Großbritannien macht den Anfang: Überwachung von Krankenversicherten per Sensor

In England will der staatliche Gesundheitsdienst (NHS) die gesetzlich Krankenversicherten mit Sensoren zur Fernüberwachung ihres Gesundheitszustands ausstatten. Dies sei Bestandteil einer Initiative zur Modernisierung des Gesundheitswesens, so die Behörde. Demnach sollen Millionen Patienten sogenannte Tragegeräte (englisch Wearables) erhalten, die direkt am Körper befestigt werden, wie zum Beispiel sogenannte Smartwatches. Sie sollen der konstanten Überwachung des Blutdrucks, des Blutzuckerspiegels und der Vitalfunktionen dienen.

Zwar seien die Geräte noch nicht so ausgereift, dass die Datenübertragung zuverlässig funktioniere, aber, so der Journalist Norbert Häring in seinem Bericht über den geplanten britischen Überwachungsvorstoß, "es handelt sich um einen Zehnjahresplan, und die technische Entwicklung geht sehr schnell voran".

Der Wirtschaftsexperte sieht die Ausweitung der Überwachung im Gesundheitswesen äußerst kritisch. So könne man an den Blutwerten eines Diabetes-Patienten ablesen, ob er sich an seine Diätvorgaben halte. Bei Nichteinhaltung könne man den Versicherten bestrafen oder aus der Versicherung ausschließen. Die Werte gäben auch Auskunft darüber, ob der Patient die vom Arzt verordneten Medikamente und Impfstoffe im Blut habe.

Sollte der Patient sich nicht an die Verabreichungen halten, sondern zum Beispiel lieber Naturheilverfahren anwenden, könne dies auch zu Sanktionen beim Versicherungsschutz führen. Die Überwachung der Kranken sei aber nur der Anfang, befürchtet Häring. Langfristig könne jeder Versicherte zum Tragen von Überwachungsgeräten am Körper verpflichtet werden. Der Publizist schreibt dazu:

"Irgendwann sind dann die Gesunden mit dran, die ja schließlich gesund bleiben sollen. Halten sie sich an die behördlich empfohlenen Ernährungsregeln? Treiben sie genug Sport? Wenn nicht, werden sie bestraft."  

Die Überwachungstechnik soll auch demnächst schon bei vorzeitig entlassenen Straftätern getestet bzw. angewendet werden. Aktuell prüfe eine Kommission im Auftrag der britischen Justizministerin die Überwachung von Straftätern in "virtuellen Gefängnissen" im Hausarrest. Dabei sollen die Straftäter mit mit GPS-Sendern zur Standortverfolgung, Sensoren zur Erkennung von Alkohol und Drogen im Blut sowie mit Smartwatches zur Verhaltenssteuerung ausgestattet werden.

Häring zufolge sei die Sensorüberwachung von Krankenversicherten und Straftätern aber nur der Anfang. Nach und nach könne man dann immer mehr Bevölkerungsgruppen einschließlich aller gesetzlich Krankenversicherten der Überwachung zuführen.

Das britische NHS-Programm könne einen Präzedenzfall für andere Gesundheitssysteme weltweit schaffen, heißt es auf der Webseite Gadgets And Wearables. Da die Bevölkerung altere und die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steige, würden andere Länder dieses Programm wahrscheinlich genau beobachten und bei Erfolg möglicherweise ähnliche Ansätze übernehmen. Nach den Plänen der britischen Regierung soll die Überwachungstechnik zukünftig auch zur Konsumkontrolle bei Suchterkrankten eingesetzt werden. Über die Blutwertkontrolle lassen sich Alkohol-, Drogen- und Medikamentenkonsum gut überwachen: Der Minister für öffentliche Gesundheit und Prävention, Andrew Gwynne, erklärte diesbezüglich:

"Drogensucht zerstört Leben und reißt Familien auseinander, und diese Regierung ist entschlossen, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Wir sind entschlossen, das Potenzial der Spitzentechnologie voll auszuschöpfen, um landesweit Tausende von Leben zu retten. Ich möchte, dass das Vereinigte Königreich eine Vorreiterrolle bei der Förderung von Innovationen einnimmt, um die schädlichen Auswirkungen der Drogensucht zu beenden."

Inwieweit sich auch Pharmakonzerne und Geheimdienste für die intimen Gesundheitsdaten der Menschen interessieren und wofür sie sie verwenden könnten, wird in den staatlichen Veröffentlichungen zur Überwachungstechnik nicht thematisiert.

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