Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, AfD-Politiker, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt immer schwerer. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen.
Seit 2024 schaffen wir die Urteile-Sammlungen leider nur noch monatlich. Letzten Monat berichteten wir darüber, wie die AfD gegen das Bundesverfassungsgericht scheiterte und über weitere Urteile. Diesen Monat geht es unter anderem darum, dass immer mehr AfD-Mitarbeiter verurteilt werden – anscheinend ohne Konsequenzen für die rechtsextreme Partei.
1. Bayerischer Landtag: AfD-Mitarbeiter jetzt vorbestraft
Ein Strafbefehl gegen einen AfD-Mitarbeiter einer bayerischen Landtagsabgeordneten ist nun rechtskräftig. Konkret handelt es sich um 140 Tagessätze in einer “mittleren zweistelligen Höhe”. Der Mitarbeiter gilt damit als vorbestraft. Er “gilt als “rechte Hand” der Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner”, wie der BR schreibt. Als Mitarbeiter erhält er unter anderem E-Mails und Dokumente des internen Verteilers des Innenausschusses.
Zu dem Strafbefehl kam es im Zuge eines Vorfalls im Jahr 2021. Laut BR hatte er sich in einem Bus “in alkoholisiertem Zustand” geweigert, eine Maske zu tragen. Auch nachdem die Polizei hinzugerufen wurde, weigerte er sich, den Bus zu verlassen. Laut Strafbefehl musste er unter Zwangsanwendung aus dem Bus getragen und später mit Handfesseln fixiert werden. Er trat in der Folge, so die weiteren Tatvorwürfe, einen Beamten und beleidigte die Polizisten mit “f*** dich” und “Drecksbeamte”.”
Durch dieses Verhalten wurden unter anderem die Straftatbestände Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung erfüllt. Die Landtagspräsidentin prüft Konsequenzen.
Probleme mit dem Gesetz – ein Pluspunkt für den AfD-Lebenslauf?
Es ist nicht das erste Mal, dass mutmaßliche Mitarbeiter der bayerischen AfD-Fraktion vor Gericht stehen. Erst im September wurden drei Mitglieder einer Burschenschaft und Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung vom Amtsgericht München zu Geldstrafen verurteilt. Der Grund: Die vermummte Teilnahme an einer nächtlichen Aktion der IB. Zwei der Aktivisten sollen als Minijobber für einen Abgeordneten der AfD tätig sein. Nach Angaben von Endstation.Rechts waren die beiden Teil eines BR-Berichts vom März dieses Jahres über rechtsextreme Mitarbeiter im bayerischen Landtag. Unklar ist, ob sie immer noch im Landtag arbeiten.
Dass eine Vielzahl von AfD-Mandatsträgern und deren Mitarbeiter verurteilt sind, scheint der rechtsextremen AfD egal zu sein. Unsere Kollegen von Correctiv recherchierten dieses Jahr zu 48 AfD-Mandatsträgern und Mitarbeitern auf Kreis-, Landes- und Bundesebene, die in letzter Zeit durch Gewalttaten auffielen. Von diesen Politikern wurden 28 zumindest in erster Instanz verurteilt oder erhielten Strafbefehle – dennoch üben 14 von ihnen weiterhin ihr Amt aus, darunter zwei Bundestags- und drei Landtagsabgeordnete. Bei keiner anderen Partei konnten derart viele mutmaßliche Verstöße gegen das Gesetz ausgemacht werden.
AfD-Rechtsextremist bleibt in der Partei
Umstrittene AfD-Personen im bayerischen Landtag sind bereits eine lange Tradition in dem Bundesland. Der wegen Volksverhetzung, Geldwäsche und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen angeklagte AfD-Mann Daniel Halemba sitzt nach wie vor im bayerischen Landtag. Von einem Ausschluss aus der rechtsextremen Partei hat die AfD abgesehen.
Auf Bundestagsebene ist das Gefahrenpotential für die Demokratie ebenfalls hoch. Dort sind mehr als 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu bei AfD-Politikern beschäftigt. Darunter Personen, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden. Über die Hälfte der AfD-Abgeordneten beschäftigen Personen, die in Organisationen aktiv sind, welche vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden.
Aber auch die AfD Nordrhein-Westfalen stand dieses Jahr schon in den Schlagzeilen. Einem ihrer Mitarbeiter wird der Zutritt zu großen Teilen des Landtags verwehrt, seitdem bekannt wurde, dass er wegen eines antisemitischen Angriffs auf Bewährung verurteilt wurde.
