Eurasische Wirtschaftsunion: Moskaus großes Integrationsprojekt

Von Kirill Strelnikow

Am vergangenen Freitag fand in Moskau eine Sitzung des Eurasischen Zwischenstaatlichen Rates unter Beteiligung der Regierungschefs der Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) statt. Im Mittelpunkt der Sitzung standen die Arbeitsergebnisse der Union für das Jahr 2024 sowie, wie üblich, ein Meinungsaustausch und die Erörterung weiterer Schritte.

Es wurden keine besonderen Sensationen bekannt gegeben, außer einer: Diese Maßnahme stellt einen der Schlüsselpunkte des größten Integrations- und Zivilisationsprojekts auf unserem Kontinent in diesem Jahrhundert dar.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelt und erprobt die russische Staatsführung ständig verschiedene Formen der effektiven zwischenstaatlichen Zusammenarbeit und Integration, um das in der Region entstandene strukturelle Chaos zu beseitigen und im Idealfall ein neues Vereinigungsprojekt ins Leben zu rufen. Zu diesen Initiativen gehören die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) (ursprünglich 1991 von Russland, Weißrussland und der Ukraine gegründet), die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) (1992, erste Teilnehmer: Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan), der Unionsstaat Russland und Weißrussland (1999), die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) (2001, erste Teilnehmer: Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan) sowie verschiedene regionale Vereinigungen und Abkommen.

Am 1. Januar 2015 wurde die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) als Nachfolgeorganisation der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG, 2000 bis 2014) gegründet. Die ersten Unionsmitglieder waren Russland, Weißrussland und Kasachstan. Derzeit sind Armenien und Kirgistan ebenfalls EAWU-Mitglieder.

Im Gegensatz zu anderen Integrationsprojekten, bei denen verschiedene Aufgabenbereiche im Vordergrund standen und die Themen Staatsaufbau, Wirtschaft, Sicherheit, Terrorismusbekämpfung usw. miteinander kombiniert wurden, basierte die EAWU-Tätigkeit ursprünglich auf der grundlegenden Deklaration zur Eurasischen Wirtschaftsintegration, d. h. der Haupt- und einzige Fokus der gegenseitigen Anziehungskraft der Mitgliedsstaaten richtet sich in diesem Fall ausschließlich auf die Wirtschaftsbeziehungen – und nicht auf die Politik.

Das EAWU-Konzept basiert auf der Tatsache, dass Wirtschaft die Basis der modernen Gesellschaft darstellt. Im Vergleich zu den sich im Laufe der Zeit verändernden politischen Interessen sind die wirtschaftlichen Interessen wesentlich stabiler, rationaler und weniger von subjektiven und externen Faktoren beeinflusst.

Die offiziell deklarierten EAWU-Hauptziele sind die Stärkung der Wirtschaftsintegration und die Gewährleistung des freien Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Tatsächlich schafft dieses Projekt einen einheitlichen, reibungslosen und barrierefreien Raum mit gemeinsamen Regeln und minimalen Transaktionskosten, in dem sich Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte frei und effizient bewegen können, was die gemeinsame Wirtschaftstätigkeit für alle Beteiligten attraktiver und rentabler macht. Im Rahmen der EAWU wird konstant und zügig daran gearbeitet, alle möglichen Barrieren zu beseitigen und neue wirtschaftliche Gemeinsamkeiten zu finden.

Interessanterweise entspricht dieses Modell der Teilnehmergewinnung und des Verbandsaufbaus hundertprozentig dem sogenannten Metcalfe'schen Gesetz, das besagt, dass der Wert eines Netzwerks direkt proportional zum zahlenmäßigen Anstieg seiner Knotenpunkte wächst. Ein einfaches Beispiel dafür ist das Telefonnetz. Wenn es in einer Stadt nur ein Telefon gibt, ist es nutzlos und niemand wird es kaufen. Wenn aber jeder einen solchen Apparat besitzt, wird sein Kauf unerlässlich. Bei den ersten Telefonen lagen die Kosten für den Netzanschluss zunächst über dem erzielten Nutzen, doch mit dem Anwachsen einer kritischen Masse übersteigen die Vorteile des Netzanschlusses die ursprünglichen Kosten um ein Vielfaches.

