Das Ableben von US-Präsident Jimmy Carter am 29.12.2024 ruft Erinnerungen an die vormalige „Vernunftehe“ zwischen China und USA wach. Es begann im Jahr 1979 mit dem USA-Besuch von Deng Xiaoping, dem Vorsitzenden des Militärrats des Zentralkomitees der KP Chinas.
Das historische Treffen zwischen
Jimmy Carter und Deng Xiaoping in den USA
Von JURY TAWROWSKY | Nur einen Monat nach seiner Bestätigung als de-facto erster Mann Chinas auf dem 3. Plenum des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas vom 18. bis zum 22. Dezember 1978, reiste Deng Xiaoping nach Washington. Es war der erste Besuch eines chinesischen Staatsführers in den Vereinigten Staaten seit der Ausrufung der Volksrepublik China im Jahr 1949.
Deng Xiaoping verfügte über die Unterstützung der Führung seins Landes für die Umsetzung einer Reihe von Reformen, die auch Hilfe von außen benötigten und nachfolgend als „Sozialismus mit chinesischer Charakteristik“ Bekanntheit erlangten:
- Die Sowjetunion hatte Mao Zedong bei Errichtung der Grundlagen für ein sozialistisches System verholfen.
- Die Vereinigten Staaten sollten nach den Vorstellungen von Deng Xiaoping dazu beitragen, die sozialistische Wirtschaft durch eine kapitalistische zu ergänzen und China den Weltmarkt zugänglich zu machen.
Während seines Treffens in Washington, D.C. machte Deng Xiaoping US-Präsident Jimmy Carter „ein Angebot, das dieser nicht ausschlagen konnte,“ um:
Eine „weltweite anti-hegemoniale Front“ gegen die UdSSR und ihre Verbündeten in Stellung zu bringen!
Der Brückenschlag zwischen Washington und Peking hatte in den frühen 1970er Jahren mit der sogenannten „Pingpong-Diplomatie“ begonnen. Sie wurde durch den Besuch von Präsident Richard Nixon in China mit dem Treffen mit Mao Zedong, gekrönt. Aus verschiedenen Gründen vermochte besagte „Eheschließung“ jedoch nicht, unmittelbar greifbare Ergebnisse zu bewirken.
Dazu unternahm Deng Xiaoping seine viel beachtete Reise nach den Vereinigten Staaten.

Quelle: National Archives & Records Admin, Public domain, via Wikimedia Commons
Dengs Besuch erstreckte sich über mehrere Tage. Ein besonderer Programmpunkt, wie Dengs Besuch im CIA-Hauptquartier, wurde jedoch nicht öffentlich gemacht:
Es wurde vereinbart amerikanische Abhörstationen gegen die UdSSR in Nordwestchina errichten zu lassen.
Das von Deng Xiaoping insgesamt vorgeschlagenen Abkommen war so umfangreich, dass fünf Gipfeltreffen und Dutzende Zusammenkünfte hochrangiger Diplomaten erforderlich waren. Wichtige Dokumente wurden unterzeichnet, wie z.B.:
- der Vertrag über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit
- der Vertrag über kulturelle Zusammenarbeit.
Beide Länder einigten sich auf Zusammenarbeit für die Bereiche Bildung, Handel und Raumfahrt. Außerdem vereinbarten die Staatschefs, die erst im Dezember 1978 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen durch konsularische Beziehungen zu ergänzen bzw. auch Generalkonsulate einzurichten.
Im Zuge des Besuchs ließ sich Deng Xiaoping sogar mit einem Cowboyhut ablichten:

Quelle: CHINA DAILY
Der beredtste Beweis für den Schritt der VR China, sich im Widerstand gegen die sozialistische Welt auf die Seite des imperialistischen Lagers stellen zu lassen, sollte der Krieg Chinas gegen Vietnam bedeuten:
Der Chinesisch – Vietnamesische Krieg vom 17.2. bis 16.3.1979 begann zwei Wochen nach der Rückkehr Deng Xiaopings aus den USA am 17. Februar 1979!
Die von Jimmy Carter und Deng Xiaoping geschaffene Formel für eine „Vernunftpartnerschaft“ entsprach sowohl den nationalen Interessen der USA als auch denen der VR China und hielt auch über rund drei Jahrzehnte.
