen Demokratie“ anschaut. Zunehmend benehmen sich die Repräsentanten gegenüber den Repräsentierten als Erziehungsberechtigte, nicht als Angestellte, die deren Willen zu exekutieren haben. Viele räumen sogar ein, dass „unsere Demokratie“ durchaus unvollkommen sei; stets folgt auf derartige Verse jedoch der immer gleiche Refrain: Die Demokratie — und zwar in der jetzt vorherrschenden Form — sei nun mal die beste aller real möglichen Staatsformen. „Alternativlos“, um eine beliebte Vokabel der Merkel-Ära zu zitieren. Aber ist das wirklich so? Eine Demokratievariante, über die in der Geschichte viel nachgedacht und die immer wieder ausprobiert wurde, ist die Rätedemokratie. Sie funktioniert radikal von unten nach oben. Politiker in einem solchen System sollten sich nicht nur gewählt ausdrücken — sie wurden einzig dazu gewählt, um auszuführen, wozu sie von ihren Wählern beauftragt wurden. Ein Prinzip, das heutigen machtbewussten Elitenvertretern völlig fremd geworden ist. Angesichts der fundamentalen Vertrauenskrise, die etablierte Politik derzeit durchläuft, und angesichts von Entscheidungen, die geradezu als Kampf der Herrschenden gegen die Bürger interpretiert werden können, wäre es allerdings an der Zeit, neu über Elemente eines Rätesystems innerhalb der Demokratie nachzudenken. Heute geben wir bei Wahlen unsere Stimmen ab, sodass sie uns im weiteren Verlauf einer Legislaturperiode weitgehend verloren gehen. Besser wäre es, diese Stimmen für uns zu behalten und sie immer wieder zu erheben: bei Sachentscheidungen und durch Entsendung von Vertretern, die diesen Namen wirklich verdienen.
von Roland Rottenfußer
„Alle Macht den Räten“ lautete eine Parole der russischen Bolschewiki. Besser nicht, könnte man antworten, wenn man sich anschaut, was „Bürgerräte“ heutzutage so alles fabrizieren. Ein von der Bertelsmann-Stiftung finanzierter Rat mit dem Namen „Forum gegen Fakes“ legte der Bundesregierung unlängst ein Papier mit so kruden Thesen vor, dass selbst die Politik Nancy Faesers damit verglichen noch von außerordentlichem Respekt vor der Meinungsfreiheit durchdrungen scheint.
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