Schulnamen-Drama um Preußler: Ein Firlefanz zu viel

Wegen NS-Vorwürfen wollte sich eine Schule nicht mehr nach dem Kinderbuchautor Otfried Preußler benennen. Nun entzieht ihr dessen Tochter die Namensrechte – und rechnet ab.

Erst wollten sie ihn nicht haben, jetzt dürfen sie nicht: Nachdem ein staatliches Gymnasium in Pullach im Isartal erwog, den Namen des sudetendeutschen Schriftstellers Otfried Preußler aufgrund von NS-Verherrlichungsvorwürfen loszuwerden, entzieht dessen Tochter Susanne Preußler-Bitsch nun der Schule die Namensrechte.

Damit wolle sie als Nachlaßverwalterin dem „unwürdigen und rufschädigenden“ Umgang mit ihrem Vater Einhalt gebieten. „Es wäre keinesfalls im Sinne des Namensgebers, daß eine Schule seinen Namen tragen muß, obwohl sie diesen massiv ablehnt“, sagte Testamentsvollstreckerin nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur.

Nun werde das Gymnasium von einem ungeliebten Namen „befreit“. Diesen wollte es bereits im Februar verwerfen.

„Natürlich werden wir weiterhin auch seine Bücher lesen“, versicherte Schulleiter Benno Fischbach damals gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Er selbst habe Preußlers europaweit bekanntestes und mehrfach filmisch adaptiertes Werk „Die kleine Hexe“ mit acht Jahren gelesen.

Doch als Vorbild eigne sich der 1923 geborene Kinderbuchautor nicht mehr – dabei war das die Begründung für die Auswahl des Namenspatrons im Jahr 2013 gewesen. Elf Jahre später sah eine Kommission aus Lehrern und Schülern dies anders. (Posse um Restaurant: Wenn Omas Küche plötzlich rassistisch ist)

Kritik an einem Buch über Erlebnisse bei der Hitlerjugend

Vor allem ein Roman geriet in die Kritik des Gremiums: Das mutmaßlich um 1940 verfaßte und 1944 veröffentlichte „Erntelager Geyer“ schildert die Erlebnisse einer Hitlerjugend-Gruppe im Kriegsernteeinsatz.

Nach dem Krieg hatten die Sowjets das Werk in ihrer Besatzungszone verboten, und es geriet schnell in Vergessenheit. Erst 2015 hob der ORF das Buch aus der Versenkung.

Es verbinde, so der Sender, die „abenteuerliche Welt eines Burschenlagers“ mit dem Enthusiasmus für den Nationalsozialismus und der Hochachtung des Bauernstandes.

Dafür sollen auch Zitate wie diese herhalten: „Alles können wir schaffen, wenn wir zusammenhalten, alle Widerstände werden klein vor einer Gemeinschaft, die fest und treu ist. Erntelager ‘Geyer’ – stillgestanden!“

Daß Preußler selbst zu dem Roman nicht mehr stehen wollte, vermutete damals Murray Gordon Hall. „Interessant ist auch, daß keiner der Biographen diese Publikation erwähnt. Ebensowenig gibt Preußler in seinen autobiographischen Aussagen Hinweise dazu“, merkte er gegenüber dem ORF an.

Selbst Preußlers Enkelin Sabine Volk zeigte sich schockiert. Vom „Erntelager Geyer“ habe ihr Großvater ihr nichts erzählt, schrieb sie Ende Februar in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Und das nehme ich ihm übel.“

Für die Schule ein klarer Fall: Preußler habe sich nicht ausreichend mit seiner NS-Vergangenheit auseinandergesetzt. Dem Urteil folgte zunächst die Gemeinde, anschließend stimmte auch der Schulverein einhellig für die Umbenennung.

Preußler bemühte sich um Versöhnung mit Tschechen

Doch aus seiner einstigen NS-Begeisterung machte Preußler selbst nie einen Hehl. Einer seiner bekanntesten Romane, „Krabat“ (1971), für den er mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde, stellt eine Parabel auf die damalige Zeit dar.

Darin geht es um den titelgebenden Jungen, der zunächst unwissentlich einer Schule der Schwarzen Magie beitritt. Die Macht, die diese ihm gibt, fasziniert ihn.

Bald entdeckt er jedoch, daß der Schulmeister jedes Jahr einen seiner Schüler töten muß, um selbst am Leben zu bleiben. Das führt zu einem Konflikt, der mit Meisters Tod und dem Ende der Schwarzen Magie auf der Erde endet.

„Es ist meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen“, betonte er noch 1998.

Zeitlebens bemühte sich Preußler auch um die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen – obwohl seine Familie 1945 aus dem Sudetenland vertrieben wurde.

Dafür bekam er noch im Mai 2024 eine posthume Würdigung von seiner Heimatstadt Reichenberg (heute Liberec). Eines seiner weiteren Bücher, „Der Räuber Hotzenplotz“, wurde sogar nach einem tschechischen Dorf benannt (heute Osoblaha).

Und dank des Fernsehbetthupferls aus der Tschechoslowakei-Zeit dürften ältere Tschechen „Die kleine Hexe“ kennen.

Preußler-Bitsch: „Logisch bin ich stolz auf ihn“

Doch für das Pullacher Gymnasium gehören offenbar auch die „Hexe“ und sogar „Krabat“ auf den Scheiterhaufen. „Problematisch für die Lernenden erscheinen auch die in einigen Werken dargestellten fragwürdigen Konfliktlösungsstrategien durch Gewalt und/oder Hexerei“, betonte Fischbach gegenüber der FAZ.

Seit 2023 ist seine Schule Teil der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Diese beinhaltet die Verpflichtung, für ein Klima „ohne Diskriminierung, Mobbing und Gewalt“ einzutreten.

Geht es also eher um den Zeitgeist als um Geschichte? Bereits 2013 kündigte der Stuttgarter Thienemann-Esslinger-Verlag an, Begriffe wie „Negerlein“ mit jenen wie „Messerwerfer“ zu ersetzen.

Ein Brief eines schwarzen Referenten der Heinrich-Böll-Stiftung habe die Erben Preußlers überzeugt, betonte der Verlag in einem Brief.

Die jüngste Debatte war ihnen aber zu viel. Preußler-Bitsch wolle mit dem Entzug der Namensrechte den „Firlefanz“ beenden, sagt sie nun der Münchner Abendzeitung.

„Es geht hier um einen Menschen und seine Biographie und nicht um einen Bauantrag, der x-beliebig nachgebessert werden kann.“ Gefragt, ob sie nach der „Erntelager“-Affäre weiter stolz auf ihren Vater sei, antwortet sie: „Logisch bin ich stolz.“

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Video:

Quellen: PublicDomain/jungefreiheit.de am 02.11.2024

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