Eine aktuelle Studie der Schweizer Organisation ProCoRe verdeutlicht die prekären Umstände, denen diese Frauen ausgesetzt sind.
Die Befragung, die 24 Frauen und Transfrauen aus allen Sprachregionen der Schweiz umfasst, zeichnet ein düsteres Bild vom Arbeitsalltag im Rotlichtmilieu.
Besonders alarmierend ist die häufig berichtete Praxis des sogenannten Stealthing. Dabei handelt es sich um das heimliche Abstreifen des Kondoms durch den Freier während des Geschlechtsverkehrs.
Diese Form der sexualisierten Gewalt ist nicht nur ein massiver Vertrauensbruch, sondern stellt seit Juli 2024 auch eine strafbare Handlung im Schweizer Sexualstrafrecht dar.
17 der befragten Frauen gaben an, bereits Opfer von Stealthing geworden zu sein. Eine Teilnehmerin berichtet:
"Das ist mir in mehreren Jahren ein- oder zweimal passiert. Ich habe es bemerkt und wende immer einen Sicherheitsgriff an, um zu prüfen, ob das Kondom noch an seinem Platz ist."
Doch damit nicht genug: Fast ein Drittel der Frauen erlebt regelmäßig weitere Formen sexualisierter Gewalt wie unerlaubtes Festhalten, Drohungen oder das Aufzwingen von Praktiken, die sie ablehnen.
Diese Übergriffe haben oft verheerende Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen.
Eine Sexarbeiterin erzählte, dass ihr einmal K.-o.-Tropfen verabreicht wurden, wodurch sie bewusstlos wurde und nackt in einem fremden Zimmer aufwachte, ohne Erinnerungen an die Geschehnisse.
"Sie denken, dass ich keine Rechte habe, weil ich Ausländerin bin, und dass sie mit mir machen können, was sie wollen."
Neben körperlicher Gewalt sind Sexarbeiterinnen auch Diskriminierungen ausgesetzt. Rund die Hälfte der Befragten berichtete von Beleidigungen und abfälligen Kommentaren, die von Freiern, Passanten oder sogar Arbeitskollegen stammen.
Besonders erschreckend ist die strukturelle Gewalt, die von Betreibern von Bordellen ausgeübt wird. Diese bestimmen oft Arbeitszeiten und Kundschaft oder halten Einnahmen der Frauen zurück.
Obwohl Sexarbeit in der Schweiz legal ist, meiden viele Frauen den Kontakt zur Polizei. Die Angst vor Diskriminierung oder ausländerrechtlichen Konsequenzen lässt viele Sexarbeiterinnen zögern, Übergriffe zur Anzeige zu bringen. Nur 38 Prozent der Befragten gaben an, gewalttätige Vorfälle überhaupt zu melden. Selbst in diesen Fällen führten Anzeigen selten zu Konsequenzen für die Täter. Die Polizei wird in der Umfrage oft als Bedrohung anstatt als schützende Instanz wahrgenommen.
Regelmäßige Polizeikontrollen könnten zwar theoretisch für mehr Sicherheit sorgen, doch fühlen sich viele Frauen durch die Art der Kontrollen kriminalisiert. Eine Teilnehmerin berichtete:
"Einmal wurde ich kontrolliert und fühlte mich behandelt, als ob ich etwas Illegales tue, obwohl ich alle Papiere hatte."
Das Stigma, das mit der Sexarbeit verbunden ist, erschwert die Situation zusätzlich. Viele Frauen berichten von Depressionen, Angststörungen und Traumata als Folge der wiederholten Gewalt. Trotz der Legalität von Sexarbeit ist die gesellschaftliche Akzeptanz gering, was dazu führt, dass sich viele Betroffene isoliert und ausgegrenzt fühlen.
Die Organisation ProCoRe fordert deshalb stärkere Maßnahmen zur Sensibilisierung der Polizei und der Justiz. Ziel sei es, präventive Maßnahmen zu stärken, Beratungsstellen auszubauen und die Rechte der Sexarbeiterinnen besser zu schützen.
Ein generelles Verbot des Sexkaufs, wie es in Schweden und Frankreich existiert, wird von ProCoRe abgelehnt, da Untersuchungen zeigen, dass in Ländern mit legaler Sexarbeit das Gewaltniveau generell niedriger ist.
Die Studie von ProCoRe legt offen, wie sehr Sexarbeiterinnen in der Schweiz unter Gewalt und Diskriminierung leiden. Die Legalisierung von Sexarbeit hat zwar den rechtlichen Rahmen verbessert, doch in der Praxis fühlen sich viele Frauen immer noch ungeschützt. Es bedarf stärkerer politischer und gesellschaftlicher Anstrengungen, um diesen Frauen mehr Sicherheit und Respekt zu bieten.
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