"Gastfreundlich und weltoffen": NRW führt Fahnenverbot für die Polizei während der EM wieder ein

Die Beamten der nordrhein-westfälischen Polizei dürfen weiterhin keine Deutschlandfahnen zur Fußball-EM an ihren Dienstwagen anbringen, teilte Die Welt am Samstag mit. Per Erlass wurden die Dienststellen laut Innenministerium sensibilisiert, dass "das Anbringen von Fahnen, Wimpeln oder ähnlichem für die Polizei eine besondere Verantwortung mit sich bringt und aus diesem Grund darauf zu verzichten ist".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zu Beginn der EM dagegen das Wimpelverbot für die Bundespolizei gekippt. In einem Interview kündigte Faeser an, dass an Dienstfahrzeugen der Bundespolizei während der EM Deutschlandfahnen angebracht werden dürfen. Das Verbot aus Gründen der Neutralität sei für die Zeit des Turniers ausgesetzt. Die Bundespolizei werde ihre Aufgaben "weiter genauso unbefangen, neutral und hochprofessionell wahrnehmen, wie wir es kennen", so Faeser. Sie fügte hinzu: "Und unsere Beamtinnen und Beamten stehen hinter unserem deutschen Team." 

Da die Bundesinnenministerin nur für die Bundespolizei zuständig ist, die zum Beispiel an Bahnhöfen oder Flughäfen eingesetzt wird, müssen sich die Länder selbst um die Wimpel-Regeln für ihre zahlreichen Polizeistreifen kümmern. In Zahlen ausgedrückt: Bis zu 54.000 Bundespolizisten dürfen nun ausdrücklich die Landesfahne zeigen. Ihnen gegenüber stehen 281.500 Polizisten im Dienst der Länder.

Laut Tagesspiegel bleiben die Länder grundsätzlich beim Fahnenverbot, nur Sachsen habe dazu keine eigene Vorgabe. Es herrsche jedoch "Schwarz-Rot-Gold-Wirrwarr", kritisierte das Blatt. Denn offenbar wird das umstrittene Fahnenverbot von Land zu Land doch unterschiedlich gehandhabt beziehungsweise umgesetzt. So waren laut Hamburger Morgenpost (Stand: April) in Hessen und Baden-Württemberg keine Verbote geplant, in Sachsen-Anhalt wird das Zeigen der Fahne "toleriert", soweit dem polizeitaktische Erfordernisse nicht entgegenstehen.  

Nicht so im bevölkerungsreichsten Bundesland. Das Innenministerium Nordrhein-Westfalens teilte dazu auf Anfrage mit: "Im Zusammenhang mit der UEFA EURO 2024 trägt ein professionelles polizeiliches Handeln wesentlich dazu bei, dass sich Deutschland als gastfreundliches und weltoffenes Land präsentiert. Neutralität und Objektivität der Polizei NRW kommt dabei eine besondere Bedeutung zu." Daher bleibe es bei der Regelung. 

Tatsächlich besteht das Verbot seit Jahren. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatte der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch den Beamten untersagt, Deutschlandfahnen an den Fahrzeugen zu befestigen. Begründet wurde das Verbot jedes Mal mit dem Neutralitätsgebot.

"Polizeibeamte im Dienst sind auch während der WM nicht in ihrer Eigenschaft als deutsche Fußballfans unterwegs", sagte Glietsch damals.

Berufsintern und juristisch umstritten

Die Regelung rief im Vorfeld der EM-2024 ausgerechnet aus den Reihen der Berufsverbände Kritik hervor. So sagte Bodo Pfalzgraf, Berliner Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), allen Fans anderer Nationen dürfte klar sein, dass in Berlin die deutsche Polizei handelt.

"Unseren Einsatzkräften de facto bei Verwendung der Nationalflagge Parteilichkeit zu unterstellen, ist weit hergeholt", kritisierte Pfalzgraf. 

Ähnlich sieht das sein Landeskollege von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Stephan Weh. "Wir haben von Anfang an deutlich gesagt, dass es ein absurdes Verbot und eine typisch deutsche Diskussion ist. Kein anderes Land würde sich über solche Sachen einen Kopf machen", sagte er laut Tagesspiegel. Auch der Berufsverband "Unabhängige" kritisierte das Fahnenverbot. "Es kann durchaus per Einzelanweisung richtig sein, die Fahne für Einheiten zu untersagen, die im Stadion bei Spielen der deutschen Nationalelf auch zum Einschreiten im Einsatz sind. Aber ein generelles Verbot ufert aus", sagte Verbandssprecher Jörn Badendick. Er betonte:

"Die im Grundgesetz geregelte Bundesflagge steht für Einheit, Freiheit und Demokratie."

Dieses Argument führt auch Jurist Dr. Florian Albrecht in einem Fachartikel beim LTO an. "Selbst dann, wenn im üblichen Dienstbetrieb auf das Zeigen der Deutschlandflagge verzichtet wird, steht die Bundesflagge wegen ihrer besonderen Bedeutung als Nationalsymbol auch im Kontext Fußball-EM für ein Bekenntnis zur Bundesrepublik und ihren Grundwerten." Dass sich Polizisten darüber hinausgehend auch als Fußballfans zu erkennen geben, stehe dem nicht grundsätzlich entgegen. 

Außerdem solle sich die staatliche Neutralität nicht aus der Sicht "eines aggressiven und gegebenenfalls alkoholisierten Fußballfans" bemessen, sondern aus der eines "vernünftigen Betrachters".

"Vor diesem Hintergrund kann es nicht die Aufgabe der Polizei sein, sich in vorauseilendem Gehorsam der mutmaßlichen Erwartungshaltung gewaltbereiter Fußballfans anzupassen."

Demgegenüber argumentierte die Taz, die erwartungsgemäß das Fahnenverbot ausdrücklich begrüßte:

"In Zeiten, in denen die AfD die deutsche Fahne zum Identifikationssymbol erkoren hat und man damit automatisch rechtsextremes Gedankengut in Verbindung bringt, darf auch optisch kein Zweifel an der Neu­tralität der Berliner Polizei aufkommen."

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