Der Westen entscheidet sich in der Ukraine und in China für die Borodino-Strategie

Larry Johnson

Ich weiß, Geschichte wiederholt sich nicht, aber manchmal reimt sie sich. Nach den jüngsten westlichen Aktionen in der Ukraine und wenn man die zunehmend kriegerischen Drohungen der USA in Richtung China hört, da sehe ich unheilvolle Parallelen zur Schlacht von Borodino. Was? Wie soll der französische Pyrrhussieg in der epischen Schlacht am 7. September 1812 gegen russischen Kräften in der Nähe der westlich von Moskau gelegenen Stadt für die heutige Situation in der Ukraine und in China von Bedeutung sein? Ich will es erklären.

Die Schlacht von Borodino war der Höhepunkt in Napoleons rücksichtslosem Versuch Russland zu erobern und hat der folgenden Niederlage den Boden bereitet – die französischen Verluste bei ihrem „Sieg“ bei Borodino haben sie dezimiert und unfähig gemacht, den von ihnen angefangenen Krieg zu vollenden. Napoleon und seine Kommandeure haben sich ein Weile in Moskau verschanzt, aber zu Beginn des nahenden Winters erkannten sie, dass sie vor ihrer Vernichtung standen und entschieden sich für eine Rückkehr nach Frankreich. Ihnen mangelte es an Nachschub, um sich in einer Konfliktzone zu halten. Der lange und tödliche Rückzug aus Moskau bedeutete für das französische Militär den Tiefpunkt in diesem Feldzug. Sie marschierten mit 600.000 Mann in Russland ein und flüchteten mit 16% intakter Kräfte. 500.000 Soldaten zu verlieren, ist kein Rezept für einen Sieg.

Und hier stehen wir, mehr als 200 Jahre nach diesem Debakel, und die Franzosen sind wieder auf russischem Territorium (ja, das Land, das wir heute die Ukraine nennen, war 1812 russisches Territorium). Ich schätze, die Franzosen sind keine großen Schüler in Geschichte. Sie haben sich an ein dem Untergang geweihtes ukrainisches Militär gebunden und stehen vor einer größeren russischen Armee, die einen Heimvorteil hat. Und worin möchten die Franzosen die Ukrainer „ ausbilden“? Und welche Erfahrung haben die Franzosen im Kampf mit kombinierten Waffen gegen einen technologisch Gleichrangigen? Die Antwort lautet: „KEINE!“ Das letzte Mal, dass die Franzosen eine Art Sieg errungen haben, das war im November 1918, als Deutschland vor den Alliierten kapitulierte, um den 1. Weltkrieg zu einem Ende zu bringen.

Aber es sind nicht nur die Franzosen, die sich aus Blödheit dazu entschlossen haben, den Krieg mit Russland zu eskalieren. Die USA und viele der NATO-Länder ermutigen offen die Ukraine, vom Westen gelieferte Raketen gegen Russland einzusetzen, und missachten die Warnung Russlands, dass dies eine Rote Linie ist. Der Westen ist lernbehindert. Er ignorierte Wladimir Putins Warnungen der letzten 17 Jahre (ebenso wie die Depesche von CIA-Direktor Bill Burns aus dem Jahr 2008), dass die ukrainische Mitgliedschaft in der NATO eine rote Linie für Russland darstellt („Njet means Njet“). Die Nichtbeachtung dieser Warnung gipfelte in der militärischen Sonder-Operation (SMO) vom Februar 2022.

Jetzt warnt Putin den Westen, dass ukrainische Angriffe innerhalb Russlands eine weitere Rote Linie sind, die mit einer russischen militärischen Antwort beantwortet werden. Es ist wie ein Déjà-vu: Der Westen ignoriert Putins Ermahnung. Während die Raketen, die der Westen liefert – also HIMARS, ATACMS, Storm Shadows und Taurus – eine begrenzte Reichweite haben (die Taurus hat die größte Reichweite von schätzungsweise 300 Meilen), so ist es dennoch eine grobe Verletzung der Souveränität Russlands. Ich wiederhole den Punkt, den ich in einem einem früheren Artikel gemacht habe: Wenn Russland Raketen an Mexiko liefert, die dann Ziele in den Vereinigten Staaten treffen, würde das amerikanische Volk Vergeltung fordern. Warum zum Teufel geben sich die Amerikaner der Fantasie hin, dass die Russen sich nicht darum kümmern werden? Totaler Wahnsinn.

Wenn Männer wie Ted Postol, Stephen Bryen und Doug McGregor lautstark vor der rhetorischen und physikalischen Eskalation des Westens gegen Russland warnen, dann weiß man, dass man eine Zone enormer Gefahr betritt. Ich kenne alle drei Männer, und sie geben sich keinen Emotionen oder wilden Vorhersagen hin. Und doch sind sie in der gegenwärtigen Situation ernstlich erschrocken über das, was sie sehen. Ich teile ihre Furcht.

Die Borodino-Strategie beschränkt sich nicht auf Russland. Die Vereinigten Staaten haben vor, gegen China in den Krieg zu ziehen. Das ist Irrsinn. So wie Napoleons tiefer Einmarsch in Russland seine Kommunikationslinien (d.h., Logistik) überdehnt hat, bis zum Zusammenbruch, so reden die USA über eine militärische Konfrontation mit China, die sie nicht aufrecht halten können.

Das Scheitern der Operation Prosperity Guardian im Roten Meer, die offensichtlich nichts mit China zu tun hat, ist in der Tat ein Vorläufer für das, womit es die Vereinigten Staaten zu tun bekämen, wenn sie sich auf einen Krieg mit China einlassen. Seine Macht mit Schiffen im Zeitalter von Drohnen und Hyperschallraketen zu projizieren, ist im 21. Jahrhundert die Analogie zum Angriff auf Maschinengewehrnester mit berittener Kavallerie. Ich ignoriere nicht die Möglichkeit, dass die USA mit einer Kombination aus Schiffen, U-Booten und Luftwaffe den Chinesen ernste Schäden zufügen könnte. Aber die Chinesen werden zurückschlagen, und nach einem anfänglichen, energischen Angriff werden die USA nicht mehr in der Lage sein, ihre Kräfte im Pazifik zu versorgen, weit entfernt von der Heimat.

Die Lehren von Borodino sind, dass ein Abnutzungskrieg jene Mächte favorisiert, die am nächsten zu den Versorgungslinien liegen. Das ist eine Lehre, die der Westen, vorwiegend Amerika, nicht lernen will. Die herrschende politische Klasse der USA – sowohl Republikaner als auch Demokraten – haben sich dem Wahn ergeben und glauben, dass sie der Welt ihren Willen aufzwingen können, indem sie Gewalt einsetzen.
Diplomatie ist gemäß ihrer Fantasiewelt etwas für Weicheier. Es gibt keinen Präsidentschaftskandidaten, der für Diplomatie statt militärischer Gewalt wirbt. Die Vereinigten Staaten und Europa stolpern in einen Krieg, der völlig vermeidbar wäre, aber sie weigern sich, Auswege zu suchen, die die Konflikte deeskalieren würden.

Eine weitere Lehre aus Borodino ist – auch wenn Napoleons Armee schreckliche Verluste erlitten hat – dass Napoleon seinen unersättlichen Durst nach Eroberung behielt und sich weigerte, einen Weg zum Frieden zu suchen. Es war diese unstillbare Sucht , die ihn zu seinem Waterloo führte. Der Drang des Westens, Russland und China zu dominieren, wird wahrscheinlich für Amerika und Europa zu einem Waterloo des 21. Jahrhunderts führen. Ja, Geschichte reimt sich.

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