In ähnlicher Weise wird der Nutzen der EAWU für alte und neue Beteiligte im Laufe der Zeit immer größer werden, und der geografische Bereich des Projekts wird sich dabei sicherlich ausweiten.

So sagte der russische Premierminister Michail Mischustin bei der Sitzung des Eurasischen Zwischenstaatlichen Rates:

"Die Wirtschaft der Eurasischen Wirtschaftsunion entwickelt sich in einem guten Tempo, und die Mitgliedstaaten werden alle Anstrengungen unternehmen, um diese Prozesse noch schneller voranzutreiben."

Hier einige Beispiele: Im ersten Dreivierteljahr des Jahres 2024 lag das BIP-Wachstum der EAWU bei über 4,5 Prozent. Die Industrieproduktion zeigt die gleiche Dynamik. Der Einzelhandelsumsatz wuchs um fast acht Prozent, und der Personenverkehr nahm um fast 7,5 Prozent zu. Im Rahmen des endgültigen "Umschwungs" wird der Anteil der Länder des Globalen Südens am Handelsumsatz mit der EAWU am Ende des Jahres 75 Prozent betragen – allein der Handel mit der Türkei und Indien wird voraussichtlich 60 Milliarden US-Dollar erreichen. Der Handelsumsatz mit China nimmt rasch zu. Im nächsten Jahr sollen Abkommen über Freihandelszonen mit dem Iran und der Mongolei unterzeichnet werden, und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Serbien, Vietnam und einer Reihe afrikanischer Länder sind entsprechende Verhandlungen im Gange.

Aber es geht nicht um absolute Zahlen, die im Vergleich zu dem vorhandenen Potenzial immer noch relativ gering sind. Entscheidend ist, dass das EAWU-"Zusammenschlussmodell" seine Relevanz und hohe Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund nie dagewesener wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen und Bedrohungen vollends gerechtfertigt und bewiesen hat. Nach Einschätzung von Experten verfügt die EAWU über ein enormes Entwicklungspotenzial und kann zu einem der wichtigsten Machtzentren im eurasischen Raum werden.

Ende 2015 verkündete der russische Präsident Wladimir Putin das Konzept einer "Großen Eurasischen Partnerschaft" (GEP), die auf gemeinsamen Wirtschaftsinteressen beruht und den gesamten Kontinent umfasst. Diese Idee wurde später im Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation von 2023 verankert. Laut dem Konzept soll "durch die Kombination des Potenzials aller Staaten, regionalen Organisationen und Vereinigungen Eurasiens – mit der EAWU, der SOZ und dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) als Rückgrat – sowie durch die Verknüpfung der Entwicklungspläne der EAWU und der chinesischen Initiative 'Ein Gürtel, eine Straße' ein breit angelegter Integrationskreislauf – die Große Eurasische Partnerschaft – gebildet werden, wobei die Möglichkeit der Beteiligung aller interessierten Staaten und multilateralen Vereinigungen des eurasischen Kontinents an dieser Partnerschaft gewahrt bleibt".

Im Rahmen der GEP können sich die Modelle für die soziale, politische und sogar wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten weiterhin erheblich unterscheiden. Daraus folgt, dass die logische Entwicklungsstufe des Projekts eines Tages der Beitritt sowohl der Ukraine als auch der Europäischen Union sein kann. Es ist klar, dass dieser Prozess mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen kann, aber die wirtschaftliche Konsolidierung und Integration Eurasiens ist die einzige Option, bei der die teilnehmenden Länder ihre nationale Souveränität nicht im Interesse der Wirtschaftsentwicklung und einer nutzbringenden Zusammenarbeit opfern sollten.

Viele Länder haben ihre Wahl bereits getroffen, und das Ergebnis spricht für sich. Ob ganz Eurasien in der Lage sein wird, Vorurteile, Feindseligkeit, Widersprüche und historische Missstände zu überwinden, wird die Zukunft zeigen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 15. Dezember 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.

Mehr zum Thema - Iran beantragt Beobachterstatus bei Eurasischer Wirtschaftsunion

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