China erweiterte mit Hilfe des Westens sein Wirtschaftspotenzial, doch „blieb im Schatten“ , ohne eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben. Gleichzeitig unterstützte Peking den Westen offen bzw. auch verdeckt bei seiner Konfrontation mit der Sowjetunion. Dies zwang Moskau, sich auf einen Zweifrontenkrieg einzustellen.
Am Ende spielte Deng Xiaoping jedoch Jimmy Carter an die Wand: Unter Mithilfe der Vereinigten Staaten und des gesamten Westens brachten er und seine Anhänger das Land in die Position der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Diese unerwarteten Folgen der „Vernunftehe“ wurden Washington erst unter Präsident Barack Obama bewusst. Nachdem Obama 2009 nach Peking gereist war, schlug er vor, ein neue Architektur der Mächte gemäß einer sogenannten „G-2“-Formel zu schaffen:
Das wäre gleichbedeutend mit einer gemeinsamen amerikanisch-chinesischen Vorherrschaft über die Welt gewesen, doch mit den Vereinigten Staaten an der Spitze!
Diese Formel wurde von China abgelehnt und schon bald sollte die sogenannte Eindämmung Chinas ausgerufen werden:
Die US-Strategie „Pivot to Asia“ wurde ausgegeben, welche die Konzentration der globalen Kräfte der USA und ihrer Verbündeten im pazifischen Raum vorsah. Das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TTP) sollte die Handels- und Wirtschaftsisolation des Reichs der Mitte bewirken, um die führende Handelsmacht der Region und ganzen Welt, sprich China, außen vor zu halten.
Diese Strategien wurden jedoch aufgrund der Verwicklungen der USA in Konflikte auf verschiedenen Teilen der Welt nie vollständig umgesetzt. Zugleich erschien ein Zusammenstoß zwischen den ehemaligen Teilnehmern der „Vernunftehe“ unvermeidlich:
Die „Scheidung mit einem Knall“ begann 2018, als Präsident Donald Trump das erste große Sanktionspaket gegen chinesische Waren verabschieden ließ!
China antwortete „Punkt auf Punkt“ und ein Handelskrieg nahm seinen Lauf. In den folgenden Jahren unter der Administration von Donald Trump und seinem Nachfolger Joseph Biden nahm die Konfrontation das Ausmaß eines ausgewachsenen Kalten Krieges an und breitete sich sogar auf die militärischen -, finanziellen -, technologischen – und humanitären Sphären aus. Die Konfrontation wurde durch die derzeitige Führung der Kommunistischen Partei Chinas unter der Leitung von Xi Jinping verschärft: Xi hat die Politik von Deng Xiaoping korrigiert, die darin bestand:
Westlichen Märkte mit billigen chinesischen Waren einzudecken, was auf Kosten der Ausbeutung des eigenen Volkes, einer passiven Außenpolitik und des Misstrauens gegenüber Moskau ging.
Am Ende der Amtszeit von Joseph Biden hatten die Beziehungen zwischen USA und China seit dem Treffen zwischen Jimmy Carter und Deng Xiaoping ihren Tiefpunkt erreicht.
Washington als Initiator dieser stetigen Verschlechterung der Beziehungen, scheint nicht bereit, den Verlust seiner Position als globaler Hegemon hinzunehmen.
Peking hingegen schlägt weiterhin seine Formel für die „Beziehungen unter den Großmächten“ vor, wie sie sich in den chinesisch-russischen Beziehungen widerspiegeln, die Gleichheit in bilateralen und internationalen Beziehungen sowie Verantwortung auf gleicher Augenhöhe in Bezug auf das Schicksal der Welt vorsehen.
Jimmy Carter und Deng Xiaoping haben sich ihren Platz in der Geschichte als Symbole für die Möglichkeit plötzlicher Kehrtwendungen unter Großmächten gesichert.
Doch, nur die Zukunft wird weisen, ob – wie Xi Jinping es ausdrückte – „grandiose Veränderungen, wie man sie seit 100 Jahren nicht mehr erlebt hat“ die Menschheit künftig erwarten.
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Übersetzung: UNSER MITTELEUROPA
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