Trumps Rückkehr ins Weiße Haus erhöht Risiko politischer Turbulenzen in der Ukraine

Von Andrei Restschikow

Der Sieg des Republikaners Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ist für die Ukraine ein Besorgnis erregendes Ereignis. Mit seinen Glückwünschen wandte sich an den Wahlsieger nicht nur Wladimir Selenskij, der die Hoffnung auf ein baldiges persönliches Treffen mit dem künftigen Herrn des Weißen Hauses äußerte, sondern auch der "grüne Kardinal" der Ukraine, Andrei Jermak.

Wie die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, diesbezüglich anmerkte, versuche Kiew, sowohl den Demokraten als auch den Republikanern zu gefallen.

Unter seine Glückwünsche hätte Selenskij die Unterschrift "Ihr Wolodymyr 'Burisma' Selenskij" setzen sollen, fügte die Diplomatin hinzu. Damit spielte sie ironisch auf die korrupten Verbindungen des ukrainischen Öl- und Gasunternehmens Burisma zum Präsidenten der USA, Joe Biden, und seinem Sohn Hunter an.

Russlands Außenministerium erklärte außerdem, dass sich Moskau in Bezug auf Trump und die neue Zusammensetzung des Kongresses, wo die Republikaner nach vorläufigen Zählungen die Mehrheit haben werden, keinen Illusionen hingebe:

"Die in den USA regierende politische Elite hält unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit an antirussischen Einstellungen und der Linie der 'Eindämmung Moskaus' fest."

Ihrerseits bezeichnete die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, die Abstimmungsergebnisse als klare Demonstration "der Haltung der Amerikaner zur Politik der Demokraten in den vergangenen Jahren – sowohl zur Innen- als auch zur Außenpolitik".

Änderungen in der Außenpolitik der USA erwartet indessen der Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, der die Meinung äußerte, dass Trump die Hilfe an die Ukraine erheblich reduzieren könnte. Er erklärte dies mit der Ankündigung des Wahlsiegers, sich diesem Thema besonders aktiv zuwenden und Ergebnisse in Sachen Regulierung des Ukraine-Konflikts erzielen zu wollen.

Alexander Kornijenko, Vizesprecher der ukrainischen Werchowna Rada, erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass ein Ende des Konflikts in der Ukraine die Durchführung von neuen Parlamentswahlen ermöglichen würde, die im Jahr 2023 hätten stattfinden sollen, wegen des Kriegsrechts allerdings ausgesetzt worden waren.

Trump behauptete mehrmals, wenn er an der Macht wäre, dann hätte der Ukraine-Konflikt nie stattgefunden. Nach der Ankündigung seines Wahlsiegs versprach er, die Konflikte auf der Welt, darunter die in der Ukraine und im Nahen Osten, zu beenden. "Sie sagten, er wird einen Krieg beginnen. Ich habe nicht vor einen Krieg zu beginnen, ich habe vor, die Kriege zu beenden", so Trump.

Während seiner Wahlkampagne versprach der Republikaner, im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus, den Konflikt in der Ukraine vor seinem offiziellen Amtsantritt am 20. Januar 2025 zu beenden. Er könne das binnen 24 Stunden erreichen, behauptete er. Trump schloss auch nicht aus, dass die Ukraine um des Friedens willen zu territorialen Zugeständnissen bereit sein müsse.

Diese Ansichten teilt auch der künftige Vize-Präsident der USA, James David Vance, der sich bereits im Jahr 2022 gegen die Unterstützung der Ukraine ausgesprochen hatte, also lange vor seiner Ernennung zu Trumps Partner. Der Senator aus Ohio hat die Biden-Administration mehrmals wegen der finanziellen und materiellen Unterstützung Kiews kritisiert.

Die Teilnehmer einer von der ukrainischen Nachrichtenagentur UNIAN durchgeführten Blitzumfrage auf den Straßen Kiews fassten Trumps Wahlsieg skeptisch oder negativ auf. Unter den Befragten gab es gar solche, die die Abstimmungsergebnisse "mit Schrecken" aufnahmen. Doch praktisch alle Befragten äußerten Zweifel daran, dass Trump den Konflikt schnell beenden kann.

