Inmitten der ohnehin angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel hat der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol am Dienstag zur Ausschaltung der Opposition das Kriegsrecht ausgerufen. Nun droht ihm ein Amtsenthebungsverfahren. Die Opposition wirft ihm vor, mit der Verhängung des Kriegsrechts gegen seine verfassungsmäßigen Pflichten verstoßen zu haben.
Yoon von der Konservativen Partei hob die Verhängung des Kriegsrechts am frühen Mittwochmorgen auf, nur wenige Stunden nachdem das von der Opposition kontrollierte Parlament seinen Versuch, durch Kriegsrecht politische Aktivitäten zu verbieten und die Medien zu zensieren, abgelehnt hatte.
Laut der Verfassung hat das Parlament das Recht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten oder einen anderen hochrangigen Staatsbeamten einzuleiten, wenn diese "bei der Amtstätigkeit gegen die Verfassung oder ein Gesetz verstoßen haben". Für die Amtsenthebung des Präsidenten ist eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Parlaments erforderlich. Das südkoreanische Parlament umfasst maximal 300 Sitze.
Das Verfassungsgericht muss die vom Parlament vorgelegten Beweise für den Gesetzesverstoß seitens des Staatschefs prüfen und den Antrag zur Amtsenthebung bestätigen oder ablehnen.
Derzeit wird das Parlament von der wichtigsten oppositionellen Demokratischen Partei kontrolliert. Sie zusammen und fünf weitere kleinere Oppositionsparteien verfügen über 192 Sitze im Parlament. Um die Amtsenthebung des Präsidenten zu beantragen, sind die Stimmen von 200 Abgeordneten erforderlich. Das bedeutet, dass die Opposition acht Stimmen der regierenden konservativen Partei benötigt.
Wie die Nachrichtenagentur Yonhap mitteilt, wurde der Amtsenthebungsantrag bereits von 190 oppositionellen Abgeordneten und einem unabhängigen Abgeordneten unterzeichnet. Keiner der Abgeordneten der Regierungspartei hat bis daher den Antrag unterstützt.
Die Oppositionsparteien planen, den Vorschlag zu Amtsenthebung bei einer Sitzung des Parlaments am Donnerstag zu unterbreiten und ihn am Freitag oder Samstag zur Abstimmung zu stellen. Falls das Parlament für das Amtsenthebungsverfahren stimmt, wird der Präsident von der Erfüllung seiner Befugnisse suspendiert, bis das Verfassungsgericht ein Urteil fällt. Der Premierminister übernimmt vorübergehend das Amt des Staatsoberhauptes.
Das Verfassungsgericht muss innerhalb von sechs Monaten für oder gegen das Amtsenthebungsverfahren stimmen. Die Stimmen von sechs der neun Richter sind dafür erforderlich.
Sollte der Präsident seines Amtes enthoben werden, müssen die neuen Präsidentschaftswahlen innerhalb von 60 Tagen abgehalten werden. Dasselbe Verfahren gilt für den Fall, dass das Staatsoberhaupt zurücktritt und der Regierungschef das Amt bis zu den Neuwahlen vorübergehend übernimmt.
Der jüngste derartige Fall ereignete sich vor acht Jahren. Neue Präsidentschaftswahlen wurden im Mai 2017 abgehalten, nachdem Park Geun-hye, die damalige Präsidentin Südkoreas, ihres Amtes am 9. März wegen Korruptionsvorwürfen per Gerichtsbeschluss enthoben worden war.
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