Innerhalb der EU wachse die Verärgerung über die einseitigen Entscheidungen von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission. Dies berichtet Politico. Der Grund dafür sei das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Von der Leyens Vorgehen wurde von Frankreich heftig kritisiert, weil der Vertrag trotz Einwänden aus Paris vor kurzem abgeschlossen wurde. "Von der Leyen ist bei der Auslegung ihres Mandats weiter gegangen als jeder andere Kommissionspräsident zuvor, und zwar mit der Mercosur-Entscheidung", sagte ein EU-Diplomat gegenüber Politico unter der Bedingung der Anonymität.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich wiederholt gegen die Mercosur-Vereinbarung ausgesprochen. Denn französische Bauern haben gegen das geplante Freihandelsabkommen protestiert: Billige Agrarprodukte aus Südamerika würden nach Abschluss eines solchen Abkommens den Markt überschwemmen, mahnten sie. Politico weist darauf hin, es sei nicht das erste Mal, dass von der Leyen gegen eine der beiden großen europäischen Hauptstädte, Berlin und Paris, vorgehe.
Am Donnerstag und am Freitag findet ein Treffen der EU-Länder statt, das erste nach den EU-Wahlen. Der neue Chef des Europäischen Rates, António Costa, wird sein erstes Gipfeltreffen leiten. Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich in Brüssel, um unter anderem über die Ukraine, den Nahen Osten, Migration und außenpolitische Fragen zu diskutieren.
"Das eigentliche Gespräch wird sich um von der Leyen drehen und darum, wie weit sie gehen kann", sagte ein namentlich nicht genannter EU-Diplomat. Politico weist darauf hin, dass sie sich während ihrer ersten Amtszeit den Ruf erworben habe, einseitige Entscheidungen zu treffen, die über ihre Aufgaben weit hinausgegangen seien. Außerdem habe von der Leyen die EU-Staats- und Regierungschefs bei Beschlussfassungen zu wichtigen Fragen wie den Sanktionen gegen Russland ausgeschlossen. "Sie setzt ihre Entscheidungen durch", erklärte ein EU-Beamter bezüglich ihrer Entscheidung zum Mercosur-Vertrag.
Die Anhänger der EU-Komissionspräsidentin in Brüssel behaupten indes, dies sei genau das Vorgehen eines echten europäischen Spitzenpolitikers, der die europäischen Interessen über die nationalen Interessen stelle. Manfred Weber, der Vorsitzende der EVP, unterstütze Ursula von der Leyen, weil sie ihre Führungsqualitäten in Bezug auf das Mercosur-Abkommen demonstriert habe.
Einige EU-Länder gingen Politico zufolge allerdings vorsichtig vor, wenn es um offene Kritik an der Politikerin gehe. Andere wiederum warnen immer öfter, dass es rote Linien gebe, die nicht überschritten werden sollten.
Den Quellen zufolge hätten einige Staats- und Regierungschefs der EU António Costa aufgefordert, das Machtgleichgewicht zwischen der Kommission und den EU-Ländern neu festzulegen. "Da sie weiß, wie empfindlich die Franzosen auf den Mercosur reagieren, ist dies fast eine öffentliche Demütigung", sagte ein EU-Beamter gegenüber Politico.
Von der Leyen müsse sicherstellen, dass sie die Schlüsselländer auf ihrer Seite habe, wenn sie in ihrer zweiten Amtszeit erfolgreich sein wolle, betonten andere Beamte.
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