2. Verfassungsschutzbericht: Erwähnung von AfD rechtens
Bleiben wir noch bei der AfD. Das Dresdner Verwaltungsgericht stufte die Erwähnung der AfD Sachsen im Verfassungsschutzbericht 2020 als rechtens ein. Damit erlitt die AfD Sachsen eine herbe Niederlage vor Gericht. Insbesondere ging es um den sogenannten Flügel der AfD Sachsen, der 2020 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde.
Begründet hatte die AfD ihre Klage gegen die Einstufung damit, dass der sächsische Flügel bereits im April 2020 offiziell aufgelöst worden sei. Die Partei hatte die Einstufung des Flügels als rechtsextrem zwischen Mai und Dezember 2020 als rechtswidrig angesehen.
Das Verwaltungsgericht Dresden führte jedoch in seiner Urteilsbegründung aus, dass die ursprüngliche Version des Verfassungsschutzberichts mit den Darstellungen zum Flügel nicht mehr öffentlich zugänglich sei. Außerdem stehen die Beschreibungen zum Flügel mittlerweile in der Vergangenheit. Auch per Fußnoten ist erkennbar, dass der Flügel offiziell aufgelöst wurde.
Seit Dezember 2023 ist übrigens der gesamte sächsische Landesverband als gesichert rechtsextrem eingestuft.
3. Rechtsextremist hat kein Recht auf Referendariat
Wie die Verfassung sogar von Juristen selbst angegriffen werden kann, zeigt der folgende Fall. Ein Rechtsextremist wollte sein Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht Bamberg machen und wurde abgewiesen, dagegen klagte er, bereits durch viele Instanzen. Nun urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass seine Ablehnung rechtens war – wer die Verfassung aktiv bekämpfe, den müsse der Staat nicht ausbilden.
Der Lebenslauf des Neonazis:
“Aktiv in der Neonazi-Partei ‘Der Dritte Weg’, ehemaliges Mitglied der verbotenen Vereinigung ‘Freies Netz Süd’, auch in der NPD war er dabei. Außerdem hatte er sich in der Vergangenheit strafbar gemacht, etwa weil er den Hitlergruß zeigte oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte beging”, wie die Tagesschau schreibt.
In Sachsen konnte sich der Neonazi jedoch in der Vergangenheit dennoch erfolgreich ins Rechtsreferendariat klagen. Nun arbeitet er als Rechtsanwalt in Bayern. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Mandanten er wohl vertritt.
4. Gleichsetzung von Grünen mit Nazis ist Volksverhetzung
Wer Grüne und Nazis gleichsetzt, begeht Volksverhetzung. Das urteilte das bayerische Oberste Landesgericht. Zuvor hatte ein 62-Jähriger auf Social Media entsprechende Äußerungen veröffentlicht. Auf einer auf Facebook verbreiteten Grafik stand: “Der Nazi von heute ist nicht braun, sondern grün!” Er wurde zu einer Strafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt.
5. Bewährungsstrafe für Steinewerfer
Doch bei Beschimpfungen im Internet bleibt es oftmals leider nicht, wenn es um Hass gegen die Grünen geht. Ein Grünen-Hasser, der im September 2023 einen Betonstein in Richtung der grünen Politiker Katharina Schulze und Ludwig Hartmann warf, diese aber zum Glück verfehlte, wurde erst Ende Oktober zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Damals war das grüne Spitzenduo im Wahlkampf in Neu-Ulm bei einer Veranstaltung aufgetreten. Die Bewährungsstrafe enthält auch eine Bestrafung aufgrund der Attacken durch den Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten bei seiner Festnahme.
“Die Richterin verhängte 200 Stunden gemeinnützige Arbeit als Bewährungsauflage, die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt, der Mann bekommt auch einen Bewährungshelfer und muss 1.000 Euro als Strafe zahlen. Diese Summe hat er auch schon einer Polizistin vor dem Prozess als Schmerzensgeld überwiesen”. Das berichtet der BR. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Dass es bei einer Bewährungsstrafe blieb, hat der Angeklagte nur seinem umfassenden Geständnis zu verdanken. Weiterhin entschuldigte er sich und sprach vom “größten Fehler seines Lebens”.
Dass es vor allem den Grünen gegenüber derart viel Hass in Deutschland gibt, mag auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein. Hilfreich ist es aber definitiv nicht, dass auch konservative Parteien wie die CSU immer weniger auf inhaltliche Konfrontation mit den Grünen setzen, sondern Fakes über sie verbreiten. So wie zuletzt der Fake um das Haustier-Verbot:
6. Wagenknecht muss Pro-Russland Vorwurf hinnehmen
Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, muss sich eine Aussage gefallen lassen, dass sie den Krieg Putins in der Ukraine akzeptiere. Sie scheiterte mit einer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts Köln vor dem Oberlandesgericht Köln.