Ukrainische Politologen sagen ihrerseits ein erhöhtes Risiko von politischen Turbulenzen im Land voraus. Wie der Leiter des Ukrainischen Instituts für Politik, Ruslan Bortnik, schreibt, werde mit Trumps Amtsantritt die ukrainische Opposition stärker: das Team des Ex-Präsidenten Pjotr Poroschenko und von Julia Timoschenko, "in gewisser Hinsicht könnten auch die Splitter der ehemaligen 'Oppositionsplattform – Für das Leben' reanimiert werden."

Was eine friedliche Regulierung angeht, so könnte Trump laut Bortnik eine Vereinbarung mit Russlands Präsident Wladimir Putin treffen, doch diese Vereinbarung würde "begrenzten Charakter" haben. Trump werde keine absolute Niederlage der Ukraine, also eine Vernichtung ihrer Staatlichkeit, zulassen, allerdings müsse die Ukraine wahrscheinlich auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichten, so Bortnik.

Selenskijs Siegesplan habe inzwischen seine Aktualität verloren und werde keinen offenen Beistand selbst unter Unterstützern der Ukraine in Europa mehr finden. Einige Experten betonen außerdem, dass in der Ukraine diejenigen, die auf einen Sieg von Biden gesetzt hätten und von der Unterstützung der Demokratischen Partei der USA finanziell abhängig gewesen seien, zu den Hauptverlierern gehörten.

"Bestimmte gesellschaftliche Strukturen, die sogenannten 'Soros-Kinder' (Empfänger einer Finanzierung seitens der Stiftungen von George Soros) werden nach Trumps Sieg merklich verlieren. Man sollte allerdings nicht denken, dass die ukrainische Elite ausschließlich auf die Demokratische Partei der USA gesetzt hat", bemerkt Larissa Schessler, Vorsitzende des Vereins der politischen Emigranten und politischen Gefangenen der Ukraine (SPPU).

Die Expertin erinnert daran, dass die ukrainische Regierung im Jahr 2020 Hunter Bidens Aufnahmen und sonstige Materialien veröffentlicht habe, die die US-Administration kompromittiert hätten. Zudem habe sie direkte Verbindungen zu Trumps prominenten Parteigänger Rudolph Giuliani und diversen Vertretern der Republikanischen Partei unterhalten.

"In den ukrainischen Machtstrukturen gibt es Verbindungen nicht nur zu Demokraten, sondern auch zu Republikanern, beispielsweise in Form der Gruppe um Igor Kolomoiski. Doch nach dem Amtsantritt von Joe Biden wurde diese Gruppe Repressionen unterworfen. Eine der Bedingungen für die Unterstützung von Selenskij war die Forderung der Demokraten, jene zu bestrafen, die mit den Dokumenten in Verbindung standen, die Hunter Biden kompromittiert hatten", erklärt Schessler.

Was die Causa Hunter Biden angehe, habe die ukrainische Regierung das Belastungsmaterial einerseits gedeckt. Andererseits habe ein Teil der regierenden Elite gezielt nach diesen Dokumenten gesucht.

"Trump kann mit der Abrechnung beginnen. Er hat nicht vergessen, wie Pjotr Poroschenko im Jahr 2016 seiner Konkurrentin bei den Präsidentschaftswahlen, Hillary Clinton, die Treue schwor. Jetzt wird Trump eine negative Einstellung zu jenen ukrainischen Politikern haben, die ihm Verbindungen zu Putin vorwarfen, Vance kritisierten und den Demokraten die Treue schworen", meint Schessler.

Außerdem haben die Republikaner recht gereizt auf Selenskijs Einmischung in die Wahlkampagne in den USA reagiert. Das ging so weit, dass die Parteichefs einen Rücktritt des ukrainischen Botschafters in Washington forderten und Trump sich eine Zeit lang weigerte, mit Selenskij zusammenzutreffen. Später wurde der Konflikt eingestampft, doch ein "Nachgeschmack" ist geblieben, zumal Trumps Ansprüche an die ukrainischen Politiker tiefer liegende Gründe haben.

