Nationalratswahlen in Österreich: FPÖ punktet als Stimme gegen Russland-Sanktionen

Von Pierre Lévy

Am 29. September waren 6,5 Millionen Österreicher über 16 Jahre aufgerufen, neue Parlamentsabgeordnete zu wählen. 77,2 Prozent von ihnen nahmen an der Wahl teil (+1,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019), am Ende einer Legislaturperiode, die von der Regierungskoalition aus klassischer Rechter (ÖVP) und Grünen dominiert wurde.

Alle Umfragen prognostizierten einen Sieg der FPÖ, die gemeinhin als rechtsextrem eingestuft wird. Dieser Sieg nahm schließlich die Form eines regelrechten Erdbebens an. Mit 28,9 Prozent der Stimmen, einem Zuwachs von 12,7 Prozentpunkten gegenüber 2019, wurde die FPÖ stärkste Partei und erzielte das höchste Wahlergebnis seit ihrer Gründung im Jahr 1955. Sie verbesserte sogar ihr Ergebnis der Europawahlen am 9. Juni, bei denen sie mit 25,4 Prozent triumphiert hatte.

Dieses Kunststück ist umso spektakulärer, als die meisten Beobachter im Jahr 2019 davon ausgingen, dass die FPÖ Mühe haben würde, sich von einem Skandal zu erholen, der ihren damaligen Chef Heinz-Christian Strache hinweggefegt hatte. Ein heimlich gedrehtes Video hatte ihn dabei gezeigt, wie er auf der spanischen Insel Ibiza mit einer angeblichen russischen Geschäftsfrau über verdeckte Finanzierungen verhandelte. Es wurde nie genau geklärt, wie Strache auf die "antifaschistischen Whistleblower" hereingefallen sein könnte. Wie dem auch sei, der Aufruhr brachte die ÖVP-FPÖ-Regierungsallianz zu Fall.

Im Jahr 2021 übernahm Herbert Kickl, der als Personifizierung des radikalsten Flügels der FPÖ gilt, die Führung der Partei. Er reitet seitdem insbesondere auf der "Antivax"-Welle. Politologen zufolge ist er ein ausgezeichneter Kommunikator; er war es, der seine Partei zu den Erfolgen des Jahres 2024 geführt hat.

Der Sieg am 29. September hat Brüssel und viele europäische Staats- und Regierungschefs entsetzt. Dies gilt umso mehr, als Herr Kickl und seine Freunde keineswegs eine Strategie der "Entdiabolisierung" verfolgt haben, wie es der Rassemblement National in Frankreich, die Fratelli D'Italia oder ihre nordischen Kollegen getan haben. Im Gegenteil.

Drei Hauptachsen wurden von der FPÖ hervorgehoben. Den Anfang machte der Kampf gegen die Einwanderung, zu dem in ihrem Programm die Überschrift lautet: "Festung Österreich, Festung der Freiheit". Dabei ist die Rede von der Abschaffung des Asylrechts, dem Stopp der Familienzusammenführung und von "Remigration".

Das Thema vereint weit mehr Menschen als eine ultrarechte Wählerschaft in einem Land, das innerhalb eines Jahrzehnts im Vergleich zu anderen europäischen Ländern den höchsten Anteil an Flüchtlingen im Verhältnis zu seiner Bevölkerung aufgenommen hat. Darunter 150.000 Syrer und Afghanen.

Die Partei von Herrn Kickl konnte aber auch aus einem zweiten Grund für Besorgnis und Unzufriedenheit Kapital schlagen: der wirtschaftliche Lage des Landes – auch wenn das Programm der FPÖ in dieser Hinsicht nicht weit von der liberalen Ausrichtung der ÖVP entfernt ist (Senkung der Unternehmenssteuer und der Arbeitgeberbeiträge...). Wie dem auch sei, viele Wähler brachten ihre Wut über die steigende Arbeitslosigkeit (5,3 Prozent laut offiziellen Zahlen für dieses Jahr), eine Inflation, die bis 2023 auf 7,7 Prozent gestiegen ist, und ein schleppendes Wachstum zum Ausdruck.

Die schlechten Zahlen sind nicht zuletzt auf den internationalen Kontext zurückzuführen. Österreich ist stark von seinem großen Nachbarn Deutschland abhängig, dessen Wachstum und Industrie im Niedergang begriffen sind. Vor allem aber haben die EU-Sanktionen gegen Russland einen Bumerang-Effekt ausgelöst, insbesondere was die Energiekosten angeht.

Vor diesem Hintergrund waren viele Wähler für ein drittes Hauptthema der FPÖ empfänglich: die Forderung nach der Wiederherstellung friedlicher Beziehungen zu Russland, die in erster Linie die Fortsetzung der Gasimporte aus diesem Land ermöglichen sollten. Der FPÖ-Chef bezeichnete die Sanktionen als wirtschaftlichen "Selbstmord".

