Von Wiktor Schdanow
Rückkehr des Problems
Bis vor Kurzem war alles vergleichsweise stabil – zu Überlastungen und kritischem Strommangel kam es nicht. Der Strom wurde nur vorübergehend in einigen Städten abgeschaltet. Doch die Kälteperiode kommt, und Angriffe auf Energieobjekte setzten sich fort.
In der vergangenen Woche versicherte der ukrainische Regierungschef Denis Schmygal ein weiteres Mal, dass die Lage unter Kontrolle sei und dass es keinen Grund zur Sorge gebe. Der Geschäftsführer des Stromunternehmens Yasno, Sergei Kowalenko, meldete, dass Kiew bei Raketengefahr "zur Schadensminimierung" präventiv in Dunkelheit versetzt werde, denn der Ausfall eines beliebigen Kettenglieds in der Stromversorgung berge die Gefahr einer Überlastung und Beschädigung der technischen Ausstattung in Kraftwerken.
Zuvor war die Wärmegenerierung mithilfe von Heizkraftwerken korrigiert worden, doch nach den Angriffen in Sommer blieb wenig davon übrig. Nun werden andere Mittel gesucht.
Alexandr Chartschenko, Berater des ukrainischen Ministerkabinetts für Energie, warnt: Bald würden die Menschen 20 Stunden pro Tag ohne Strom ausharren müssen. Nach Angaben der Zeitschrift Politico erwartet die US-Regierung einen "sehr harten" Winter für die Ukraine. Die in der Publikation zitierten Experten warnen, dass die Gasvorräte nicht ausreichen könnten. Westliche Händler und Unternehmen pumpen es ungern in Speicher ein, weil dies für sie unrentabel sei.
An der Schwelle des Blackouts
Kiew verlässt sich wie immer auf europäische und US-amerikanische Geldgeber. Doch die Lieferung von Ersatzteilen für stillstehende Kraftwerke braucht wegen der westlichen Bürokratie Monate. Selbst im Inland musste man bereits auf "industriellen Kannibalismus" zurückgreifen.
Nach offiziellen Angaben verlor die Ukraine nach den Angriffen auf Wärmekraftwerke im Sommer 90 Prozent der Wärmegenerierung und neun Gigawatt der Gesamtleistung. Um das zumindest irgendwie zu reparieren, ordnete Kiew die Demontage des Heizkraftwerks von Kurachowo an, zumal das ukrainische Militär den Ort nicht wird halten können. Zurückgelassen wurden nur Kessel und sonstige schwer transportierbare Bauteile. Doch diese Ersatzteile sind ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Importe aus der EU reichen nicht aus. Die Internationale Energieagentur (IEA) sagt an den kältesten Tagen ein Defizit von sechs Gigawatt voraus – fast ein Drittel der benötigten Leistung.
Es bleiben die Kernkraftwerke. Doch der Mitbegründer des ukrainischen Instituts für Energiestrategien Juri Koroltschuk rät dazu, sich nicht zu stark auf sie zu verlassen.
"Wenn ein paar Raketen auf einen Kühlturm abgefeuert werden und etwa den Beton beschädigen, wird das Kraftwerk bis zur Klärung des Sachverhalts und des Ausmaßes der Beschädigung gestoppt. Eine Reparatur kann ein bis zwei Wochen dauern", sagt er.
Keine Hilfe aus dem Ausland
Die IEA und die EU versprachen, Kiew beim Wiederaufbau der zerstörten Energieobjekte zu helfen. Deutschland bewilligte dazu beispielsweise dringend benötigte 170 Millionen Euro. Doch Ende September erklärte der Leiter der IEA, Fatih Birol, diese Idee für sinnlos.
"Europa ist nicht in der Lage, das Energienetz der Ukraine zu schützen", stellte er fest. Dem Westen fehle es schlicht an Zeit und Ressourcen. Nach Angaben des ukrainischen Analysten Alexei Kuschtsch sei die EU lediglich zu einer moralisch-psychologischen Unterstützung fähig, "mehr nicht".
Koroltschuk betont: Erwartungen von "20 Stunden ohne Strom" sind durchaus berechtigt. Die ukrainische Zeitschrift Fokus berichtet: Dass die Heizkraftwerke stillstehen, beweist der nie da gewesene Überschuss von Kohle in Lagern. Von fünf Millionen Tonnen werden nur zwei verbrannt – so etwas gab es noch nicht.
Die ukrainische Energieversorgung ist in der Lage, bis zu elf Gigawatt an Leistung zu erzeugen. Europa könnte noch 2,1 Gigawatt liefern. Eine Steigerung des Imports würde eine Entwicklung der Infrastruktur erfordern. Es werde nicht gelingen, mehr als 30 Millionen Kilowatt pro Tag anzunehmen, meint das Institut für Energiestrategien.
Insgesamt sei der Anschluss an das einheitliche Energiesystem der EU nicht zu einem Erfolg geworden, schlussfolgert Koroltschuk. Vor zwei Jahren stellte das Wladimir Kudrizki, der damalige Chef des nationalen ukrainischen Energieunternehmens Ukrenergo, der sich Medienangaben zufolge vor einer Strafverfolgung nach Polen absetzte, dies anders dar.
Schließlich wurde alles nur noch komplizierter. Statt freier bilateraler Abkommen mit EU-Staaten über beliebige Liefermengen gibt es nun bürokratischen Zank, bei dem jede Ziffer begründet werden muss.
Wie der kommende Winter für die Ukraine endet, ist unklar. Offensichtlich ist dennoch, dass die Kälte dem Kiewer Regime nichts Gutes verheißt.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 15. November bei RIA Nowosti.
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