Mit diesen 3 Strategien will Trump dich manipulieren

Heute Nacht (deutscher Zeit) schließen die Wahllokale in den USA. Es ist gut möglich, dass gegen 4 Uhr schon feststeht, wer die Wahl gewinnen wird – es kann aber auch so knapp werden, dass wir erst in den Stunden oder Tagen danach erfahren, ob Kamala Harris oder Donald Trump gewonnen haben.

Screenshot zeit.de

Was schon klar ist: Der Anti-Demokrat Donald Trump wird sich als Gewinner der Wahl geben – wahrscheinlich selbst dann, wenn ein eindeutiger Sieg seiner demokratischen Konkurrentin Kamala Harris absehbar wird. Teil seiner Strategie werden dabei weiterhin Desinformation und Fake News sein. Dabei wird er möglicherweise noch während die Wahllokale geöffnet sind und noch stärker in den Stunden und Tagen danach in öffentlichen Äußerungen versuchen, die Wahrnehmung der Stimmauszählung zu manipulieren.

Der einzige Vorteil, den wir haben: Nach über 8 Jahren Donald Trump auf der politischen Bühne kennen wir so langsam seine Lieblings-Fakes. Deswegen können wir euch mit diesem Artikel schon darauf vorbereiten, was in den nächsten Stunden und Tagen auf uns zu kommt. Trump wird vor allem mit 3 Strategien arbeiten.

1. Trump wird die Swing States mit Lügen fluten

Vor allem in den sogenannten Swing States, also den US-Staaten, in denen die Wahl laut Umfragen besonders knapp ausgehen wird, kommt es möglicherweise auf nur einige tausend oder sogar noch weniger Stimmen Unterschied an. Umso mehr Fokus legt Trump mit seiner Desinformation auf diese Swing States.

Beispiel Pennsylvania: Der Staat im Nordosten der USA könnte der tipping point state werden, also der Staat, der die Wahl entscheidet. Deswegen wird hier auch besonders genau hingeschaut, was möglichen Wahlbetrug angeht. So wurden im Lancaster County knapp zwei Wochen vor der Wahl rund 2.500 Briefwahlanträge untersucht. Viele dieser Anträge waren in derselben Handschrift ausgefüllt, bei einigen passte die Unterschrift nicht. Wichtig: Es ging hierbei um Briefwahlanträge (applications), was nicht dasselbe ist wie ausgefüllte Wahlzettel (ballots). In einer Stellungnahme der Behörden waren die Worte “application” und “ballot” an einer Stelle (!) vertauscht. Doch das reichte schon für Donald Trump, um aus diesem ordnungsgemäßen Prüfablauf eine Desinformation zu basteln.

Trumps Wahl-Fake-Strategie

Trump behauptete nämlich auf einer Wahlkampfveranstaltung, man habe “sie beim Cheaten erwischt“. Wie gesagt, nur basierend auf einem vertauschten Wort in einer öffentlichen Stellungnahme einer Behörde eines Countys, die auch noch kurz darauf korrigiert wurde. Dieser Prozess ist eigentlich ein Beweis dafür, dass das System funktioniert. Denn dass solche möglichen Versuche des Betrugs erkannt werden, sollte eben eigentlich Sicherheit und Vertrauen geben.

Trump dreht das allerdings um. Indem er im Vorfeld schon behauptet, Harris könne die Wahl nur gewinnen, wenn sie betrüge, gibt er sich selbst eine Vorlage, die er am Wahltag nur noch verwandeln muss. Denn sollte sich abzeichnen, dass Harris gewinnt, kann er sich hinstellen und seinen Fans erzählen: “Ich hab es euch ja gesagt – sie werden betrügen! Der Beweis ist, dass Harris gewonnen hat, was ja gar nicht möglich gewesen wäre, wenn sie nicht betrogen hätte.” Klar – das ist offensichtlich ein Zirkelschluss. Aber da er in den Tagen, Wochen und Monaten zuvor die Köpfe der Menschen mit Desinformation überflutet hat, sind einige einfach zu überwältigt von Desinformation, um das noch zu erkennen.

Die Strategie dahinter ist nämlich gar nicht, dass jeder einzelne Fake geglaubt werden soll. Trump möchte die Leute nicht überzeugen, dass jetzt genau 2.500 Stimmen in einem County in Pennsylvania gefälscht wurden. Es soll nur ein Grundzweifel gesät werden, der das Vertrauen in die Institutionen generell untergräbt. Ziel ist, dass die Leute am Ende Donald Trump im Zweifel stärker vertrauen als den eigentlichen Wahlinstitutionen. Mehr dazu haben wir bereits vor einigen Tagen geschrieben:

2. Trump wird vor allem Wahlfakes über Migranten bringen

Die wichtigsten Fake-Narrative der Trump-Kampagne beziehen sich auf die Wahlen und auf Migration. Wenig überraschend zehrt Trump dewegen auch von der Kombination aus beidem: Wahl-Fakes über Migrant:innen!

