Datenschutzbehörde in Unkenntnis von Einsatz des Gesichtserkennungssystems sächsischer Polizei

In Sachsen hatte die Polizei ein System zur automatisierten Nummernschild- und Gesichtserkennung eingesetzt.

Die dortige Datenschutzbehörde weiß davon jedoch nichts und hält dieses System für verfassungswidrig.

Nachforschungen bei Sächsischem Innenministerium

Marit Hansen, die Landesdatenschutzbeauftragte Sachsens hatte laut eigenen Angaben,  keine Kenntnis davon, dass die sächsische Polizei in der Vergangenheit Videoüberwachung mit Echtzeit-Nummernschild- und Gesichtserkennung eingesetzt hatte.

Hansen hält den Einsatz der Technik für verfassungswidrig – und will nun beim sächsischen Innenministerium nachforschen. Das geht aus der Antwort auf eine Beschwerde hervor, die netzpolitik.org veröffentlicht hatte.

In der Antwort der Behörde hieß es, „angesichts der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu präventiven Maßnahmen der automatisierten Kennzeichenerfassung dürfte es keinen Zweifel daran geben, dass die biometrische Echtzeit-Verarbeitung und ein Live-Abgleich der Gesichtsbilder von Personen, die eine Überwachungskamera im öffentlichen Raum passieren, gegen die Verfassung verstößt.“

Parlamentarische Anfrage brachte „es ans Licht“

Durch eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin und durch Recherchen seitens netzpolitik.org. war im Mai bekannt geworden, dass die sächsische Polizei ein heimliches Observationssystem mit hochauflösenden Kameras und Gesichtserkennung einsetzten würde. Die Kameras könnten in parkenden Fahrzeugen verbaut oder stationär montiert werden. Mit ihnen kann die Polizei ermitteln, ob sich eine verdächtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten hatte.

Details zur Funktionsweise des Systems unterliegen in Sachsen der Geheimhaltung, erklärte dazu ein Polizeisprecher gegenüber dem nd. Ob es sich bei dieser „Observationstechnik für verdeckte Maßnahmen“ um Elemente des, bereits früher in Görlitz eingesetzten „Personen-Identifikations-Systems“ (PerIS) handelt, ist noch unklar. Es gibt jedoch Hinweise darauf. Der erste bekanntgewordene Einsatz der verdeckten Observationstechnik aus Sachsen erfolgte in Berlin im Bereich der „grenzüberschreitenden Bandenkriminalität“. Diese Ermittlungen führt die Polizeidirektion Görlitz, die das PerIS als erste sächsische Behörde 2020 angeschafft hatte.

Beschwerde gegen Überwachungssystem

Nach Veröffentlichung des Berichtes hatte sich die sächsische Piratenpolitikerin Anne Herpertz mit einer Beschwerde an die zuständige Landesdatenschutzbehörde gewandt. Herpertz nannte es „erschreckend“, dass erst ihre Anfrage dazu geführt hatte, dass die Praxis der Gesichtserkennung in Echtzeit überhaupt thematisiert und untersucht wird.

Dass die Datenschutzbeauftragte davon ausgehe, dass die Technik nie eingesetzt wurde, hält sie für „naiv“. Sie fordert nun dringende Aufklärung. Der Paragraf 59 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes (SächsPVDG), der die biometrische Videoüberwachung zur Verhütung grenzüberschreitender Kriminalität ermöglicht hätte, war nämlich bereits Ende des Jahres 2023 ausgelaufen.

Die sächsische Datenschutzbeauftragte will sich nun bei Herpertz  melden, sobald zweifelsfrei feststehe, welche Maßnahmen mit welcher Eingriffstiefe die Polizeidirektion Görlitz mit dem „Personen-Identifikations-System“ durchgeführt hatte und ob diese Maßnahmen ausdrücklich richterlich angeordnet worden waren oder nicht.



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