Doch worum ging es genau? Der CDU-Politiker Frank Sarfeld hatte sich in der britischen Zeitung “The Times” zu Wagenknecht geäußert. Sarfeld hatte dort behauptet, Wagenknecht akzeptiere den illegalen Krieg, den Putin in der Ukraine begonnen habe. Wagenknecht, vertreten durch den Kölner Anwalt Markus Kompa, wollte diese Aussage per einstweiliger Verfügung verbieten lassen, scheiterte jedoch sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG Köln.
Das OLG urteilte, dass es sich bei Sarfelds Aussage um eine zulässige Meinungsäußerung mit hinreichender Tatsachengrundlage und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelte. Konkret schrieb das OLG Köln:
„Denn jedenfalls hat sich die Antragstellerin unstreitig dafür ausgesprochen, dass die nach Ansicht von Experten bestehende militärische Pattsituation in der Ukraine am Verhandlungstisch beendet werden solle, wobei – im Hinblick auf die militärische Stärke Russlands und zur Vermeidung der Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung – auch die Aufgabe besetzter Gebiete durch die Ukraine eine Option sein könne. Dass eine solche Haltung vom Antragsgegner dahingehend bewertet wird, dass die Antragstellerin den Krieg „akzeptiert“ habe, ist vor dem Hintergrund der Maßstäbe, die für Äußerungen im politischen Meinungskampf gelten, nicht zu beanstanden.“
Ebenso handelte es sich nicht um eine unzulässige Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung, weil nicht Wagenknecht als Person angegriffen wird. Lediglich ihre politische Haltung wurde durch Sarfeld scharf kritisiert.
Und diese ist definitiv kritisierenswert, vor allem was ihre außenpolitischen Haltungen zur Ukraine angeht. Dies haben wir schon in mehreren Artikeln ausführlich analysiert, wie zum Beispiel hier:
7. HateAid erzielt Erfolg vor Gericht gegen Nius
Die gemeinnützige Organisation HateAid, die sich gegen Gewalt und Hass im Internet einsetzt und Betroffenen Beratung und rechtliche Unterstützung bietet, konnte sich vor Gericht gegen Julian Reichelts Hetzportal “Nius” durchsetzen.
In einem Artikel vom 13. August verbreitete Nius Falschaussagen über HateAid, die zum Ziel hatten, die ordnungsgemäße Verwendung von öffentlichen Geldern durch HateAid und deren parteipolitische Neutralität in Frage zu stellen. Das Landgericht München I verpflichtete Nius nun dazu, derartige Aussagen zu unterlassen.
Es vergeht kaum ein Monat, in dem wir nicht über Julian Reichelt und sein Fake-News-Portal in den Urteilen berichten, da sie ständig vor Gericht verlieren. Im August fuhren sie ihre jüngste juristische Niederlage ein:
8. Die Atzen: AfD darf ihren Song nicht verwenden
Kommen wir zum Abschluss noch einmal zurück zur AfD und einer Meldung, die eigentlich kein Urteil ist, aber dennoch gut in diese Sammlung passt. Nachdem die AfD bei einer Wahlparty nach der Brandenburg-Wahl die Melodie des Atzen-Songs “Das geht ab (Wir feiern die ganze Nacht)” für ihre menschenfeindliche Zwecke missbraucht hatten, hat das Hiphop-Duo den Rechtsextremen nun eine Verwendung des Songs untersagt. Damals dichtete die AfD die Lyrics in “Wir schieben sie alle ab” um.
Nun wurden die Rechtsextremen dazu aufgefordert, eine “verbindliche strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben”, wie der RBB24 schreibt. Bereits nach der Wahlparty drückten die Künstler des Songs ihre Unzufriedenheit gegenüber der Instrumentalisierung der Melodie durch die AfD aus. Sie schreiben auf Instagram:
“Die Einzigen, die unseren Song umdichten dürfen, sind die Hertha BSC Ostkurve und Spongebob”.
Die nun vorliegende Unterlassungserklärung unterschrieb die AfD, um Prozesskosten in Summe von bis zu 36.000 Euro zu vermeiden, wie die Rechtsextremen selbst sagen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Song von der AfD missbraucht wird.
Hinweis der Redaktion: Teile des Artikels wurden mithilfe künstlicher Intelligenz verfasst. Artikelbild: RRoman Samborskyi
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