Trump habe die Causa Burisma mehrmals in seiner vergangenen und jetzigen Wahlkampagne genutzt, fügt Denis Denissow, Experte der Finanzuniversität bei der Regierung Russlands, hinzu. "Gegenwärtig wird diese Angelegenheit für Trump keine Priorität haben, auch wenn eine vollständige Ermittlung bezüglich der Bestechung von US-Beamten, darunter auch auf Kosten der Ukraine, interessant und aussagekräftig wäre", meint er.

Nach Schesslers Meinung müsse sich die Regierung in Kiew "sehr verändern, um neue Zugänge zur republikanischen Elite zu finden." Trump werde versuchen, die Last der Unterstützung der Ukraine Europa aufzubürden. "Doch auch unter den Republikanern gibt es Ukraine-Lobbyisten. Deswegen werden unter Trump keine radikalen Änderungen eintreten, die USA werden die Ukraine unabhängig davon beherrschen, ob Demokraten oder Republikaner an der Macht sind", meint die Expertin.

Der Ansicht, dass es zu keinen radikalen Änderungen im Verhältnis zwischen den USA und der Ukraine kommen wird, stimmt auch Denissow zu. "In den vergangenen Jahren beobachten wir, dass beide große US-Parteien die Ukraine unterstützen. Wäre dem nicht so, könnten die Republikaner in zahlreichen Fällen die Unterstützung der Ukraine blockieren. Dies gilt für Waffenlieferungen und für die finanzielle Unterstützung", betont er.

Denissow zufolge sei nicht damit zu rechnen, dass der neue US-Präsident "zu einem Symbol des Verzichts auf Hilfe für die Ukraine" werde. "Das System der USA ist immerhin so aufgebaut, dass eine einzelne Person, selbst ein Präsident, derartige strategische Entscheidungen nicht immer wirksam beeinflussen kann", erklärt er.

Trumps Wahkampagne sei unter anderem aktiv vom militärisch-industriellem Komplex finanziert worden, der jetzt eine Dividende erwarte.

"Diese Menschen sind ganz sicher nicht an einem Ende aller Konflikte interessiert, wie es Trump angekündigt hat. Sie werden zielgerichtet eine Rückzahlung ihrer Investitionen fordern, und dass ist nur über neue Rüstungsaufträge, darunter auch für Lieferungen an die Ukraine, möglich", fügt Denissow hinzu.

Die Experten sind sich ebenfalls darüber einig, dass es nicht zu der von Trump versprochenen augenblicklichen Regulierung der Ukraine-Krise kommen wird. Allerdings werde der neue Präsident sich gegen die Lieferung von Langstreckenwaffen an die Ukraine für Angriffe in die Tiefe des russischen Territoriums aussprechen.

"Die Lage ist nicht so einfach, dass sich der Konflikt binnen 24 Stunden einstellen lässt. Er lässt sich nicht mit einem Schachzug lösen. Deswegen erwarte ich keine schnelle Entscheidung. Sicher wird Trump versuchen, alle Teilnehmer unter Druck zu setzen. Er mag denken, dass es möglich ist, Russland zu 'überzeugen'. Und wenn er die Russen schon nicht zu einem Rückzug bewegen kann, dann wird er sie doch zumindest aufhalten wollen", erklärt Schessler.

Laut ihrer Prognose werden Trumps Versuche, Russland unter Druck zu setzen, allerdings ergebnislos bleiben. Anschließend wird der neue US-Präsident die Ukraine unter Druck setzten müssen, damit Kiew möglichst viele Kompromisse mit Moskau eingeht. "Doch das ist ein langfristiges Spiel", fügt die Expertin hinzu.

Denissow erinnert seinerseits daran, dass Trumps Ankündigungen bezüglich der Möglichkeiten der Regulierung dieser Krise widersprüchlich und teilweise viel zu populistisch gewesen seien und nicht den Anspruch gehabt hätten, "zu einem bestimmten Plan oder einer Alternative für die Regulierung des Konflikts zu werden." Er stimmt der Ansicht zu, dass es in Trumps künftigem Plan keine besonderen Präferenzen für Russland geben wird. "Ganz sicher sollte man nicht erwarten, dass Trumps Präsidentschaft für Russland im Rahmen der militärischen Sonderoperation und der bilateralen Beziehungen unbeschwert sein wird", schlussfolgert der Experte.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 6. November.

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