Es gehe der FPÖ jedoch nicht nur um die Wirtschaft, heißt es. Herbert Kickl betonte einen Punkt, der vielen Österreichern sehr am Herzen liegt: die traditionelle Neutralität des Landes zu erhalten oder wiederzuerlangen. So machte er die EU und die NATO für den Krieg in der Ukraine verantwortlich und bezeichnete die Politik dieser Organisationen als "katastrophal, heuchlerisch" und gefährlich "eskalierend". Darüber hinaus sprach Kickl sich dafür aus, den Transit von Waffen aus anderen EU-Ländern durch Österreich in die Ukraine zu stoppen. Und schließlich bestand er darauf, dass die Ukraine niemals Mitglied der NATO werden dürfe.

Dieses Bekenntnis zur Neutralität ist in der Alpenrepublik tief verwurzelt, zumal es bis in die Nachkriegszeit zurückreicht. Österreich fungierte damals als Brücke zwischen Ost und West – auch heute noch haben mehrere internationale Institutionen ihren Sitz im Land. Als sich die Regierung 1994 für den Beitritt zur Europäischen Union einsetzte, stieß dies auf starke Ablehnung. Bei einem Referendum stimmten 33,4 Prozent der Bürger mit Nein.

Dreißig Jahre später wagte es das scheidende Kabinett nicht, den Beitritt zur NATO vorzuschlagen, wie es jüngst Schweden und Finnland getan haben. Die ÖVP-Grünen-Regierung änderte in diesem Sommer allerdings die Verteidigungsdoktrin, in der Russland zuvor als "wesentlicher Partner" eingestuft worden war. Moskau wird nun als "Sicherheitsrisiko" betrachtet. Nicht nur die FPÖ war gegen diese Änderung, sondern auch die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) prangerte die Umgehung des Parlaments an. Wie auch immer, es war die FPÖ, die sich erfolgreich als Träger der pazifistischen und neutralen Bestrebungen vieler Bürger etabliert hat.

Die FPÖ ist daher der große Gewinner der Wahlen. Die liberal-zentralistische Partei NEOS legte von 8,1 Prozent auf 9,1 Prozent zu. Die Kommunistische Partei steigerte ihr Ergebnis um 1,7 Prozentpunkte auf 2,4 Prozent. Eine "Bierpartei" schaffte es gar, 2 Prozent der Wähler für sich zu gewinnen.

Das Urteil der Wähler war im Gegensatz dazu grausam für die drei großen Verlierer. Dies gilt in erster Linie für die ÖVP. Mit 26,3 Prozent der Stimmen fielen die Christdemokraten um 11,1 Prozentpunkte. Eine "bittere" Niederlage, wie der scheidende Bundeskanzler Karl Nehammer eingestand. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, verloren ebenfalls ein Drittel ihrer Unterstützer und fielen von 13,9 auf 8,2 Prozent.

Die Sozialdemokraten mussten mit 21 Prozent (-0,1 Punkte) das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte hinnehmen. Die SPÖ, die andere große traditionelle Partei des Landes, hatte unter anderem versucht, die Aufnahme von Migranten zu verteidigen. Diese Entscheidung sowie ihre lange Oppositionskur (seit 2017) haben ihr nicht gutgetan. Paradoxerweise könnte sie jedoch Teil einer künftigen Koalition sein.

Denn Karl Nehammer hat betont, dass er ein Bündnis mit Herbert Kickl ausschließe, aber gleichzeitig die Tür für ein Bündnis mit der FPÖ öffne, wenn diese Partei ihren "unheimlichen" Chef beiseite lässt – eine eher unwahrscheinliche Annahme.

Ein Bündnis zwischen ÖVP und FPÖ wäre zwar kein Novum. Dies war bereits von 2000 bis 2005 und dann von 2017 bis 2019 der Fall. In der ersten Periode hatte die Europäische Union sogar Sanktionen gegen Wien verhängt, da sie der Ansicht war, dass der extremen Rechten der Zugang zur Macht verwehrt werden sollte. Die europäischen Führer mussten am Ende aber feststellen, dass diese direkte Einmischung in die Zusammensetzung einer nationalen Regierung nur ein Ergebnis hatte: die Stärkung der FPÖ, der eine Aura des Opfers anhaftete.

In einem solchen Bündnis würde aber diesmal die FPÖ den Kanzlerposten erben, während die ÖVP als kleinerer Partner fungieren würde. Das "Risiko" einer Annäherung an den "pro-russischen" ungarischen Premierminister Viktor Orbán, der den anderen europäischen Führern ein Dorn im Auge ist, wäre damit verbunden.

Um einen solchen Albtraum für Brüssel zu vermeiden, ist es daher wahrscheinlich, dass es zu einem Bündnis zwischen ÖVP und SPÖ kommen wird (was in den fünf Nachkriegsjahrzehnten häufig der Fall war). Diese beiden Parteien zusammen verfügen über eine sehr knappe Mehrheit von einem Sitz, zu der sich die Liberalen von NEOS gesellen könnten.

Eine solche Konstellation würde der französischen Linken widersprechen, die aus Frustration darüber, dass sie nicht den Posten des Premierministers bekommen hat, eine angebliche "französische Ausnahme" anprangert: In Wirklichkeit würde nicht nur in Paris am Ende eine Koalition der Geschlagenen an die Macht kommen.

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