Diese drehen sich dabei in der Regel um eine spezifische Verschwörungserzählung: Angeblich würden Millionen Menschen illegal ins Land geholt, um sie als Wähler:innen zu registrieren. Das ist schon deswegen Unsinn, weil Menschen ohne US-Staatsbürgerschaft gar nicht abstimmen dürfen. Tatsächlich gibt es immer wieder Fälle, in denen Menschen, die keine Staatsbürgerschaft haben, versuchen, bei den Wahlen abzustimmen.

Das kann, wie z.B. 2022 in Colorado, passieren, weil fälschlicherweise Aufforderungen, sich zur Wahl zu registrieren, an nicht-Staatsbürger:innen geschickt wurden. Der Fehler wurde rechtzeitig korrigiert. Die Zahlen an nicht-Staatsbürger:innen, die tatsächlich illegal wählen, ist extrem gering. Einer der spektakulärsten Fälle fand 2016 in North Carolina statt. In diesem Fall wurden ganze 16 (!) Menschen wegen Wahlbetrugs verurteilt. Angesichts der 4,5 Millionen Stimmen im Bundesstaat und über 125 Millionen Stimmen im ganzen Land eine verschwindend geringe Menge. In Georgia gab es zwischen 1997 und 2022 1.634 Versuche von nicht-Staatsbürger:innen, zu wählen. Alle Versuche konnten rechtzeitig verhindert werden.

Flexible Themen, gleiche Strategie

Auch wenn das Thema inhaltlich etwas anderes ist, sehen wir also die gleiche Strategie: Donald Trump nutzt gerade die Fälle, in denen deutlich wird, wie gut das Wahlsystem funktioniert, um es zu diskreditieren. Denn dass diese Fälle bekannt sind, aufgedeckt und auch bestraft wurden, zeigt ja, dass Wahlmanipulation effektiv bekämpft wird.

Doch es geht auch hier wieder nicht darum, dass in einem konkreten Fall irgendetwas belegt werden soll. Stattdessen wird immer wieder von Betrug geraunt, so zum Beispiel schon im Januar 2024 bei einer Rede in Iowa. Trump behauptete entgegen aller Fakten und Belege, es gäbe millionenfachen Wahlbetrug durch nicht-Staatsbürger:innen. Und es geht ja auch gar nicht darum, dass er es belegen könnte. Um erfolgreich zu sein, muss er nur das Gefühl erzeugen, irgendetwas könnte nicht ganz stimmen. Ganz nach dem Motto “wenn so oft darüber geredet wird, dass die Wahl manipuliert wurde, dann muss es doch irgendwie stimmen?”.

3. Trump wird sich zum Sieger erklären

Wir können euch nicht voraussagen, wer die Wahl gewinnt. Aber wir können euch schon sagen, was Trump sagen wird, wer gewinnt. Denn er wird sich selbst zum Sieger erklären, komme was wolle.

Für viele Menschen in Deutschland ist das (zum Glück!) eine absurde Vorstellung, aber in den USA glaubten laut Umfragen selbst 2024 38% der Menschen ernsthaft, dass Joe Biden 2020 nicht legitim zum Präsidenten gewählt wurde. Das ändert natürlich zuerst einmal nichts an dem Fakt, dass Biden faktisch Präsident ist. Doch es zeigt, dass die Strategie von Trump aufgeht. Denn der 2020 abgewählte Ex-Präsident hatte seine Wahlniederlage nie anerkannt, auch nicht, nachdem Joe Biden schon lange im Amt war. Und auch bei der Wahl dieses Jahr befürchten zwei Drittel der Wähler:innen in Swing States, dass Donald Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren würde.

Wie “Red Mirage” und “Blue Shift” Trump dabei helfen

Und tatsächlich kann es gut sein, dass die ersten Daten, die weit vor den endgültigen Ergebnissen schon veröffentlicht werden, gut für Trump aussehen. In den kommenden Stunden, wenn mehr Bezirke ausgezählt und das Ergebnis klarer wird, wird es dann wahrscheinlich wieder stärker Richtung Harris tendieren. Dieses Phänomen nennt man “Blue Shift” bzw. “Red Mirage“.

Die Gründe dafür sind relativ leicht logisch nachzuvollziehen. Denn es dauert in der Regel länger, Briefwahlstimmen auszuzählen – zumal in einigen Staaten Briefwahlstimmen auch dann noch zählen, wenn sie erst am Tag der Wahl in die Post gegeben wurden. Diese Stimmen sind also am Wahltag teilweise noch nicht einmal da. Und Briefwahlstimmen tendierten in der Vergangenheit insgesamt eher in Richtung der demokratischen Partei, wie Pew Research Center für die US-Präsidentschafswahl 2020 und die Zwischenwahlen 2022 herausfand.

Screenshot pewresearch.org

Außerdem werden in der Regel eher ländlich geprägte Counties schneller ausgezählt als die Großstädte. Die Demokraten von Kamala Harris haben ihre Hochburgen in der Regel allerdings in genau diesen Großstädten. Trumps Republikaner erzielen im ländlichen Raum meist bessere Ergebnisse. Wenn nun die ländlichen Counties zuerst ihre (tendenziell Trump bevorzugenden) Ergebnisse melden, weil in den Städten noch gar nicht alles ausgezählt ist, sieht es auch zunächst so aus, als würde Trump führen. Kommen dann die (tendenziell demokratischeren) Stimmen aus den Städten nach, kann es einen “Blue Shift” (nach der blauen Farbe der demokratischen Partei) geben.

Übrigens sind auch umgekehrte Shifts denkbar. Zum Beispiel melden manche Staaten zuerst ihre Briefwahlstimmen gesammelt und später erst die Stimmen vom Wahltag. Dann können zunächst die (eher demokratischen) Briefwahlstimmen den Eindruck erzeugen, Harris läge weit in Führung. Mit den restlichen Stimmen des Staates könnte aber Trump aufholen.

Für Trump gibt es nur ein Ergebnis

Insbesondere wenn aber in den entscheidenden Swing States ein “Red Mirage” auftritt, wird Trump das nutzen. Er wird die zeitigen, ihn favorisierenden Ergebnisse nutzen, um sich als Sieger zu präsentieren. Wenn dann im Laufe des Abends der “Blue Shift” passiert und Harris einige umkämpfte Staaten (scheinbar) “zurückgewinnt”, ist es möglicherweise schon zu spät, das von Trump gesetzte Narrativ noch zu durchbrechen. Tatsächlich wird Trump aber wohl ohnehin seinen Wahlsieg behaupten, egal, was die ersten Ergebnisse sagen.

Im September behauptete Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung:

“Wenn ich verliere – ich sag es euch, das ist möglich. Denn sie betrügen. Das ist der einzige Weg, wie wir verlieren können: wenn sie betrügen.”

Quelle: Reuters, Übersetzung VVP

Seine Fans sind also darauf eingestimmt, dass es nur zwei Ergebnisse gibt. Entweder Trump gewinnt offiziell – dann wird er seinen Sieg feiern. Oder Harris gewinnt offiziell – dann wird Trump sich in seinen Betrugsvorwürfen bestätigt sehen. Die Möglichkeit, dass Trump verlieren könnte, gibt es für ihn und seine treusten Anhänger nicht mehr.

Aber was können wir dagegen tun?

Fazit: Ruhe bewahren, offizielle Ergebnisse abwarten

Wir hier in Deutschland können sowieso erst einmal relativ wenig tun. So hart das auch angesichts der emotional aufgeheizten Stimmung ist, sollten wir uns bewusst machen: Wir können die Wahl nicht beeinflussen, da wir nicht abstimmen. Wir werden das Ergebnis so akzeptieren müssen, wie es kommt.

Doch Donald Trumps Hasstiraden zielen natürlich auch auf den deutschen Diskurs ab. Und an der Stelle sind wir nicht komplett hilflos. Denn wir wissen mittlerweile, was auf uns zu kommen wird – am Wahlabend und in den Tagen darauf. Wir können uns im Vorfeld bewusst machen, warum Trump die Märchen erzählt, die er erzählt. Wir können den Menschen, die uns wichtig sind, diese Fakten zeigen und sie damit davor schützen, in die hektisch polarisierende Fake-News-Bubble hereingezogen zu werden.

Und vor allem gilt: Egal was Trump sagt, egal wann er sich zum Sieger erklären wird (und das wird er tun): Bevor wir unsere Schlüsse ziehen, sollten wir das tatsächliche Ergebnis abwarten, gerade, wenn es knapp wird. Die Störfeuer von Trump und Co. (die definitiv kommen werden) müssen wir dann solange einfach ignorieren und darauf beharren, dass erst alles ausgezählt und gerichtlich geprüft werden muss.

An die Medien: Macht euch nicht zu Trumps Gehilfen!

Deswegen hier auch noch einmal der Aufruf an alle, die in den nächsten Tag für irgendein Medium über die Wahl berichten: Lasst euch nicht dazu verleiten, seine Lügen zu wiederholen oder gar in die Schlagzeilen zu packen. Wir haben hier und in anderen Artikeln genau erklärt, warum Trump die Dinge sagt, die er sagt. Außerdem haben wir auch deutlich gemacht, dass Trumps Äußerungen kaum etwas mit dem Ausgang der Wahl und stattdessen sehr viel mit Trumps Ziel der Machtergreifung zu tun haben werden. Nutzt eure Reichweite, um darüber aufzuklären, wie die Fake-Kampagnen funktionieren, statt Teil davon zu sein.

Artikelbild: lev radin/Shutterstock

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